Am Freitag, 2. November, hatte die Freibeuter-Fraktion eingeladen, um über ihre Änderungsanträge für den Doppelhaushalt 2019/2020 der Stadt Leipzig zu informieren. Sie hatten sich spürbar zurückgehalten, keine 50 Anträge formuliert, wie die Linksfraktion solche ankündigt, auch keine 74 wie die Grünen. Weniger als 10, betonten sie. Und dann kam ausgerechnet Ute Elisabeth Gabelmann nicht.
Dabei ist sie Fraktionsvorsitzende der Freibeuter und ihre Fraktionskollegen Naomi Pia Witte, Sven Morlok und René Hobusch warteten sichtlich ungeduldig auf sie. Die vier Stadträte von FDP und Piraten haben sich eigentlich zu einer sehr regen und lebendigen Fraktion gemausert, die auch eigene Akzente setzt – aber auch tief die Überzeugung verinnerlicht hat, dass Politik kein Geschenkeladen ist. Und dass auch in Leipzig keine großen Sprünge drin sind.
Regelrecht erschrocken über die am Vortag von der Grünen-Fraktion vorgelegten Anträge im Finanzierungsumfang von 28 Millionen Euro im Jahr 2019 und 34 Millionen Euro 2020 zeigte sich FDP-Stadtrat Sven Morlok. Immerhin war er ja auch schon Minister und weiß, wie eine sächsische Landesregierung auf die Finanzbedürfnisse ihrer Kommunen schaut.
Einen Haushalt, der neue Ausgaben mit sich bringt, die die Einnahmen übersteigen, werde die Landesdirektion auf keinen Fall genehmigen, ist sich Morlok sicher. Und das wäre für Leipzig fatal, wenn der ehrgeizige Doppelhaushalt zwar im Januar oder Februar vom Stadtrat beschlossen wird, die Landesdirektion dann aber im Mai oder Juni sagt: „Nitschewo. So ist der Haushalt nicht genehmigungsfähig.“
„Dann gibt es nämlich erst mal gar kein Geld“, so Morlok. Und statt mehr Projekte zu finanzieren, könne Leipzig nicht mal die notwendigen beginnen.
Die Grünen gingen davon aus, dass im Haushalt 2019 mindestens 20 Millionen Euro an zusätzlichem Spielraum durch höhere Steuereinnahmen sind, die der Finanzbürgermeister so noch nicht eingepreist hat. Diese wahrscheinlichen Mehreinnahmen hatten sie als Deckungsquelle für ihre Anträge angegeben.
„Ich schätze mal, es werden maximal 10 Millionen Euro Spielraum sein“, sagt hingegen Sven Morlok.
Geld für die Planungen im ÖPNV
Und deshalb seien auch die Anträge der Freibeuter deutlich zurückhaltender. Wobei sie ja einen Änderungsantrag gemeinsam mit den Grünen und der SPD-Fraktion gestellt haben. Nämlich den zu zusätzlichen Planungs- und Investmitteln für den ÖPNV: 1 Million Euro zusätzlich 2019, 2 Millionen dann 2020.
Der Grund liegt in einem Stadtratsbeschluss im Oktober, dem Tag, an dem der Stadtrat mit den Stimmen von Linken und CDU nicht nur ein zweijähriges Tarifmoratorium für die Fahrpreise der LVB beschlossen hat, sondern auch noch (ebenfalls mit den Stimmen von CDU und Linken) eine andere Verwendung der 5 Millionen Euro, die OBM Burkhard Jung eigentlich für die ÖPNV-Finanzierung nutzen wollte.
Die 5 Millionen Euro stammen aus der Ablösung des Gesellschafterdarlehens der LVV. Das Darlehen muss so oder so abgelöst werden. Und da der Stadtrat im September das Nachhaltigkeitsszenario für den ÖPNV beschlossen hat, bei dem rund 1 Milliarde Euro bis 2030 investiert werden sollen, sah es Burkhard Jung als ideal an, jedes Jahr die 5 Millionen von der LVV zu nehmen und damit die Finanzierungsgrundlagen für die ÖPNV-Planungen zu schaffen.
„Dieses Geld fehlte aber nun“, stellt Sven Morlok fest.
Der Stadtrat hat ein Nachhaltigkeitsszenario beschlossen. CDU und Linke aber haben dessen Finanzierungsgrundlage entfernt und das Geld lieber in Schul- und Kita-Bau umverteilt.
Was auch wieder nicht viel Sinn hat, denn Leipzig sitzt ja schon längst auf einem Berg nicht umgesetzter Investitionspläne von über 260 Millionen Euro.
„Unser Problem ist nicht das Geld, sondern die fehlende Planung“, so Morlok. Die fehlenden Baukapazitäten kommen noch hinzu.
