Es gibt ja so eine Legende, die derzeit gerade von Populisten durch die Lande getragen wird: Die anderen Parteien seien alle irgendwie Elite und würden eh alle dasselbe machen. Was man ja durchaus mal sagen kann, wenn man sich nicht wirklich dafür interessiert, was die einzelnen Parteien so tun und auch schaffen, politisch durchzusetzen. Leipzigs Grüne haben sich jetzt hingesetzt und ihre erfolgreichen Initiativen auf eine Leipzig-Karte gepackt.
Man findet sie gleich beim Besuch der Homepage der Leipziger Grünen-Fraktion – und darf auch ein bisschen überfordert sein. Denn so wird erst richtig anschaulich, was so eine Stadtratsfraktion in einer Wahlperiode alles anpackt. Irgendjemand muss das ja alles machen – Anfragen stellen, Anträge formulieren, in Ausschüssen begründen und verteidigen, die Verwaltung überzeugen, Finanzierungsquellen finden und auch noch andere Mitmacher in anderen Fraktionen.
Denn keine Fraktion im Leipziger Stadtrat ist ja so groß, dass sie allein bestimmen kann. Immerfort muss man Mehrheiten finden – also echte Partner in den anderen Fraktionen, die das Gleiche wollen. Oder man muss sie mit guten Argumenten, Fakten und Finanzierungen überzeugen.
Bei anderen Fraktionen würde ein anders Bild herauskommen. Das trifft auch zu. Das grüne Kartenbild ist – logischerweise – sehr grün. Es zeigt, wo die Fraktion seit der Stadtratswahl vor vier Jahren ihre Schwerpunkte gesetzt hat – und wo jede einzelne Stadträtin und jeder Stadtrat drangeblieben ist. Bis zum Erfolg, der manchmal nur ein kleiner ist. Aber selbst über kleine Erfolge freuen sich irgendwo in der Stadt ein paar Menschen.
Wenn man mal bei Connewitz bleibt: Die Umweltbibliothek des Ökolöwen freute sich über eine Sicherung der finanziellen Förderung, die Grundschule Connewitz über einen trockenen Keller und die Jugendlichen am Hildebrandplatz über eine Tischtennisplatte.
Wenn man das nur formuliert, merkt man, dass sich wirklich einige Leipziger sehr konkret freuen konnten und wohl auch von Herzen, wenn der jeweilige Antrag im Stadtrat eine Mehrheit fand und auch umgesetzt wurde.
„Es liegen fast fünf Jahre engagierter, ehrenamtlicher Arbeit hinter unserer bündnisgrünen Stadtratsfraktion. Aus unserer Sicht ist damit jetzt die Zeit für eine Zusammenfassung unserer vielfältigen Initiativen und Erfolge gekommen“, versuchen die beiden Fraktionsvorsitzenden Katharina Krefft und Norman Volger den Zweck der bunten Fleißarbeit auf der Leipziger Google-Karte zu erklären.
„Mit unserem Resümee-Stadtplan wollen wir Ihnen, geordnet nach einzelnen Themenbereichen aufzeigen, welche Initiativen und Erfolge uns die Wichtigsten waren und wo wir als bündnisgrüne Stadtratsfraktion weiteren Handlungsbedarf sehen. Mit einem Klick werden die Ergebnisse konkret nachlesbar und mit weitergehenden Informationen verknüpft.“
Das dürfte die Bürger der Stadt ja durchaus interessieren, denn wenn er Stadtrat endlich entschieden hat, weiß oft niemand, wie viel Arbeit in jedem einzelnen Vorhaben steckte und wer eigentlich wofür steht in der Politik, die eindeutig bunter ist, als es die Abendnachrichten meist zeigen.
„Unsere Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Leipzig in vielen Bereichen, mit vielen konkreten Projekten und Veränderungen seit der Friedlichen Revolution 1989 mit geprägt. Immer wieder konnten wir mit innovativen Ideen, durchdachten Projektvorschlägen und einem konsequenten Blick auf die Zukunftsgestaltung, unsere Stadt lebens- und liebenswerter machen“, erklären Krefft und Volger die Intentionen der Grünen im Stadtrat.
