Es sind oft die kleinen, praktischen Dinge, die fehlen. Leipzig hat zwar einige tausend Straßen mit offiziellen Namen und jedes Jahr kommen Dutzende dazu oder werden (auch abschnittsweise) umbenannt. Aber wer wissen will, warum die Fröschelstraße unbedingt Fröschelstraße heißt und welche Emilie in der Emilienstraße gewürdigt wird, der wird zumindest in den aktuellen Publikationen der Stadt nicht fündig. Ein echter Fall für das Jugendparlament.

Denn die jungen Leute sind noch so neugierig, wie es die meisten älteren Bewohner schon lange nicht mehr sind. Und sie sind auch so jung, dass sie, als das wirklich maßstabsetzende Buch zum Thema herauskam, einfach nicht zuschlagen konnten. Das war das vom Verlag im Wissenschaftszentrum Leipzig herausgegebene „Lexikon Leipziger Straßennamen“ von 1995. Das arbeitete natürlich auch mit den Informationen der Stadtverwaltung, die ja genau weiß, warum welche Straße und welcher Platz welchen Namen bekommen hat.

Einfach mal zur Dimension: Das „Leipziger Straßenabschnittsverzeichnis 2017“ verzeichnet genau 3.031 Straßen. Von der Aachener Straße bis zum Zwiebelweg. Die Aachener Straße (wo man übrigens die Kleingartenanlage „Dr. Schreber“ findet), heißt seit 1925 so – aus Anlass der „Jahrtausendfeier“ der Rheinlande. Und der Zwiebelweg stammt aus neuerer Zeit, wurde 1995 noch gar nicht erwähnt und liegt in einer typischen Reihenhaussiedlung in Wiederitzsch, wo die anderen Straßen dann nach Thymian, Salbei, Kerbel und so weiter benannt sind. Man könnte die Siedlung also Suppensiedlung nennen.

Mit Fröschel ist das schon anders: Das war einer der bekannteren Reformatoren der Lutherzeit und die Straße in Reudnitz heißt seit 1896 so. Eigentlich hätte sie ja Sebastianstraße heißen müssen, wenn die Namensbenenner im 19. Jahrhundert nur ein bisschen konsequent gewesen wären.

Denn Männer wurden zwar mit ihrem Nachnamen gewürdigt, von Frauen aber nahm man nur den Vornamen in den Straßennamen auf. Eine gewisse Diskriminierung war das schon. Die Emilienstraße wurde zum Beispiel nach Emilie Friederike Platzmann benannt, Besitzerin des Grundstücks, auf dem die Straße im Zentrum-Süd angelegt wurde.

Es gibt also eine Menge zu wissen über Leipzigs Straßennamen. Aber wo steht es? Also beantragt das Jugendparlament: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt neben den auf der Website zur Verfügung gestellten Straßenverzeichnissen ein ausführliches Straßenverzeichnis mit Erklärung zum Namen sowie Datum der Benennung und eventuell ehemaligen Namen der Straße zu veröffentlichen.“

Und es erklärt sein Anliegen natürlich auch ordentlich: „Straßen und Straßennamen sind der vielleicht wichtigste Orientierungspunkt für Ortsfremde. Doch nicht nur sie versuchen sich anhand der blauen Schilder an jeder Ecke durch Leipzig zu finden. Straßennamen dienen der Identifikationsbildung der Anwohner*innen. Doch nicht nur das; es ist der Allgemeinbildung der Bürger*innen der Stadt zuträglich, wenn sie die Möglichkeit bekommen, sich mit ihrer Umwelt und ihrem Umfeld auseinanderzusetzen.

Manchmal sind die Informationen zu den Namensgeber*innen, zu den Umständen der Namensgebung oder zu ihrem Prozess nur schwer zugänglich und genau in diesem Moment kann die Stadt eine Lücke füllen, die sich einigen auftut. Da ein solches Verzeichnis in der Vergangenheit bereits existierte, ist zudem nicht davon auszugehen, dass die Veröffentlichung einen großen Verwaltungsaufwand bedeutet.“

Immerhin verweist das Amt für Statistik und Wahlen selbst darauf, dass es so ein Verzeichnis schon 1992 gab. Immerhin kann man auch schöne kleine Entdeckungen machen über die eigene Stadt. Etwa dass es in Sellerhausen zwar eine Emmausstraße gibt, dass das aber nicht die Straße nach Emmaus ist. Sie ist nur nach der Emmauskirche benannt.

Neues Straßenabschnittsverzeichnis würdigt auch ganz ohne Kommentar die Leipziger Reformation

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