Das Jahr 2019 hat begonnen und damit auch die Erhebung der Gästetaxe in Leipzig. Möglicherweise mit Folgen, die mancher erwartet hat. So wie die Betreiber der Leipziger Hostels, die ja vor allem auf eine junge, finanziell nicht so leistungsfähige Klientel setzen. Und die ersten Wochen bestärken die Hostel-Betreiber in der Vermutung, dass ihre Übernachtungszahlen durch die Erhebung der Gästetaxe zurückgehen.

Drei Leipziger Hostels nehmen nun die Einführung der Gästetaxe, die Gäste wie Mitarbeiter belastet, sowie die schlechte Auslastung zum Anlass, kurzfristig Übernachtungen zu „verschenken“. Wer für den Februar im Central Globetrotter Hostel, Five Elements Hostel oder Sleepy Lion Hostel zwei Nächte bucht, bezahlt nur eine Nacht, wenn ein Aufenthaltstag ein Sonntag ist. Egal ob im Mehrbettzimmer oder Privatzimmer. Da die Gästetaxe nur für entgeltliche Übernachtungen erhoben wird, falle demzufolge auch keine Gästetaxe an, interpretieren die Hostel-Betreiber die Leipziger Regelung, die nach wie vor Fragen aufwirft.

„Wenn wir nichts verdienen, bekommt die Stadt eben auch nichts. Unsere Auslastung und auch die anderer Leipziger Betriebe ist im Vergleich zum letzten Jahr im Januar gesunken, Februar und März sind bis jetzt schlecht gebucht. Und daran wird die Gästetaxe ihren Anteil haben“, sagt Peter Weißbach, Chef des Five Elements.

Eine ähnlich konstruierte Abgabe in Suhl wurde vom Oberverwaltungsgericht erst vor wenigen Tagen gekippt, da beruflich bedingte Übernachtungen, wie auch in Leipzig, nicht von der Besteuerung ausgenommen wurden, so Weißbach. Zudem plane die Stadt Leipzig, die Hälfte der aus der Abgabe resultierenden Einnahmen dem allgemeinen Haushalt zuführen, was nach dem sächsischen Kommunalabgabengesetz nicht zulässig ist. Das dürfte auch die Leipziger Gästetaxe juristisch infrage stellen.

Noch 2017 hatte das Leipziger Finanzdezernat in seiner Stellungnahme zum Antrag der SPD-Fraktion, die Gästetaxe in Leipzig einzuführen, betont: „Die Erträge aus der Gästetaxe können nur zur Deckung des touristischen Aufwandes einer Gemeinde verwendet werden.“

Dieser Aufwand hätte geklärt werden müssen, bevor die Einführung der Gästetaxe beschlossen wurde. Aber vergeblich insistierte das Finanzdezernat – weder die betroffenen Dezernate noch die betroffenen Kultureinrichtungen konnten wirklich beziffern, wie hoch der eigentliche touristische Aufwand ist. Das Ergebnis: Nur die Hälfte der geplanten Einnahmen ließ sich irgendwie mit touristischen Aufwendungen begründen. Was natürlich die Frage aufwirft: Ist Leipzigs Verwaltung unfähig, wirklich touristische Aufwendungen überhaupt von rein kulturellen zu trennen? Und damit auch zu beziffern? Denn die genaue Zweckbindung hat der Gesetzgeber zwingend vorgegeben.

Worauf auch das Finanzdezernat hinwies: „Die rechtliche Verpflichtung ist hier konkret in § 34 Abs. 1 S. 1-3 SächsKAG festgeschrieben:

Gemeinden können zur Deckung ihrer besonderen Kosten, die ihnen
– für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung und Unterhaltung der zu touristischen Zwecken bereitgestellten Einrichtungen und Anlagen,
– für die zu touristischen Zwecken durchgeführten Veranstaltungen und
– für die, gegebenenfalls auch im Rahmen eines überregionalen Verbunds, den Abgabepflichtigen eingeräumte Möglichkeit der kostenlosen oder ermäßigten Benutzung des öffentlichen Personenverkehrs und anderer Angebote.“

Eigentlich alles klar definierte Punkte. Aber davon kommt dann im Beschluss fast nichts mehr vor. Als hätte Leipzig nicht einen riesigen Bedarf an Bau und Ausschilderung touristischer Rad- und Wanderwege, an touristisch sinnvollen Tickets für den ÖPNV in Stadt und Region. Eben das, was Touristen gern nutzen, wenn sie schon mal da sind.

