In einem ganz normalen Medium würde das als schlichter Versuch einer Retusche verstanden werden, wenn gleich eine ganze Latte von Meldungen aus den vergangenen Jahren einfach überschrieben würde durch einen Standardtext. Einen Standardtext, über den jetzt jeder stolpert, der auf leipzig.de nach Ablagestellen für Weihnachtsbäume sucht. (Fast) alle Meldungen zum Thema führen seit dem 20. Dezember auf denselben Text.
Den hatte die Stadtverwaltung am 18. Dezember verschickt. Darin klang alles so, wie es im neudeutschen Verheißungsdeutsch klingt – wie eine Werbung für ein deutlich verbessertes Produkt: „Die Stadtreinigung Leipzig bietet eine Vielzahl an kostenlosen Ablageplätzen in der Stadt, wo Sie Ihren ausgedienten Weihnachtsbaum bis 31. Januar 2019 ablegen können. Eine Übersicht der 177 Ablagestellen finden Sie online unter www.Stadtreinigung-Leipzig.de/Weihnachtsbäume.“
Wer darauf nicht achtete und meinte, die 177 Ablagestellen seien ein neu ausgebautes Angebot, der wurde nach Weihnachten an einigen etablierten Ablageplätzen unangenehm überrascht: Da tauchte auf einmal ein Schild auf, mit dem Leipzigs Stadtreinigung an seit Jahren gern genutzten Ablageplätzen auf einmal darauf hinwies, dass hier keine Weihnachtsbäume abgelegt werden dürfen. Und das gleich mal unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu 100.000 Euro.
Wer zuvor noch nicht das Gefühl hatte, dass mit Leipzigs Stadtreinigung etwas Seltsames vor sich geht, der durfte es jetzt haben.
Zuerst gab es ja die eigenwillige Festlegung, dass schmale Straßen künftig nicht mehr von Abfallsammelfahrzeugen befahren werden sollen. Dann kam die trockene Entscheidung, dass – mit Inkrafttreten des neuen Verpackungsgesetzes am 1. Januar – Elektrokleingeräte nicht mehr in der Gelben Tonne entsorgt werden dürfen. Die Verbraucher sollten die Altgeräte entweder zurück zum Händler schaffen oder zu einem der Wertstoffhöfe der Stadtreinigung bringen.
Das Gefühl dürfte bei so manchem Leipziger aufkommen: Leipzigs Stadteinigung fährt ihre Serviceleistungen Stück um Stück zurück. Die Bürger müssen längere Wege in Kauf nehmen. Und warum das so ist, wird nicht mehr erklärt.
Deswegen war der seltsame Vorgang am 20. Dezember so erhellend: Kommentarlos wurden einfach die Meldungen vergangener Jahre durch eine nichts erklärende Meldung vom 18. Dezember ersetzt. Vergangenheit wird einfach überschrieben. Und dass sich der entsprechende Bearbeiter richtig Mühe gegeben hat, merkt man beim Durchklicken.
Er hat nicht alle Meldungen erwischt. Wobei allein schon beim Durchsuchen dieses Themenfeldes der vage Verdacht aufkommt, dass das vielleicht schon länger so üblich ist, dass Meldungen auf leipzig.de nachträglich überschrieben oder auch ganz gelöscht werden. Nachprüfen lässt sich das ja kaum. Aber es führt dazu, dass ein Bild entsteht, das dem Leser suggeriert, die Dinge in Leipzigs Verwaltung und die Regelungen seien schon immer so gewesen.
Die Meldung zu den Ablagestellen 2011 hat überlebt. Zumindest bis zum 1. Januar. Die dort enthaltene Liste haben wir unterm Text verlinkt. Ein schnelles Durchzählen ergab 185 verschiedene Ablagestellen im Stadtgebiet. Da das große Aufräumen auf den 20. Dezember 2018 datiert, kann man annehmen, dass 2018 jemand kraft seines Amtes beschlossen hat, die Zahl der Leipziger Ablagestellen zu reduzieren.
Und irgendwie hatte er keine Lust, das irgendwem zu erklären. Und so tauchte das Schild mit dem angedrohten Bußgeld zum Beispiel am Freiligrathplatz in Gohlis auf. In der Liste von 2011 ist der Platz übrigens auch nicht enthalten, obwohl er von den Anwohnern bis 2017 rege genutzt wurde.
Die 2011 noch aufgelisteten Ablagestellen für Weihnachtsbäume.
Das heißt: Auch 2011 waren einige Ablagestellen schon illegal oder nur einfach von der Stadteinigung aus dem offiziellen Kanon gestrichen worden, ohne die Bevölkerung extra darauf hinzuweisen.
Sodass die Frage offenbleibt, ob es nicht sogar einmal mehr als 185 Ablagestellen gab. Und auch die Reduzierung von 185 auf 177 Stellen kann gute Gründe haben. Aber das sollte eine Verwaltung auch rechtzeitig erklären und begründen. Nur scheint sich mittlerweile so ein stillschweigendes Verwaltungshandeln eingeübt zu haben, das auch nicht davor zurückschreckt, den Meldungsbestand der offiziellen Homepage der Stadt zu „korrigieren“.
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