Da saßen wir am 10. August mit einiger Verstörung über dem Ratsinformationssystem. Wir haben ja schon mehrfach zur Bauernbrücke in Wahren berichtet, die 2017 für jeglichen Verkehr gesperrt werden musste, weil ein Pilz das Holz mürbe machte. Die CDU drängte auf baldige Wiederherstellung der Brücke. Die Stadt hat den Neubau ab Herbst eingetaktet. Aber gerade die Senioren-Union ließ nicht locker. Und nun stand eine besorgniserregende Anfrage von CDU-Stadtrat Konrad Riedel im System.
Besorgniserregend nicht, weil der Senior in der CDU-Fraktion Neues oder Skandalöses zum Brücken-Vorgang herausgefunden hätte, sondern weil er sich so deutlich im Ton vergriff. Er unterstellte der Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau ganz offiziell Falschaussagen: „Falschaussagen der Bürgermeisterin Dubrau in der Ratssitzung vom 18.04.2018, Thema Bauernbrücke“.
Dass die CDU-Fraktion seit Amtsantritt der von den Grünen nominierten Baubürgermeisterin mit scharfen Geschützen gegen die Architektin schießt, ist nicht neu. Selbst die normalsten Vorlagen aus dem Dezernat für Stadtplanung und Bau nutzte die Fraktion, die Bürgermeisterin auch mit persönlichsten Angriffen zu attackieren, emsig assistiert von zwei Leipziger Zeitungen, die den Krieg gegen die Frau in einem eher männerdominierten Dezernat kräftig unterstützten und das Außenbild vermittelten, dass die Bürgermeisterin gegen die Meinungsmehrheit in der Stadt agiere und Spezialinteressen verfolge.
Auch Dilettantismus gehörte unterschwellig schon zu den Vorwürfen, die sich bei jeder Stadtratsdebatte, wenn die Vorlagen dann von allen Fraktionen diskutiert wurden, als nicht haltbar erwiesen – oder halt als die Spezialmeinung einer Fraktion.
Einer Faktion, die völlig ohne Not seit 2015 auch noch zusätzlich von den Entwicklungen in Ostsachsen angesteckt ist, wo die Regierungspartei CDU mittlerweile die Folgen ihrer Politik erntet und mit der AfD einen herausfordernden politischen Gegner bekommen hat, der mit seinen politischen Angriffen auch den Ton verschärft hat. Und der Ton hat die sächsische CDU regelrecht angestachelt, es genauso zu versuchen, um die Deutungshoheit in den Netzwerken zu gewinnen. Auch die Leipziger CDU hat – getrieben gerade von ihren jüngeren Spitzenkräften – ihren Ton in den „social media“ drastisch verschärft. Motto: „Nicht lange nachdenken, drauf auf den Feind, attackieren, jagen. Keinen Pardon geben.“
Die Diskussionen sind entsprechend rüde geworden. Manchmal schwappte das auch schon in die Stadtratsdiskussionen.
Aber bislang gab es in der CDU-Fraktion auch noch mehrere ältere Stadträte, die mit ihrer Ruhe überzeugten und so arbeiteten, dass man merkte: Sie respektieren sowohl die Mitglieder der Verwaltung als auch die anderen anwesenden Fraktionen. Sie streiten zwar. Und auch Konrad Riedel konnte seine Themen sehr nachdrücklich vertreten. Aber sie arbeiteten (bislang jedenfalls) nicht mit Unterstellungen und Falschbehauptungen.
Und Konrad Riedels Anfrage brach mit all dem.
Und wir fragten uns: Ist der jetzt auch angesteckt? Oder ist die CDU-Fraktion jetzt derart in die eigene Interpretationsblase abgetaucht, dass das nun auch die gesetzteren Mitglieder der Fraktion dazu bringt, sich wie die jungen Heißsporne zu benehmen?
Weder die Videoaufzeichnung vom 18. April, der Sitzung, die Konrad Riedel anspricht, noch die bisherigen Antworten aus dem Baudezernat zur Bauernbrücke gaben irgendeinen Anlass, so eine Anfrage zu stellen, in der Konrad Riedel der Baubürgermeisterin direkt Falschaussagen unterstellte.
Am 21. August hat Dorothee Dubrau nun persönlich geantwortet und die Behauptungen in Riedels Anfrage eine um die andere widerlegt – und auch freundlich darauf hingewiesen, dass solche Projekte wie die Bauernbrücke nun einmal Teamwork sind. Dazu gibt es ausgebildete Mitarbeiter in ihrem Dezernat, die sich um die Umsetzung kümmern. Die auch beim THW anfragen, ob es die Möglichkeit einer schnell aufzubauenden Ersatzbrücke gibt – die es aber in diesem Fall nicht gibt, weil die Maße der verfügbaren Ersatzbrücke nicht zu den vorhandenen Widerlagern passen.
Tragisch nicht nur für die älteren Bewohner von Wahren. Denn damit war klar, dass alle, die zum Auensee wollen, einen weiten Umweg laufen müssen auf einem eigentlich viel zu schmalen Fußweg an einer viel befahrenen Straße.
Und auch die Behauptung, Konrad Riedel hätte die Unterlagen nicht einsehen können, widerlegt die fast immer nur freundlich agierende Bürgermeisterin.
„Dieses Schreiben wurde Ihnen selbst und Stadtrat Herrn Haas am 18.05.2018 in den Räumen des Amtsleiters VTA zur Einsicht vorgelegt“, schreibt sie nun in ihrer Antwort. Und auch das ist eine Premiere: Sie verwahrt sich gegen die Unterstellungen. Was sonst in eher unpersönlichen Verwaltungsvorlagen nicht die Regel ist. Aber in diesem Fall ist Konrad Riedel deutlich zu weit gegangen. Nicht nur der Bürgermeisterin gegenüber, sondern auch den Mitarbeitern ihres Dezernats gegenüber.
„Daraus folgt: Weder Stadtrat noch Öffentlichkeit wurden durch mich belogen und weitere Antworten durch den Oberbürgermeister erübrigen sich. Ich muss vielmehr die wiederholten Unterstellungen, die letztlich nicht mich, sondern die engagierte Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den Fachämtern diskreditieren und demotivieren, entschieden zurückweisen“, schreibt Dorothee Dubrau.
„Bitte widerstehen sie hin und wieder der oft sehr billig zu habenden Versuchung, politische Auseinandersetzungen und Verantwortungsübernahme in der Kommunikation auch schwierigerer Themen nach Außen, durch bloßes Verwaltungsbashing zu ersetzen. Sie schaden damit vor allem dem Vertrauen in die Selbstverwaltung der Gemeinde und der politischen Ordnung als Ganzem, deren Teil Sie als Stadträte sind.“
Ein beherzigenswerter Rat.
Und einige gemeinsame Aktionen der CDU-Fraktion mit anderen Stadtratsfraktionen in letzter Zeit haben ja eigentlich gezeigt, dass sie das noch kann. Es bringt wirklich nichts, den hysterischen Ton aus den „social media“ zu übernehmen. Das schafft zwar jede Menge Aufmerksamkeit – wie jede öffentliche Prügelei. Aber es hat mit einem respektvollen Miteinander nichts mehr zu tun.
Senioren-Union versucht es noch einmal mit einem Offenen Brief an den OBM
Senioren-Union versucht es noch einmal mit einem Offenen Brief an den OBM
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Übrigens ist das Bild nicht mehr ganz aktuell: Die Brücke ist weg. Hoffentlich läuft es weiter nach Plan.