Es könnte am Ende doch noch mit Ach und Krach zum 1. Januar 2019 klappen. Zur Ratsversammlung am 19. September liegt mal wieder die Gästetaxe auf dem Tisch – diesmal zum Beschluss, und zwar in einer Neufassung des Finanzdezernats, in der einige der schwersten Bedenken aus der Diskussion um die Einführung der Gästetaxe berücksichtigt wurden.
Denn nicht alles konnte geklärt werden in so kurzer Zeit. Und schon gar nicht unter dem Druck, dass die Gästetaxe am 1. Januar 2019 eingeführt werden soll. Die wichtigste Änderung lautet nun: „Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind von der Gästetaxe befreit, ebenso Kranke, die Ihre Unterkunft nicht verlassen können, nachdem der Betroffene die Dauer der Verhinderung durch Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses nachgewiesen hat. Das Zeugnis ist dem Vorlegenden nach Einsichtnahme zurückzugeben.“
Womit man zumindest die unter 18-Jährigen von Zahlung der Taxe befreit (und damit auch die meisten Gäste der Hostels in Leipzig). Aber was ist mit den Wenigverdienern, die älter sind und trotzdem gern Städtereisen machen? Studierende zum Beispiel?
Aber die Klausel übernimmt zumindest schon mal ein wichtiges Anliegen, das Gästetaxen anderer Regionen schon ganz selbstverständlich berücksichtigen.
Aber wie das so ist, wenn Städte in Deutschland versuchen, ihren Haushalt ein wenig zu entlasten: Es steht immer schon jemand da, der die Hand aufhält, weil er meint, dass so eine Gästetaxe nun einmal eine unternehmerische Unternehmung ist. Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Aber das Finanzamt scheint es genau so zu sehen und meldet schon mal an, dass es die Mehrwertsteuer kassieren wird.
Im Text der Vorlage aus dem Finanzdezernat: „Die Stadt Leipzig hat am 13.02.2018 beim Finanzamt Leipzig II einen Antrag auf verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zur Einführung der Gästetaxe gestellt. In der abschließenden Erörterung vom 03.08.2018 stellt das Finanzamt Leipzig II nach Rücksprache mit dem Landesamt für Steuern und Finanzen fest: ‚Die Stadt Leipzig wird mit der Erhebung einer Gästetaxe unternehmerisch tätig. Die Gästetaxe unterliegt der Umsatzsteuer.‘“
Was ja eigentlich einigen Fraktionen im Stadtrat sauer aufstoßen müsste, den genau das hat man ja in den vergangenen Jahren der Stadt immer wieder vorgeworfen, dass sie viel zu viele Betriebe unterhielte. Die unternehmerische Tätigkeit sei aber abseits der Daseinsvorsorge nun wirklich nicht die Aufgabe einer Kommune.
Und nun das. Ist das nur eine sehr spezielle Interpretation der sächsischen Finanzbeamten?
Das Finanzdezernat dazu: „Die Stadt Leipzig vertritt hingegen weiterhin die Auffassung, dass die Erhebung der Gästetaxe nicht steuerbar ist. Es werden Einrichtungen, Anlagen und Veranstaltungen für die touristische Nutzung allgemein vorgehalten. Es wird keine Gästecard ausgegeben, die die Inanspruchnahme von konkreten Gegenleistungen ermöglicht. Es besteht kein eigenständiger Gästetaxebetrieb, dem konkrete Aufwendungen für den Tourismus zugeordnet werden können. Im Gegenteil, der gästetaxefähige Aufwand wird in einer Vielzahl von Beteiligungsunternehmen, Eigenbetrieben, Ämtern sowie durch Dritte erbracht.“
Wobei die Vorlage auch darauf aufmerksam macht, dass einige dieser Punkte noch dringend geprüft werden müssen.
Denn an die Einführung einer Gästecard denkt man trotzdem.
Dazu heißt es: „Die Verwaltung prüft bis zum 31.12.2018 erneut die Ausgabe einer Gästecard.“ Das heißt: Die Erhebung der Gästetaxe wird dann auch mit der Inanspruchnahme konkreter kultureller Angebote gekoppelt. Aber das muss halt erst einmal geprüft werden. Vor allem, weil es mit dem zweiten noch ungeklärten Punkt zusammenhängt. Denn die Erhebungen zur Gästetaxe durch das Finanzdezernat haben ja ergeben, dass im Touristischen Entwicklungsplan (TEP) der Stadt Leipzig die belastbaren Angaben dazu fehlen.
