Am 30. November überraschte Leipzigs Kulturbürgermeisterin die Leipziger Kulturschaffenden mit der Einladung, sich im ehemaligen Autohaus in der Lindenthaler Straße 61-65 auf 10.000 Quadratmetern einmieten zu können. Das einstige Autohaus hatte die Stadt im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme angemietet. Nun könnte es ein Loch stopfen, das den Kreativen der Stadt nur allzu bewusst ist: Die Gentrifizierung Leipzigs hat hunderte Atelier- und Probenräume verschwinden lassen.
Und Kulturschaffende gehören ja nun wahrlich nicht zu den Schwerverdienern der Stadt. Sie sind auf preiswerten Werkstattraum angewiesen. Und auf die Unterstützung der Stadt, die sich ja so gern etwas einbildet auf die attraktive Kreativszene und ihre Rolle für das Außenbild der Stadt.
Aber wer Kreative halten will, der muss etwas dafür tun.
Das findet auch die SPD-Fraktion und hat das Thema jetzt in einem Antrag noch weiter gefasst. Die Suche nach Freiräumen für die Kulturschaffenden kann nicht auf gut Glück passieren. Die Stadt soll das Thema endlich systematischer angehen.
Noch gibt es in Leipzig eine lebendige Kreativ- und Kulturszene, die in wachsenden Teilen jedoch durch das Verschwinden von Freiräumen bedroht ist, denn inzwischen steigt nicht nur in innerstädtischen Lagen der Nutzungsdruck, mehr Wohnquartiere werden entwickelt und die Zahl der hierfür nutzbaren Flächen ist begrenzt. Gerade ältere Fabrikgebäude, die von Kreativen seit Jahren genutzt und damit auch zu kulturellen Attraktoren wurden, verwandeln sich unterm Druck des Marktes immer öfter entweder in teure Gewerbeflächen oder gleich in Loffts für ein besser betuchtes Publikum.
Die Leipziger SPD-Fraktion will jetzt mit ihrem Antrag die Stadtentwicklung und die Entwicklung der Kreativ- und Kulturszene in Einklang bringen.
„Es steht außer Frage, dass wir neuen und zusätzlichen Wohnraum benötigen, um bezahlbares Wohnen in Leipzig zu erhalten. Wir erleben, verbunden damit, auch eine schleichende Verdrängung“, stellt SPD-Fraktionschef Christopher Zenker fest. „Aktuell betrifft das mehrere Musikclubs, in deren näherem Umfeld neue Wohnquartiere entstehen, wodurch deren Weiterbetrieb am Standort mindestens fraglich oder das Aus sogar unausweichlich ist, weil sich Investoren kompromisslos zeigen.
Wir fordern daher zunächst ein Klubkataster, also ein Bestandsaufnahme, um auf dieser Grundlage Instrumente und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, wie im Rahmen einer integrierten Stadtentwicklung auch Entwicklungspotenziale für die Kultur- und Kreativszene gestaltet werden können.“
Wer nicht mitbieten und sich Flächen und Immobilien sichern kann, weil er nicht über die nötigen Millionen verfügt, steht schnell im Regen.
Was dann in Leipzig die schizophrene Ausprägung ergibt, dass ausgerechnet jene Menschen, die der Stadt ihr lebendiges Außenbild geben, vom geldbefeuerten Wachstum regelrecht entmietet und verdrängt werden.
Dabei ist die Kultur- und Kreativszene längst ein relevanter Wirtschaftsfaktor für Leipzig, dessen Bedeutung zunimmt, betont die SPD-Fraktion. Das gelte auch für die Musikszene. Studien zeigten zudem, dass das Vorhandensein einer vielfältigen Clubszene für das Anwerben von jungen Fachkräften ein Standortvorteil ist.
Auch die Befragung Leipziger Unternehmer hat das immer wieder bestätigt – sie kommen nicht nur nach Leipzig, weil die Infrastrukturen so toll sind, sondern weil hier auch junge frische Kulturangebote für ein junges Publikum jederzeit zu finden sind.
In anderen Großstädten, wie beispielsweise Berlin, Köln oder Hamburg, gibt es bereits entsprechende Aktivitäten zur Sicherung von kulturellen Freiräumen und der Clubkultur, als Beispiel wäre hier der Lärmschutzfonds Berlin zu nennen, so die SPD-Fraktion. Dies könne durchaus auch eine Orientierung für Leipzig bieten.
„Wir sehen die Aufgabe einer integrierten Stadtentwicklung darin, verschiedene parallel laufende Entwicklungsstränge miteinander zu kombinieren und damit verschiedenen Bedürfnissen den entsprechenden Raum zu geben“, sagt Zenker.
„Das heißt in diesem Fall, dass neben der Beachtung des Bevölkerungswachstums und der sich daraus ergebenden Herausforderungen sowie der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in der Stadt, auch die Erhaltung und weitere Entfaltung von kreativen Räumen berücksichtigt werden sollen.“
Was übrigens die Freibeuter ganz ähnlich sehen. Sie haben zur Vorlage des Kulturdezernats zur Lindenthaler Straße einen Ergänzungsantrag geschrieben, der über die Nutzung des einstigen Autohauses hinausgehen soll: „Der Oberbürgermeister legt dem Stadtrat bis 2022 ein Konzept vor, welches beschreibt, ob und wenn ja, in welcher Form das Angebot für Kultur- und Kreativschaffende nach dem Auslaufen des Mietvertrages für das Objekt im Jahr 2020 fortgeführt wird.“
Der SPD-Antrag geht dann noch ein Stück weiter und erwartet von der Verwaltung im Grunde eine richtige Raumstrategie für die Kreativszene. Der Hauptbeschlusspunkt lautet: „Die Verwaltung wird beauftragt, die Voraussetzungen, um die Sicherung und Integration von Kreativräumen und kulturellen Raumbedarfen im Rahmen einer integrierten Stadtentwicklung zu schaffen und voranzutreiben. Dabei soll zunächst beispielhaft die Musikclubszene behandelt werden und darauf aufbauend auch die weiteren Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft.“
Was jetzt passieren muss. Jetzt gibt es noch vereinzelte Freiräume – auch in Händen der Stadt – die strategisch gesichert werden könnten. Aber im Grunde zielt der Antrag auch auf die Bündelung von Kompetenzen und Austausch in einem eigenen Beirat und in einem richtigen Freiraumkataster.
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