„Dabei ist es uns immer wichtig, im Auge zu behalten, dass unser Handeln heute das Leben der nächsten Generationen wesentlich beeinflusst und wir gemeinsam dafür Verantwortung tragen!“
Und sie haben auch noch einen anderen Grund, die Karte jetzt ins Netz zu stellen. Denn auch bei ihnen gärt der Ärger über eine Verwaltung, die zunehmend hinterherhinkt. Aber nicht unbedingt, weil die Verwaltungsmitarbeiter nicht wollen, sondern weil Entscheidungen gerade in den Führungsetagen ausgebremst werden.
„Wir erleben aber auch zunehmend, dass unsere Ideen und nachfolgende Stadtratsbeschlüsse erst mit erheblicher Verzögerung vom Oberbürgermeister und seiner Verwaltung umgesetzt werden“, stellen Krefft und Volger fest. „Mit intensiver, kreativer und beharrlicher Arbeit am Thema sind wir bündnisgrünen Stadträtinnen und Stadträte deshalb stets am Ball, Erfolge nicht dann ruhen zu lassen, wenn diese durch Beschlüsse im Stadtrat gefeiert werden konnten, sondern begleiten permanent auch die Prozesse der Umsetzung bis zur Realisierung.“
Und dann stellen sie noch ein paar suggestive Fragen:
„Freuen Sie sich über die Vielzahl neu gepflanzter Straßenbäume und wünschen sich auch wieder mehr Bienen in der Stadt und unbebaute Grünflächen, die Insekten als Lebensraum dienen?
– Sind Sie auch oft mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs und freuen sich über die zunehmende Sicherheit durch neue und sanierte Radwege?
– Nutzen Sie auch die Sitzbänke in der Stadt zum Verweilen, beispielsweise neben der Thomaswiese und genießen bei Glühwein den Anblick des frisch sanierten Alten Rathauses mit seiner wunderschönen Rathausuhr?
– Begrüßen Sie es auch, dass es mittlerweile an zahlreichen Schulen Sozialarbeiter gibt und auch der Kita- und Schulbau endlich vorangeht?
– Finden Sie es auch richtig, dass dem Einwegbecher-Wahn und der Braunkohleverstromung endlich Einhalt geboten und Fairer Handel, Biolandwirtschaft und Pestizidverzicht auf der Agenda sind?
– Waren Sie schon im frisch sanierten geschichtsträchtigen Anker und freuen Sie sich auf das neue Naturkundemuseum oder das Asisi-Panorama auf der Alten Messe?
– Zu Recht! Doch wer hat’s gemacht?“
Na ja, gemacht haben es am Ende fleißige Mitarbeiter der Stadt oder emsige Baufirmen. Wenn sie es gemacht haben und die Anliegen, die oft auch andere Fraktionen teilen, nicht um wertvolle Jahre verzögert wurden – die „neuen und sanierten Radwege“ zum Beispiel, von denen die meisten noch im einem Radverkehrsplan stecken, der um etliche Jahre überfällig ist. Dasselbe gilt für die „neu gepflanzten Straßenbäume“ und das Straßenbaumkonzept. Oder für den Nahverkehrsplan.
Da freut man sich dann trotzdem, dass wenigstens viele scheinbar kleine Dinge tatsächlich umgesetzt wurden. Das Energiesparprojekt „Halbe-Halbe“ in den Schulen zum Beispiel, das tatsächlich dazu führt, das pfiffige Schüler tausende Euro an Stromkosten einsparen, oder das Bewohnerparken im Waldstraßenviertel, das nun endlich im August beschlossen wurde. Umgesetzt ist es noch nicht.
Vielleicht sollte man am Neuen Rathaus noch einen grünen Pfeil mit einem Kohlblatt drauf anbringen: Futter für die Schnecke auf der Rathaustürklinke. Damit’s vielleicht ein bisschen schneller vorangeht.
Aber die Karte hat auch Vorbildcharakter. So kann man den Bürgern zeigen, was einem wichtig ist als Fraktion und wofür man nach Feierabend gearbeitet hat.
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Steht da auch die Linie 9 drauf? Und die (dank anderer Fraktionen bzw. Stadträte vorerst nicht) steigenden Fahrpreise der LVB?