Es geschehen Zeichen und Wunder. Seit 2017 ist klar, dass Leipzig seine Forstwirtschaftspläne jedes Jahr dem Stadtrat zum Beschluss vorlegen muss. Das Jahr 2018 geht zwar schon wieder dem Ende entgegen, aber jetzt kommt tatsächlich der „Forstwirtschaftsplan 2018“ zum Beschluss in den Stadtrat. Denn die Kritiker hatten recht: So, wie es bis jetzt gehandhabt wurde, entsprach das weder der gesetzlichen Regelung, noch konnten sich die Stadtratsfraktionen wirklich ein Bild davon machen, was in Leipzigs Wäldern tatsächlich passiert.
2015 haben sie zwar die aktuelle Forsteinrichtung der Stadt Leipzig beschlossen. Aber das ist so ein detailliertes Mammutwerk, dass Berge von zugehörigen Unterlagen nur im Forstamt eingesehen werden konnten. Entsprechend wenig Nachfragen gab es dann auch im Stadtrat dazu. Denn auch die Stadträte brauchen eine Mindestmöglichkeit, die Vorlage überhaupt greifen zu können.
Und das wird mit jährlich vorzulegenden Forstwirtschaftsplänen, die die aktuellen Maßnahmen sichtbarer machen, natürlich etwas leichter.
„Bisher wurden die jährlichen forstlichen Wirtschaftspläne nach ihrer Erarbeitung im Fachausschuss Umwelt und Ordnung vorgestellt. Danach erfolgte die Übersendung an die Obere Forstbehörde, welche über die Vorstellung im Fachausschuss Umwelt und Ordnung informiert wurde. Entsprechend der dargestellten Verfahrensweise wurde so seit Inkrafttreten des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen im Jahr 1992 verfahren“, beschreibt das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport das alte Verfahren, das in Wirklichkeit gar nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach.
Aber selbst in Dresden scheint man nicht gemerkt zu haben, dass die eigentlich nötige jährliche Zustimmung des Stadtrates fehlte. Irgendwie schienen ja die Stadträte über den Ausschuss informiert.
Aber um Information allein geht es nicht. Die Stadträte müssen auch wissen, was da an Bewirtschaftung zum (in Leipzig nun einmal größtenteils unter Naturschutz stehenden) Wald festgelegt wird. Also müssen sie eine Vorlage bekommen, die sie auch überblicken können. Und sie müssen in bestem Wissen darüber abstimmen. Oder Änderungsanträge schreiben.
„Bei seinen jährlichen Prüfungen hat die Aufsichtsbehörde, der Staatsbetrieb Sachsenforst, Obere Forstbehörde, keine Mängel bei der Bewirtschaftung des Stadtwaldes und/oder Verfahrensfehler beanstandet“, betont das Umweltdezernat noch.
„Die wesentlichen Inhalte des jährlichen forstwirtschaftlichen Wirtschaftsplans werden in der Tagespresse und im Amtsblatt der Stadt Leipzig bekanntgegeben. Er ist für jeden Bürger auf der Homepage der Stadt Leipzig einsehbar und kann heruntergeladen werden. Der Wirtschaftsplan wird in den zuständigen Ortschaftsräten des Stadtgebiets und den betroffenen Stadtbezirksbeiräten vorgestellt, darüber hinaus auch dem Naturschutzbeirat und örtlich anerkannten Naturschutzverbänden.“
Nur seltsamerweise wurde nirgendwo dazu diskutiert. Gab es keinen Diskussionsbedarf? Die Wortmeldungen der Leipziger Bürger zu den oft flächengreifenden Baumfällungen sprechen eine andere Sprache. Und der Antrag der Grünen-Fraktion, im Auenwald Informationstafeln zu den Waldbewirtschaftungen aufzustellen, ebenfalls. Beides erzählt von einer ziemlich großen Informationslücke.
„Im November 2017 hat die Aufsichtsbehörde die Stadt Leipzig darauf hingewiesen, dass entsprechend § 48 Abs. 4 SächsWaldG die Körperschaft über den jährlichen forstlichen Wirtschaftsplan beschließen muss und das bisherige Verfahren, den Wirtschaftsplan im Fachausschuss Umwelt und Ordnung vorzustellen, nicht ausreicht. Aus diesem Grund wird der jährliche forstliche Wirtschaftsplan im Jahr 2018 der Ratsversammlung zum Beschluss vorgelegt“, betont das Umweltdezernat jetzt.
Tatsächlich zwingen die jährlich zu beschließenden Wirtschaftspläne sogar das Umweltschutzamt, seine Arbeit ernster zu nehmen und die vorgelegten Wirtschaftspläne auf ihre naturschutzrechtlichen Belange hin zu prüfen.
Es steht fast beiläufig da. Aber für Leipzigs Umweltdezernat ist das ein überraschend deutlicher Hinweis darauf, dass die bisherigen Wirtschaftspläne nicht wirklich allen naturschutzrechtlichen Belangen genügten. Die Abteilung Stadtforsten schaut nun einmal vor allem betriebswirtschaftlich auf den Wald. Für die Einhaltung des Naturschutzes muss das zuständige Amt der Stadt sorgen.
Oder im Text der Vorlage: „Die Aufstellung der jährlichen Wirtschaftspläne erfolgt auf der Grundlage der Forsteinrichtung für den Stadtwald Leipzig – die am 29.10.2015 von der Ratsversammlung der Stadt Leipzig beschlossen wurde (Vorlage VI-DS-01394). Der Planentwurf wurde u. a. zusammen mit der Unteren Naturschutzbehörde geprüft um Kollisionen mit naturschutzrechtlichen Vorschriften auszuschließen.