Besseres Personal-Recruiting und sprudelnde Brunnen
Aber dass der Vorlauf bei der Planung fehlt, das sieht auch Piraten-Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann, Fraktionsvorsitzende der Freibeuterfraktion, als Problem. Sie kam zwar nicht persönlich vorbei, schickte aber eine E-Mail.
„Die meisten Anträge werden sich mit verschiedenen Aspekten der wachsenden Stadt befassen, seien es Verkehr, Infrastruktur, Wohnen oder Wirtschaftsförderung. Hierzu braucht es eine strukturell breit aufgestellte Verwaltung mit kompetenten Mitarbeitern. Um diese zu gewinnen und auch langfristig zu binden, sind zusätzliche Stellen im Personalamt notwendig“, formuliert sie darin.
Die Verwaltung hatte – aus ihrer Sicht – im Haushalt nur begrenzt neue Stellen für Personalgewinnung und Personalentwicklung vorgesehen. Diese ungenügende Planung korrigiere nun ein eigener Haushaltsantrag der Piratin. Aber auch das Vergnügen komme nicht zu kurz: ebenfalls sollen eigene Gelder für die Sanierung und Instandhaltung von Brunnenanlagen bereitgehalten werden.
Gabelmann, die trotz großen Wachstums Leipzig als lebens- und liebenswerte Stadt erhalten möchte, erklärt: „Leipzig rühmt sich selbst, ‚Klein-Venedig‘ und eine Wasserstadt zu sein. Leider wird – weil es nicht zu den unbedingt notwendigen Aufgaben gehört – seit Jahren die Sanierung und Aufwertung der Stadtbrunnen nicht angegangen. Dabei prägen sie das Stadtbild und verbessern die Aufenthaltsqualität auf Straßen, Plätzen und in Parks merklich. Das müssen wir bei aller Sparsamkeit beibehalten.“
Leipzig hat derzeit rund vierzig Brunnen im Bestand, etwa ein Drittel davon sind wegen starker Mängel außer Betrieb. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf den Brunnen der Innenstadt. Und auch die komplexe Brunnenanlage im Palmengarten wartet seit Jahren auf eine Wieder-Inbetriebnahme.
Wer aber findet das fehlende Personal?
Der Aspekt mit der Personalgewinnung spielt auch in einem Grünen-Antrag eine Rolle.
Die Grünen beantragen dafür: „Zur Bewältigung des künftig geplanten und notwendigen Stellenaufwuchses innerhalb der Stadtverwaltung werden dem Personalamt dauerhaft 4 VzÄ (2 in 2019 und 2 in 2020) Recruiter*innen und 1 VzÄ Berufspsycholog*in zusätzlich zur Verfügung gestellt.“
Denn die Gewinnung von Personal wird immer schwieriger. Man muss die Leute mittlerweile mit der Lupe suchen. Da kommt Leipzig um einen verstärkten Einsatz bei der Personalsuche gar nicht umhin. Das müsste, so die Grünen, 2010 mit 100.000 und im Folgejahr mit 320.000 Euro finanziert werden, damit die Leipziger Personalsuche deutlich professionalisiert wird.
Die Freibeuter gehen mit einem Antrag noch ein weiteres Problem an. Denn wenn kompetente Leute aus der Verwaltung in den Ruhestand gehen (und die großen Altersabgänge kommen jetzt erst), geht auch oft ihr Wissen verloren. Der Grund: Die Kommune darf eine Stelle nur einmal besetzen. Der Nachfolger für die Stelle kommt also erst, wenn sein Vorgänger schon weg ist. Es gibt also keine Zeit zu Übergabe, Einarbeitung und zur Weitergabe wichtigen Wissens.
So beantragen die Freibeuter deshalb einen „Stellenpool für Übergaben“, jährlich dotiert mit 300.000 Euro.
„Wenn man von einer Übergangszeit von zwei Monaten ausgeht“, so Morlok, „dann kann man damit fünf volle Stellen finanzieren – also am Ende 30 Übergaben, die von den Ämtern damit finanziert werden können.“
Dass die Personalfrage im Rathaus entscheidend ist, ob Leipzig sein Wachstum gemeistert bekommt, da sind sich wohl mittlerweile alle Fraktionen einig. Die Verwaltung hat selbst auch schon genügend neue Personalstellen gerade in den Planungsämtern in den Haushalt geschrieben, schätzt Morlok ein.
Jetzt geht es darum, die Leute auch zu finden, die diese Stellen besetzen und endlich dafür sorgen, dass Leipzig genug Planungsvorlauf bekommt – bei Schulen, Straßen, Brücken. Und auch beim ÖPNV. Denn 2021/2022 sollen die Projekte für das Mobilitätskonzept auf dem Tisch liegen, die bis 2030 gebaut werden sollen. Und nur wenn sie alle durchgeplant sind und einer Prüfung standhalten, kann Leipzig damit auch die nötigen Fördergelder beantragen.
Die Uhr tickt.
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