Im September wurden die Ratsfraktionen von CDU und Linke schon unruhig und fragten praktisch parallel an, wo denn die Vorlage zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung für Leipzig bleibe. „Die Ratsversammlung beschloss am 18.04.2018: ‚Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis 30.06.2018 eine Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung vorzulegen‘. Diese Aufhebungssatzung liegt bis heute nicht vor“, stellte die CDU-Fraktion fest.

Und die Linksfraktion: „In der Ratsversammlung am 18. April 2018 wurde die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung beschlossen (VI-A-5378). Lt. Beschluss sollte bis zum 30.6.2018 eine Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung vorgelegt werden. Dies geschah nicht. In der Information zur Beschlussumsetzung vom 26.06.18 wird eine solche Vorlage für nach der Sommerpause angekündigt.“

Aber in Leipzigs Verwaltung dauert vieles viel länger, als es sich sowohl Stadtrat wie Verwaltung so vorstellen. Man merkt ziemlich deutlich, dass die Personalknappheit sich in vielen Ressorts bemerkbar macht. Dazu kommen dann noch die nicht gerade kurzen „verwaltungsinternen Abläufe“ und in diesem Fall auch noch die rechtliche Absicherung.

Der Stadtrat hatte zwar recht einmütig die Aufhebung der Straßenausbaubeiträge beschlossen. Aber die erhob Leipzig ja nicht aus Jux und Tollerei – die Gelder wurden im Stadthaushalt gebraucht. Und auch der aufsichtsführende Freistaat schaut sehr misstrauisch hin, wenn Gemeinden in Sachsen solche Einnahmequellen einfach aufgeben. Selbst dann, wenn es die Bürger entlastet, die mit solchen Beiträgen oft über das Leistbare hinaus belastet sind.

Im Verwaltungsstandpunkt vom April wurden die wesentlichsten Bedenken noch einmal gebündelt. Darin hieß es: „Im Zusammenhang mit der beantragten Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung wurde die Landesdirektion Sachsen um ihren Standpunkt gebeten. Dieser liegt nun vor. Danach steht ein Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Auch nach einem Verzicht auf die Einnahmen aus Straßenausbaubeiträgen hat die Stadt Leipzig sicherzustellen, dass hierdurch die Finanzierung der Erledigung von Aufgaben des Straßenbaus nicht gefährdet wird.

Nach Einschätzung der Landesdirektion Sachsen verfügt die Stadt Leipzig voraussichtlich bis zum Jahr 2021 über eine ausreichende dauernde finanzielle Leistungsfähigkeit, um die erforderlichen Mittel für den Straßenbau entweder aus der vorhandenen Liquidität oder wenigstens aus Kreditaufnahmen aufzubringen.

Angesichts der momentan von der Stadt Leipzig zu bewältigenden großen Investitionsaufgaben vor allem im Schul- und Kitabereich regt die Landesdirektion Sachsen jedoch vor einer diesbezüglichen Entscheidung eine genaue Prüfung darüber an, ob die mit der Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung einhergehenden Mindereinnahmen auch tatsächlich keinen Einfluss auf die finanzielle Leistungsfähigkeit haben. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen Auswirkungen auf die Förderfähigkeit von Straßenausbaumaßnahmen hat.“

Und Straßen nutzen sich ja weiter ab. Das Planungsdezernat jedenfalls rechnet mit weiter steigender Verkehrsbelastung: „Aufgrund der Zunahme des allgemeinen Verkehrsaufkommens in der wachsenden Stadt Leipzig und der damit verbundenen erhöhten Nutzung der öffentlichen Verkehrsanlagen durch die Allgemeinheit wäre es sinnvoll zu prüfen, in welchem Maß eine Absenkung der gegenwärtig in der Straßenausbaubeitragssatzung festgesetzten Anteile der Beitragspflichtigen unter Beachtung der finanziellen Leistungsfähigkeit und Erfüllbarkeit der Pflichtaufgaben der Stadt Leipzig vertretbar und geboten ist. Eine Satzungsänderung mit ihren Auswirkungen sollte daher wohlüberlegt und rechtlich abgesichert sein, die Auswirkungen in der Zukunft sollten ebenso bedacht werden.“

Die rechtlichen Bedenken umfassten dann gleich eine ganze Latte.

Trotzdem entschied der Stadtrat: Diese Beiträge werden in Leipzig abgeschafft.

Freilich kündigte das Rathaus erst am 17. Dezember an, dass die erforderliche Aufhebungssatzung erst im Januar vorliegen werde.

