Auf ihrem Bundesparteitag in Leipzig hat die Linkspartei spontan eine Stunde über die Kontroversen rund um Sahra Wagenknecht diskutiert. Ein Anwesender hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Eigentlich war dazu keine Debatte vorgesehen. Doch nach einer Rede von Wagenknecht reichten zwei Redebeiträge aus, um die Gemüter im Saal zu erhitzen.

Es schien ein weitgehend harmonischer Parteitag zu werden. Zwar konnte sich der eine oder andere Redner eine verbale Spitze gegen Sahra Wagenknecht oder den Parteivorstand nicht verkneifen, doch hitzig wurde es beim Bundesparteitag der Linken in Leipzig nicht. Bis Sonntagmittag. Da stand die Rede der Bundestagsfraktionsvorsitzenden Wagenknecht auf der Tagesordnung.

Sie rief dazu auf, sich für die Ärmsten der Gesellschaft zu engagieren, Waffenlieferungen zu stoppen und darauf hinzuwirken, dass das Völkerrecht nicht mehr mit Füßen getreten wird. Das fand breite Zustimmung. Dann kam sie auf die Themen Asyl und Migration zu sprechen: „Ich bin stolz darauf, dass die Bundestagsfraktion gegen jede Verschärfung des Asylrechts gestimmt hat und das wird auch so bleiben.“

Dass Grenzen nötig seien, etwa bei Kapitalverkehrskontrollen und Zöllen, sagte sie ebenfalls. „Wir streiten über die Frage, ob es für Arbeitsmigration Grenzen geben sollte. Aber warum können wir das nicht sachlich tun, ohne Diffamierungen?“ Für diese Frage erhielt Wagenknecht viel Applaus.

Sie habe kein Verständnis dafür, deshalb als Rassistin bezeichnet oder in AfD-Nähe gerückt zu werden. „Wir sollten diese absurden Debatten beenden und dafür kämpfen, dass die Gauland-AfD zu einem Vogelschiss in der deutschen Geschichte wird.“ Am Ende erhielt sie begeisterten Applaus. Einige Landesverbände, darunter Berlin und Brandenburg, zeigten jedoch fast vollständig keine Regung.

Doch dann kamen Nachfragen und Vorwürfe, dass Wagenknecht die Partei zerlege, und die Fraktionschefin sagte, dass den Hungernden in Afrika offene Grenzen nichts nützten – und die Stimmung kochte. Ein Anwesender beantragte daraufhin eine einstündige Debatte, worüber der Parteitag abstimmen musste: 250 waren dafür, 249 dagegen.

Wäre die Debatte sofort gestartet, wäre es möglicherweise sehr hitzig geworden. Doch zunächst folgten die Wahlen des Parteivorstandes und eine Pause, sodass etwa eine Stunde blieb, um sich abzukühlen.

In der folgenden Debatte kamen viele bekannte Argumente: Einige verwiesen darauf, dass sich der Parteitag gestern klar für offene Grenzen ausgesprochen habe, andere beklagten, dass die Partei in der Öffentlichkeit nicht einig auftreten könne. Die stellvertretende Parteivorsitzende Janine Wissler sagte: „Wir sind die Opposition gegen diese Asylrechtsverschärfungen. Wir sollten solidarisch streiten. Wenn wir die Halle verlassen, dann sind wir eine Partei und nehmen die politischen Gegner wieder ins Visier und kämpfen gegen die gesellschaftlichen Missstände. Wir können uns Selbstbeschäftigung nicht leisten.“

Axel Troost erneut zum stellvertretenden Parteivorsitzenden der Linken gewählt

Der aus dem Landesverband Sachsen stammende Linkspolitiker Axel Troost ist am Samstagabend erneut zum stellvertretenden Vorsitzenden der Linkspartei gewählt worden. Die Leipziger Stadträtin Franziska Riekewald wurde in den erweiterten Parteivorstand gewählt. Troost erhielt dabei am Samstagabend eine Zustimmung von 69,44 Prozent. Gegen ihn stimmten 21,86 Prozent der Anwesenden. Damit erreichte er unter den sechs Stellvertretern das zweitbeste Ergebnis.

Troost sagte in seiner Bewerbungsrede, dass er sich in der Wirtschaftspolitik und beim Umgang mit Griechenland engagieren wolle. Er ist bereits seit 2012 stellvertretender Parteivorsitzender. Von 2005 bis 2017 war er Mitglied des Bundestages.

Am späten Samstagabend folgten die Wahlen für den erweiterten Vorstand. Die Leipziger Stadträtin Franziska Riekewald schaffte es, gewählt zu werden. Keinen Erfolg hatte hingegen der Leipziger Fabian Blunck. Er schaffte es bei den am Sonntagmittag fortgesetzten Wahlen nicht, genügend Stimmen zu erreichen. Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger waren am Samstag mit schwachen Ergebnissen wiedergewählt worden.

In der einstündigen Debatte der Delegierten rings um den Migrationskurs und die Stellung Sahra Wagenknechts schwiegen sie, dafür meldeten sich auch einige Sachsen zu Wort.

Der Leipziger Bundestagsabgeordnete und Stadtrat Sören Pellmann sagte, dass er selbst Grundschulkindern beibringen könne, sich zusammenzureißen – das müsse auch hier möglich sein. Der Leipziger Tilman Loos regte an, solche Debatten künftig nicht in der Öffentlichkeit zu führen.

Die sächsische Landtagsabgeordnete Jana Pinka berichtete davon, dass sie in ihrer Basisarbeit gefragt werde, auf wessen Seite sie stehe. „Ich möchte mich gar nicht entscheiden müssen“, sagte Pinka. Der Linkspolitiker Diether Dehm berichtete, dass er den Traum habe, dass Kipping und Wagenknecht gemeinsam die Abschiebung einer Roma-Familie verhinderten.

Am Ende der Debatte kamen die Bundesvorsitzenden und Bundestagsfraktionsvorsitzenden gemeinsam auf die Bühne und präsentierten einen Vorschlag. Sie wollen nun gemeinsam in Klausur gehen, um über die Streitpunkte zu reden. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, erhielt im Saal begeisterten Applaus.

Kipping und Riexinger mit schwachen Ergebnissen wiedergewählt + Video

 

Kipping und Riexinger mit schwachen Ergebnissen wiedergewählt + Video

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