Aber Ende 2018 hieß es dann in der Vorlage des Finanzdezernats: „Die geplanten Erträge aus der Gästetaxe werden zu 50 % für neue touristische Maßnahmen verwendet. Die verbleibenden 50 % fließen in den Gesamthaushalt ein und dienen der Deckung der besonderen Kosten der Einrichtungen, Anlagen und Veranstaltungen, die bereits Gegenstand der Vorkalkulation waren.“ Das waren im Wesentlichen die großen Kultureinrichtungen und Festivals, die für sich reklamieren, touristisch relevant zu sein und deswegen auch Touristen anziehen.

Aber da man auch die Stadtratsanträge umsetzte, die Höhe der Gästetaxe nach Leistungsfähigkeit der Übernachtungsgäste zu staffeln, schrumpfte der geplante Einnahmebetrag von 7,2 auf 5,2 Millionen Euro. Und wie gesagt: Selbst dabei konnte nur die Hälfte mit konkreteren Projekten untersetzt werden.

Was freilich auch das Leipziger Dilemma zeigt: Die LTM, die für das Marketing der Stadt Leipzig zuständig ist, vermarktet nun einmal nur, außer der Tourist-Information betreibt er keine touristisch relevanten Einrichtungen.

Die Kosten für wirklich touristisch relevante Investitionen liegen alle bei der Stadt. Aber dort fühlt sich niemand für das Thema Tourismus wirklich verantwortlich. Deswegen ist der Touristische Entwicklungsplan, den die LTM regelmäßig vorlegt, auch kein touristischer Entwicklungsplan. Das ist aus der Position der LTM heraus gar nicht zu bewerkstelligen. Das muss irgendwo in der Verwaltung gebündelt werden, wo jemand sitzen muss, der die touristischen Bedarfe z. B. an Rad- und Wanderwegen, Ausschilderungen, Tickets usw. ermittelt – und damit auch den relevanten Finanzbedarf.

Es sieht ganz so aus, als hätte der Stadtrat mit dem Tempo, mit dem er die Einführung der Gästetaxe herbeivotiert hat, der Stadt in Wirklichkeit einen Bärendienst erwiesen, die Übernachtungsgäste mit einer diffusen Abgabe belastet, bei der der Gewinn für die Gäste nicht greifbar wird, der Stadt aber auch nicht die Bohne hilft, die wirklich touristisch relevanten Infrastrukturen endlich systematisch auszubauen. Da war die Erwartung, gleich mal deftige Extra-Einnahmen zu generieren, größer als das Wissen um den realen Bedarf.

Mit Gastfreundschaft hat der Vorgang wahrhaftig nichts zu tun.

Und um ihr Angebot zu konkretisieren, erklären die drei Hostels noch: Das Angebot, sonntags kostenlos und gästetaxefrei zu übernachten, ist gültig zwischen 28. Januar und 4. März im Five Elements Hostel, Central Globetrotter Hostel und Sleepy Lion Hostel bei Direktbuchungen im jeweiligen Hostel.

Die Leipziger Gästetaxe wird ab 1. Januar 2019 kassiert und übers Geldausgeben wird auch diskutiert

Die Leipziger Gästetaxe wird ab 1. Januar 2019 kassiert und übers Geldausgeben wird auch diskutiert

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Es gibt 2 Kommentare

Und das alles mit Ansage!

Dort, wo Herr Scheuer irrt, hätte er hier mal Recht gehabt:
handeln mit gesundem Menschenverstand!

Allerdings scheint es mit dem Sachverstand auch weit her zu sein…

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