Es ist schon seit geraumer Zeit zu spüren, dass Leipzigs Stadträte die ganzen Warnungen aus der aufsichtführenden Landesdirektion und die Alarmmeldungen aus dem Finanzdezernat der Stadt nicht mehr wirklich ernst nehmen, wenn es um den Haushalt der Stadt geht. Denn was in den Haushaltsplänen immer so bedrohlich aussieht, hat mit den realen Jahresergebnissen der Stadt immer weniger zu tun. Das zeigt gerade wieder der Jahresabschluss für das Jahr 2015.

2015? Das ist doch ewig lange her? Die Zahlen stehen doch schon lange in den Jahrbüchern. Und das jüngste Jahrbuch der Stadt weist für das Jahr 2015 einen Finanzierungssaldo von 50,65 Millionen Euro aus. Minus. Leipzig habe demnach über 50 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen.

Doch tatsächlich geht es auch einer Kommune wie Leipzig so, dass sie zu Jahresanfang, wenn das neue Jahrbuch vorgelegt wird, überhaupt noch nicht sagen kann, wie das Vorjahr ausgegangen ist. Der Finanzbürgermeister kann zwar auf die Konten schauen und zusammenrechnen, was alles noch da ist. Aber er hat noch längst nicht alle Rechnungen bezahlt, alle Förderzusagen eingenommen, alle Landeszuweisungen bekommen.

Da Sachsens Regierung ja so einen Wert darauf legte, die Kommunen in Wirtschaftsunternehmen mit doppelter Buchführung zu verwandelt, tauchen auch alle Phänomene, die in normalen Unternehmen die Regel sind, nun auch in den Bilanzen der Städte auf.

Vorher, vor Einführung der Doppik, konnten sie einfach die Summe ziehen, tatsächliche Ausgaben gegen tatsächliche Einnahmen rechnen und dann das Haushaltsjahr zuklappen. Was übrig blieb, egal, ob es fehlende Einnahmen oder zusätzliche Einzahlungen waren, rutschte ins nächste Jahr.

Mit der Doppik aber ist es so, dass das Leipziger Finanzdezernat mehr Arbeit hat. Es muss alle Geldein- und -ausgänge, die noch ins abgeschlossene Jahr gehören, nachträglich korrigieren. Dafür gibt es viele Gründe. Und die Auswirkungen reichen bis in die anderen Dezernate und Ämter.

„Im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten zum Haushaltsjahr 2015 wurden durch die Fachämter verschiedene Vorgänge gemeldet, welche aufgrund gesetzlicher Regelungen zwingend für den Jahresabschluss zu buchen waren, für welche aber keine ausreichenden Budgets zur Verfügung standen und entsprechende Beschlüsse nach § 79 SächsGemO notwendig gewesen wären“, beschreibt das Finanzdezernat das Ganze.

„Diese Vorgänge wurden überwiegend nach dem dezentralen Buchungsschluss bekannt bzw. der Stadtkämmerei gemeldet. Eine entsprechende fristgerechte Beschlussfassung war damit nicht mehr möglich und es gab aufgrund der Unabweisbarkeit keinen Entscheidungsspielraum. Dies betrifft insbesondere die zu bildenden Rückstellungen (kein Wahlrecht), für welche kein Budget mehr zur Verfügung stand bzw. einzelne Budgetverschiebungen z. B. zwischen Investitions- und Ergebnishaushalt für bereits vorgenommene Auszahlungen. Um den Regelungen der Hauptsatzung formal zu entsprechen, müssen entsprechend Beschlusspunkt 2 diese Beschlüsse nachgeholt werden.“

Klingt zwar alles sehr alarmierend. Aber das blanke Ergebnis sieht dann anders aus. Denn das Geld, „das nicht zur Verfügung stand“, wurde ja auch nicht ausgegeben. Sodass sich dann das Ergebnis deutlich verschiebt: Leipzig hat das Jahr eben nicht, wie noch im „Jahrbuch 2017“ ausgewiesen, mit einem Minus von 50,65 Millionen Euro abgeschlossen, sondern mit einem Plus.

Hauptursache waren, wie das Finanzdezernat auflistet, vor allem außerordentliche Erträge, die die außerordentlichen Ausgaben deutlich überstiegen (+ 18,7 Millionen Euro), aber auch bei den ordentlichen Erträgen blieb ein Plus von 8,5 Millionen Euro, sodass am Ende ein Plus von 27,2 Millionen Euro übrig blieb.

Rein statistisch, wie der Finanzbürgermeister wahrscheinlich sagen würde. Die Zahl steht nur auf dem Papier. Es ist kein Geld, das irgendwo herumliegt und das mal schnell für andere Zwecke ausgegeben werden könnte.

Es ist im Grunde nur eine Temperaturanzeige, die sichtbar macht, wie sparsam Leipzig in Wirklichkeit agiert. Was ja auch schon für die Folgejahre streiflichtartig thematisiert wurde. Insbesondere beim Personal sind die Ausgaben fast jedes Mal deutlich geringer als geplant. Aber gerade bei Bauprojekten verschieben sich große Kostenblöcke immer wieder ins nächste Jahr. Und auch die Landeszuweisungen sind keine sichere Bank, da der Freistaat seine Finanzzuweisungen immer wieder anhand der Bevölkerungszahl nachjustiert.

Wenn dann alles mehrfach – auch vom Rechnungsprüfungsamt der Stadt – nachgeprüft ist, geht das Ganze noch einmal zur Beschlussfassung in den Stadtrat.

Und dort registriert man sehr wohl, dass Leipzig augenscheinlich am Ende doch besser wirtschaftet, als bei Beschlussfassung zum Haushalt erwartet.

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