Das betont das Finanzdezernat jetzt auch wieder in dieser Vorlage: „Der Gesetzgeber stellt in der Begründung zur Änderung des § 34 SächsKAG klar, dass es sich um Einrichtungen und Angebote handeln muss, mit denen zielgerichtet und vordergründig touristische Bedarfe gedeckt werden. Einrichtungen, die der allgemeinen Daseinsvorsorge dienen, sind nicht berücksichtigungsfähig. Anhaltspunkte dafür, welche Messe- und Kongresstourismuseinrichtungen und -veranstaltungen, welche kulturtouristischen Anlagen, Einrichtungen und Veranstaltungen, aber auch welche sport- und erlebnistouristischen Anlagen, Einrichtungen und Veranstaltungen in der Stadt Leipzig vorhanden sind, ergeben sich aus dem Touristischen Entwicklungsplan (TEP) der Stadt Leipzig. Der TEP ist das zusammenfassende Tourismuskonzept der Stadt Leipzig!“
Aber: „Derzeit allerdings sind dort die zumindest auch dem Tourismus dienenden Angebote der Stadt zumeist nur beispielhaft angesprochen. Ausschließlich die Motivlage der Stadt, also ihr Wille, dass die jeweilige Einrichtung hauptsächlich touristischen Zwecken dient, ist für diese Überlegung jedoch nicht ausreichend. Für die Ermittlung des touristischen Nutzungsanteils bedarf es mindestens einer an den konkreten örtlichen und insoweit auch einrichtungsbezogenen Verhältnissen orientierten Schätzung, für die plausible Argumente in der Kalkulation benannt werden müssen. (…)
Es ist zwingend erforderlich, das touristische Leitbild klar zu definieren und zu kommunizieren. Im Touristischen Entwicklungsplan sind Maßnahmen zu implementieren, die zielgerichtet der Erhöhung der touristischen Strahlkraft der Stadt Leipzig dienen. Dazu wird gegenwärtig unter der Leitung des Koordinators für Tourismus im Amt für Wirtschaftsförderung ein Programm an Maßnahmen und Einzelprojekten aus dem TEP entwickelt, das im Herbst 2018 der Ratsversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt wird.“
Wobei da ja dann auch noch das neu zu gründende Forum „Gästetaxe“ eine Rolle spielt: „Dieses berät die Stadtverwaltung bei der Einführung der Gästetaxe, der Auswahl neuer gästetaxefähiger Projekte, der zweckgebundenen Verwendung des Gästetaxeaufkommens sowie der Überprüfung der Höhe der Gästetaxe. Das Forum berichtet der Ratsversammlung regelmäßig zum 30.06. des Folgejahres.“
Und so ganz ohne Grund benennt das Finanzamt auch nicht den unternehmerischen Geist der Gästetaxe. Denn um sie zu kassieren und zu verteilen, soll eine neue Betriebsstätte eingerichtet werden: „Mit der Erhebung der Gästetaxe wird ab 01.01.2019 ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) ‚Gästetaxe‘ begründet. Dieser ist bilanzierungspflichtig.“
5,77 Euro pro Nase hatte das Finanzamt als anrechnungsfähigen Posten für die Gästetaxe errechnet (auch schon mit den lückenhaften Angaben aus dem TEP). Ohne die institutionell geförderten Einrichtungen Zoo Leipzig GmbH, Leipziger Messe GmbH, der LTM und der Leipziger Dok-Filmwochen GmbH sind es sogar nur 4,61 Euro. Ansetzen möchte man aber lieber nur 3 Euro. „Mit dem Sicherheitsabschlag in Höhe von 2,77 Euro wird den noch vorhandenen Prognoserisiken in der Kalkulation Rechnung getragen“, betont das Finanzdezernat.
Wenn dann noch die Umsatzsteuer von 19 Prozent abgeht, was auf 3 Euro immerhin 48 Cent für den Fiskus bedeutet, nimmt die Stadt noch eine Gästetaxe netto von 2,52 Euro ein. Wobei der Aufwand für die neue Betriebsstätte „Gästetaxe“ noch nicht eingerechnet ist. Die schlägt mit 350.000 Euro pro Jahr zu Buche. Bei rund 3 Millionen Übernachtungen rechnet das Finanzdezernat dann in den Jahren 2019 und 2020 mit Einnahmen von 7,29 Millionen Euro über die Gästetaxe.
