Seit November läuft ein Antrag durchs Verfahren im Stadtrat, den gleich drei Fraktionen zusammen eingereicht haben: CDU, SPD und Grüne. Und den man – vom Sinn her – sofort unterschreiben könnte: „Gegen jeden Antisemitismus“. Aber drei Stadträt/-innen meinen: Da fehlt noch was. Und sie haben ebenfalls recht.

Der Hintergrund ist bekannt: Eine zumindest medial gemeldete zunehmende Zahl antisemitischer Vorfälle deutschlandweit. Viele dieser Vorfälle passieren direkt im Gefolge der zunehmenden Präsenz rechtsradikaler Parteien und Strömungen. Die Vorgänge in Chemnitz fielen ja besonders auf. Andere spiegeln den israelisch-arabischen Dauerstreit, der sich auch in diversen Demonstrationen zeigt. Aber das Ur-Problem sind unsere hausgemachten deutschen Antisemiten.

Und das zeigt eigentlich die Fehlstelle im Antrag.

Dessen Essenz lautet so: „Leipzig verurteilt jede Form des Antisemitismus auf das Schärfste. Dieses Bekenntnis schließt ausdrücklich den sekundären und israelbezogenen Antisemitismus mit ein. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Leipzig bekennt sich zum Existenzrecht Israels. Leipzig bekennt sich zu seiner historischen Verantwortung aus dem Holocaust und einer demokratischen Erinnerungskultur. Das beinhaltet auch die finanzielle Absicherung der vielfältigen Gedenk- und Erinnerungsarbeit und das Gedenken an die Opfer. Die Aufklärung über den klassischen und israelbezogenen Antisemitismus, die Geschichte und Folgen des Nationalsozialismus und des Holocaust bildet für uns einen wesentlichen Kern der historisch-politischen Bildungsarbeit.

Leipzig wird das jüdische Leben in unserer Stadt weiterhin in starkem Maße fördern. Die wieder wachsende Vielfalt der jüdischen Kultur sowie die stabile Entwicklung der jüdischen Glaubensgemeinschaft sind Leipzig ein großes Anliegen.

Zur weiteren Verbesserung der Prävention wird die Stadtverwaltung aufgefordert, bis Ende 2019 ein Konzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus-Prävention in Leipzig vorzulegen. Die Erarbeitung des Konzepts genauso wie dessen effektive praktische Umsetzung soll in Zusammenarbeit mit dem Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus e.V. – Zentrum Jüdischer Kultur, erfolgen, welchem dafür 30.000 Euro zur Umsetzung des Konzepts zusätzlich zur Verfügung gestellt werden sollen.

Die erhöhte Förderung ist zur Umsetzung des Konzepts für die Folgejahre zu verstetigen. Neben dem Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus e.V. – Zentrum Jüdischer Kultur, sind weitere zivilgesellschaftliche Akteure im Bereich Antisemitismus-Prävention einzubeziehen.“

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Man merkt schon, dass auch hier verschiedene Dinge ineinanderfließen: einerseits das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels, zum anderen aber auch das Bewusstsein, wie viel Schuld Deutschland auf sich geladen hat mit dem Holocaust. Eine Schuld, die man nicht wirklich loswird. Man kann nur lernen, damit umzugehen und zu verhindern, dass die Leute, die gnadenlos bereit sind Minderheiten auszulöschen, nie wieder an die Macht kommen.

Aber zur bundesdeutschen Politik gehörte nun leider auch, dass man mit der Anerkennung Israels versuchte, sich der eigenen Schuld ein Stück weit zu entlasten. Es war ein Versuch der Wiedergutmachung.

Doch in dieser Einseitigkeit blendet die Anerkennung den arabisch-israelischen Konflikt bis heute aus. Ein Konflikt, der allein schon dadurch immer neue Nahrung bekommt, dass die Palästinenser bis heute keinen eigenen Staat gründen dürfen. Jede Verhandlung dazu ist immer wieder gescheitert – und damit auch immer wieder vor den Augen der Weltöffentlichkeit die Chance vertan worden zur Versöhnung.

Es geht – auch bei den Palästinensern – um das so gern beschworene Selbstbestimmungsrecht der Völker. Israel gestehen wir es zu. Aber Palästina?

Das geht nicht, finden Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten), René Hobusch (FDP) und Sven Morlok (FDP) und beantragen die ergänzende Formulierung: „Leipzig bekennt sich zum Existenzrecht Israels und zum Recht des palästinensischen Volkes auf einen unabhängigen Staat Palästina.“

Denn beides schließt sich nicht aus: Ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels ist genauso wichtig wie das zu einem selbstständigen Palästina.

Begründen wollen das die drei Vertreter der Freibeuter-Fraktion dann in der Stadtratssitzung mündlich.

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