„Die vom Stadtrat beschlossene Abschaffung der Straßenausbaubeiträge erfordert formal eine Aufhebungssatzung“, teilte das Rathaus mit. „Diese wird Anfang Januar 2019 dem Stadtrat zugeleitet. Der entsprechende Entwurf der Vorlage einer Aufhebungssatzung wurde in den vergangenen Monaten vom Dezernat für Stadtentwicklung und Bau erarbeitet, aufgrund der schwierigen rechtlichen Materie ist anschließend der Entwurf vorab an die Landesdirektion zur Prüfung und Stellungnahme geleitet worden. Über diesen Schritt war der Stadtrat informiert worden. Eine Prüfung erst nach ergangenem Satzungsbeschluss hätte rechtliche Risiken beinhaltet.“

Die erforderliche Stellungnahme der Landesdirektion liegt seit Oktober vor. Direkt im Anschluss erfolgte die verwaltungsinterne Abstimmung der Vorlage, teilte das Rathaus mit. „Auf der jüngsten Sitzung des Stadtrats-Ausschusses Stadtentwicklung und Bau, in dem auch die CDU vertreten ist und der von CDU-Stadträtin Dr. Sabine Heymann geleitet wird, wurden sowohl Thema als auch Verfahren besprochen. Von einer möglichen Klage einer Fraktion war nicht die Rede. Von daher ist die Stadt mehr als irritiert über die jetzt seitens der CDU-Fraktion gegen den Oberbürgermeister eingereichte Klage.“

Wer die CDU-Pressemitteilung liest, sieht eigentlich eher eine Fraktion, die auf Klamauk aus ist. Der Kern des Ganzen: „Die CDU-Fraktion hat deshalb beantragt, den Oberbürgermeister zu verurteilen, umgehend, spätestens jedoch bis zum 31.03.2019, eine Satzung zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Leipzig vorzulegen.“

Was sichtlich nichts mit den rechtlichen Abstimmungen um diese Vorlage zu tun hat. Und es war auch nicht Sabine Heymann, die sich zu Wort meldete, sondern ihre Fraktionskollegen Frank Tornau und Andrea Niermann. Eigentlich sieht die Klage schon wie ein vorgezogener OBM-Wahlkampf für 2020 aus.

Nur die Linksfraktion sprang darauf an.

Die Linksfraktion prüfe, ob sie sich einer Klage gegen den Oberbürgermeister zwecks endgültiger Abschaffung der Straßenausbausatzung anschließt, teilte die Fraktion am 17. Dezember mit.

Die Linke habe die Straßenausbaubeitragssatzung stets als eine den sozialen Frieden störende Geldeinzugsmaschinerie verurteilt, betonte ihr Sprecher für Ordnung und Sicherheit, Reiner Engelmann: „Trotz Beschluss zur Abschaffung bereits im April 2018 findet das Drama um diese Satzung leider nach wie vor kein Ende. Nachfragen der Linken vom September, wann denn nun endlich die Aufhebung der Satzung vollzogen wird, konnten nicht zufriedenstellend beantwortet werden, weil der Oberbürgermeister auf Zeit setzt und die Verunsicherung der Leipzigerinnen und Leipziger weiter vorantreibt. Auch Aussagen von ihm, dass mit dem Beschluss keine weiteren Erhebungen erfolgen werden, verlieren an Glaubwürdigkeit.“

„Offensichtlich hofft Herr Jung noch immer, dass die Aufhebung der Satzung nicht erfolgen muss, weil eine übergeordnete Behörde diese kassiert. In diesem Fall geht es der CDU wie der Linken, wir fühlen uns an der Nase herumgeführt“, meinte Engelmann. „Damit nicht genug: Die lapidare Reaktion der Stadtverwaltung auf die Klageankündigung der CDU ist absolut nicht zielführend. Die Aussicht auf Beschluss einer Aufhebungssatzung im Januar ist völlig illusorisch, da die Beratungsabläufe dies gar nicht zulassen. Der Oberbürgermeister weiß das. Und gerade eine solche Satzung bedarf einer gründlichen Prüfung, damit nicht durch die Hintertür eine Beitragserhebung wieder kommen kann.“

Am Mittwoch, 19. Dezember, wollte die Linksfraktion wieder tagen und prüfen, ob sie sich der Klage der CDU anschließen wird. Aber die Vorweihnachtswoche verging ohne eine Meldung der Linksfraktion, ob sie nun beitritt. Da hat man wohl keinen triftigen Grund gesehen, einer Klage beizutreten, die nicht mal im Ansatz helfen wird, die von Engelmann beklagten Verwaltungsprozesse zu verkürzen. Denn eine Vorlage zu beschließen, die am Ende nicht rechtssicher ist, kann niemandem helfen, auch nicht den ungeduldigen Ratsfraktionen, die schon die Kommunalwahl 2019 vor Augen haben.

So sieht es auch FDP-Stadtrat und Jurist René Hobusch, der begrüßt, dass der Satzungsentwurf zur Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung endlich Beratungsreife hat: „Ich freue mich über die klare und zügige Information. Bei Gesetzen und auch Satzungen als gesetzesartige Regeln im Kommunalrecht gilt: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Insofern bin ich dankbar, dass man den Entwurf vorab mit der Rechtsaufsicht des CDU-geführten Freistaates Sachsen abgestimmt hat und den Stadtrat nun informiert.“

Hobusch appellierte zudem an alle Stadträte, die wichtige Arbeit im Rat nicht auf dem Wahlkampfaltar zu opfern: „Bei allem Verständnis, dass der eine oder andere ein bisschen Show für die eigene Wahlkampagne gut gebrauchen kann: Die Zukunft unserer Stadt ist zu wichtig, als dass wir jetzt in den Wahlkampfmodus verfallen können. Ratsentscheidungen haben Wirkungen nicht selten über viele Jahre. Aufgebautes Vertrauen – auch untereinander – ist Grundlage der Arbeit. So was wirft man nicht einfach in den Orkus. Zumindest dann nicht, wenn einem die Stadt wirklich wichtig ist.“

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