Zur Optimierung bei der Erfüllung naturschutzfachlicher und -rechtlicher Zielvorgaben wurde in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde eine Präzisierung von Teilen der Planung vorgenommen. Weiterhin mussten Aspekte der Verkehrssicherung beachtet werden. Soweit keine rechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, wurde die Planung auch im Sinne der erhöhten Erholungsfunktion des Leipziger Stadtwaldes optimiert.“ (Hervorhebungen d.Red.)
Und so beiläufig zeigt die Vorlage nun auch, dass der Wald als Wirtschaftsgut eigentlich ein Zuschussgeschäft ist. Denn den Erträgen von 275.788,67 Euro im Doppelhaushalt 2017/2018 stehen 1.901.366,72 Euro an Aufwendungen (davon Personalkosten: 1.465.650,00 Euro und Sachkosten: 435.716,72 Euro) gegenüber.
Das heißt: Leipzig kann sich auch bei der Bewirtschaftung des Auenwaldes viel stärker auf den Naturschutz und den Erhalt der Bestände konzentrieren. Es muss kein Holz aus dem Wald geholt werden, um den Wirtschaftsplan zu erfüllen.
Aber man tut gut daran, bei jeder forstwirtschaftlichen Einzelmaßnahme auch wissenschaftliche Beratung einzuholen. Was jetzt auch im Fall der Nonne passiert ist, wo die Stadt nach Beratung durch Wissenschaftler der Uni Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) die Entnahmemengen auch für die bedrohte Esche deutlich reduziert hat.
So heißt es jetzt für einen Teil der Nonne zum Beispiel: „Keine Entnahme von Alteschen im Alter von 151 Jahren. Geringe Entnahme von Stieleichen im Alter von 131 Jahren zur Schadraumregulierung, keine Entnahme von Stieleiche im Alter von 180 bis 240 Jahren (nur aus akuten Verkehrssicherungsgründen). Das heißt, die Nutzung konzentriert sich größtenteils auf die Entnahme von Bergahorn im Alter von 51 bis 61 Jahren, Esche im Alter von 51 bis 61 Jahren, Roteiche im Alter von 91 Jahren und Esche im Alter von 39 Jahren. Unter Beachtung der Verkehrssicherheit erfolgt die Entnahme teilweise durch ‚Ringeln‘ zur Erzeugung von stehendem Totholz.“
Was dann für die alten Eschen in der Regel heißt, dass sie stehen bleiben. Genutzt – also gefällt – werden eher die jungen Eschen und vor allem der hier ungewollte Ahorn.
Ist jetzt alles in geregelten Bahnen?
Das Umweltdezernat meint zumindest, dass man jetzt alle Unklarheiten beseitigt habe: „Es bestand Rechtsunsicherheit wegen der möglicherweise bestehenden Verpflichtungen der Stadt Leipzig, Forstverwaltung, ob das Forsteinrichtungswerk der Stadt Leipzig (Vorlage VI-DS-01394) als auch die jährlichen forstlichen Wirtschaftspläne eine FFH-Verträglichkeitsprüfung oder eine strategische Umweltprüfung einschließlich Verpflichtungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung erfordern würden.
Das daraufhin eingeholte Rechtsgutachten hat ergeben, dass sowohl das Forsteinrichtungswerk, als auch die jährlichen forstlichen Wirtschaftspläne weder eine FFH-Verträglichkeitsprüfung noch eine strategische Umweltprüfung einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung erfordern. Die Planwerke gehören nicht dem Bereich des öffentlich-rechtlichen hoheitlichen, sondern dem des fiskalischen Handelns an und sind damit verwaltungsprivatrechtlicher Natur.“
Das Rechtsgutachten freilich ist nicht öffentlich. Was schon eine Menge darüber aussagt, für wie belastbar das Dezernat das Gutachten hält. Denn der Streit dürfte sich durchaus an der Feststellung entzünden, dass fortwirtschaftliche Planwerke „nicht dem Bereich des öffentlich-rechtlichen hoheitlichen, sondern dem des fiskalischen Handelns“ angehören und deshalb „verwaltungsprivatrechtlicher Natur“ seien.
Was vielleicht in reinen Nutzwäldern zutrifft, aber ganz bestimmt nicht im FFH-Gebiet Leipziger Auenwald. Was schon die wissenschaftlichen Korrekturen am Forstwirtschaftsplan zeigen. Möglicherweise brauchen die jährlichen Forstwirtschaftpläne keine FFH-Verträglichkeitsprüfung – die große Forsteinrichtung aber wird sie wohl brauchen. Vielleicht sind Leipzigs Stadträte sehr gut beraten, wenn sie das Rechtsgutachten sehr aufmerksam lesen.
Leipzigs Stadtrat wird zum ersten Mal über die forstwirtschaftlichen Maßnahmen im Leipziger Auwald abstimmen
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Die Katze ist aus dem Sack: nicht nur, dass im Natur- und/oder Vogelschutzgebiet Leipziger Auwald schmerzfrei großflächig wertvolle alte und mehrheitlich gesunde Bäume abgesägt und alle 20 Meter dafür den Boden verdichtende Rückegassen angelegt werden (als Einladung für Mountainbiker, sich hier zusätzlich alles niedermachend zu tummeln) und das auch noch, weil es dem Wald angeblich gut tut, das Ganze ist nun endlich Schwarz auf Weiß nachweisbar ein grandioses Minusgeschäft. Steuergeld versenken in Größenordnungen, um was genau im Wald zu erreichen?? Mal sehn, wie sich die Stadträte nun DAZU positionieren! Die Leipziger BürgerInnen werden’s wissen wollen.