Vorlage zur Leipziger Gästetaxe in der nächsten Ratsversammlung abgesetzt
Vorlage zur Leipziger Gästetaxe in der nächsten Ratsversammlung abgesetzt
Es gibt 7 Kommentare
@Christian: ich zahle auch Kurtaxe – und warum auch nicht! Die 3 Euro habe ich allemal. Hätte ich als Student nicht gehabt, deshalb ist es sinnvoll, hier Leute ohne Einkommen auszunehmen. Noch sinnvoller wäre, Luxusübernachtungen prozentual zu taxieren. 3% von 1000 Euro sind 30 Euro. Die tun dem Gast nicht weh, helfen aber der Gemeinschaft.
Zum Abkassieren: die Stadt verhält sich ökonomisch richtig, wenn sie neue Einnahmequellen sucht, weil die bestehenden die Pflichtaufgaben nicht decken. Es ist genau ander herum: Nichtstun ändert das Problem nicht.
Letztens: Touristen bringen Einnahmen. Auch der Stadt, sowieso schon. Sich um sie zu bemühen ist auch eine Aufgabe der Kommune – es soll sogar Orte auf der Welt geben, die von Tourismus gut leben können. Dass Touristen sich an der Finanzierung der Aufgaben einer Stadt (z.B. ÖPNV) beteiligen, halte ich für selbstverständlich. Daher könnte eine Abgabe auch gern zu 100% den betreffenden städtischen Aufgaben zufließen
@Wiesner: Was nützen mir “Rekordeinnahmen”, wenn ich meine grundgesetzlich festgelegten Aufgaben doch nicht finanzieren kann? Auch leiden weder Einzelpersonen noch Unternehmen unter einer “Rekordabgaben und -steuerlast”. Ganz im Gegenteil. Auf mein für Leipzig überdurchschnittliches Einkommen habe ich im vergangenen Jahr noch nicht einmal 20 Prozent Einkommernssteuer gezahlt. Unternehmen leiden eher unter den Sozialabgaben.
Auch sind “einige Milliönchen” für Leipzig eher viel Geld. Die Gemeinschaft kann diese sinnvoller ausgeben, als dies Privatleute (z.B. Einkommensmillionäre) tun. Sehen Sie die fehlenden Investitionen nicht jeden Tag vor Ihrer Haustür? Wo, glauben Sie, sollte die Stadt sparen? Nein, sie muss mehr Geld ausgeben, damit es uns Allen besser geht! Vergleichen Sie doch mal historisch mit der Situation vor ca. 120 Jahren. Was die wachsende, explodierende Stadt da alles hinbekommen hat. Schulen, Brücken, öffentliche Gebäude, you name it. Im Vergleich dazu, in einer viel profitabler, effizienter produzierenden Gesellschaft geht doch heute fast Nichts.
Dass die Stadt hier nicht einfach eine Steuer erheben kann, ist Mist. Eine zweckgebundene Abgabe bedingt eine Konstruktion, die unsauber sein muss. Hier wäre der Gesetzgeber gefragt. Und dass die Stadt Umsatzsteuer abführen soll, ist die Interpretation des FA. Da sollte Herr Bonew mal bei seinen Parteifreunden in DD vorsprechen.
Nachtrag:
Die Kosten jährlich sind 450.000 (350.000 Sachkosten / 100.000 Personal)!
(gemäß Vorkalkulation Gästetaxe, Ratsinformationssystem)
Das Verrückte ist, und das meinte mein Absatz 2, dass sogar Mutter Staat bei dieser Abgabe per Umsatzsteuer mitkassiert. Das finde ich mehr als pervers. Es geht nun doch schon um kommunale Abgaben, warum muss dann noch zusätzlich eine Steuer auf eine Abgabe erhoben werden?
Weiterhin:
Die jetzige Ermittlung der Besucherzahlen reicht dafür qualitativ nicht aus. Man hat sich in der Vorlage erst einmal gegenseitig die Taschen voll gehauen und gemeint, NEIN, uns gäbe es so nicht, wenn es keine Touristen gäbe. Obwohl manche Einrichtungen mit JA stimmten, wurden durch die Finanzer Beträge mit herangezogen.
Alle Einrichtungen müssen zukünftig ihre Besucher detaillierter aufschlüsseln, damit eine Trennung nach Einwohnern und Touristen möglich wird. Und das erfolgt alles kostenneutral?
Zudem möchte ich gern die Gesichter aller Mitarbeiter sehen, die das nebenbei mit realisieren sollen. Wie? Datenschutz, oho…?
Ja Matthias,
der Staat braucht Geld und die GEZ braucht Geld und die Kommune natürlich auch
Und alle drei haben Rekordeinnahmen und schaffen es dennoch nicht, mit ihrem Geld haus zuhalten.
Was soll das werden, wenn wir eine Rezession bekommen?
Es gibt kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Leipzig ist ein Paradebeispiel dafür.
Und jetzt werden Bagatellsteuern erfunden, die mit hohem Aufwand einige Milliönchen bringen sollen. Abgezockt bei Verbrauchern und Unternehmern, die eh schon unter einer Rekordabgaben-und Steuerlast leiden.
Allerdings hätte man vielleicht doch ehrlicherweise eine Bettensteuer wählen sollen, statt einer Gästetaxe, denn die erfordert die Zweckbindung der Mittel und das verstehen z.B. die Grünen gar nicht, die in ihrem Änderungsantrag die zusammengehamsterten Millionen einfach im allgemeinen Haushalt versenken wollen.
Dann muss man auch noch Mehrwertsteuer abführen. Willy Würger vom FA möchte ja auch was abhaben und die SPDLinke sorgt mit ihrer Gästeausweisforderung und den ganzen Ausnahmetatbeständen dafür, dass alle anderen schon das Gesicht verziehen, wenn sie Gästetaxe hören.
Könnte eine interessante Abstimmung werden…
Absatz 1 war eher ironisch gemeint. Was würden Sie denn als Tourist zu einer Gästetaxe von 3 Euro/Tag sagen?
Für allgemeine Steuern bekomme ich Daseinsvorsorge. Aber wie Sie schon richtig schrieben: Der Fehler liegt nicht in der Kommune, der liegt bei zu geringen Zuweisungen an die Kommunen.
Es kann doch nicht der tiefere Sinn darin liegen, dass dieser Fehler durch zusätzliches Abkassieren kompensiert werden soll; das ändert dieses Problem auch nicht.
Gemäß SächsKAG kann eine Gästetaxe zur “Deckung besonderer Kosten touristischer Zwecke” herangezogen werden, oder aber – man höre und staune – zur kostenlosen! Nutzung des ÖPNV, oder auch ermäßigt. Die Abgabe ist – im Gegensatz zur Steuer – zweckgebunden. In den allgemeinen Haushalt darf das Geld nicht fließen. Da gab es bereits Klagen in anderen Orten.
Ich sehe die Kernaufgabe unserer Kommune nicht in der Betreuung von Touristen, zumal Leipzig ja eh schon aus allen Nähten platzt.
Liebe Christian,
was bekomme ich denn für meine Einkommenssteuer? Der Staat braucht Geld, um Leistungen zu finanzieren. Bund und Länder entschulden sich auf Kosten der Kommunen. Eigene Einnahmen zu stärken ist doch auch im Sinne der Ökonomie. Vermutlich werden auch keine Touristen abgeschreckt. Also, ich kann nichts Negatives entdecken, ausser, dass Luxusübernachtungen nicht mit 3% besteuert werden.
Ihren Absatz 1 verstehe ich übrigens leider garnicht…
Hoffentlich fällt Leipzig mit dieser Zwangsabgabe auf die Nase. Kommen weniger Touristen, wird’s dann auch besser mit dem ÖPNV, denn den bekommt die ach so “grüne” Stadt Leipzig auch nicht gebacken. Vielleicht ist das ja der wahre Grund… 😉
Die Umsatzsteuer ist wieder ein Wiehern typisch deutscher Regulierungs- und Abkassierwut.
Da sind auf einmal alle gleich. Selbst die eigenen MannInnen. Schaue ich mir da die Sozialsysteme in Deutschland an (Beamter und Angestellter), ist’s mit der Gleichheit vorbei…
Aber mal im Ernst – und wiederholt:
Was bekommt der Leipzig-Gast für diesen Betrag 3 Euro, was nicht sowieso des Daseinsvorsorge dient?