Die Deutschen leben in verschiedenen Welten: Die Anhänger rechter Parteien leben ja bekanntlich immer noch in dem irren Glauben, Ströme von asylsuchenden Flüchtlingen würden an bayerischen und sächsischen Grenzen Schlange stehen. Aber die Wirklichkeit sieht schon lange ganz anders aus. Selbst die 2015 und 2016 mit Macht aus dem Boden gestampften Unterbringungskapazitäten muss Leipzig jetzt drastisch reduzieren. Sie werden einfach nicht gebraucht. Außer für völlig andere Zwecke.

„Angesichts der Zugangsentwicklung im Jahr 2016 nach Deutschland (Asylgesuch-Statistik), der tatsächlichen Zuweisungszahlen nach Leipzig (1.997 Personen), möglicher zukünftiger Zugänge aufgrund von Familiennachzug und Wohnsitzauflage sowie unter Berücksichtigung möglicher Szenarien einer Fortschreibung von erwarteten Zugängen ging die Planung der Stadt Leipzig für 2017 und 2018 von jeweils 1.500 Zuweisungen aus. Tatsächlich wurden im Jahr 2017 974 Personen nach Leipzig zugewiesen“, stellt das Sozialdezernat in seiner jüngsten Vorlage zur Flüchtlingsunterbringung fest.

„Zusätzlich waren weitere Personen aufzunehmen und in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen: alle diejenigen, die im Rahmen des Familiennachzuges nach Leipzig gelangten. Im Laufe des Jahres 2017 waren dies 150 Personen. In der Summe von tatsächlichen Zuweisungen und der aufgrund von Familiennachzug und Wohnsitzauflage nach Leipzig gelangten Personen ergibt sich für 2017 ein Gesamtzuzug von 1.124 Personen.“

Es wird zwar weitere Zuweisungen geben – aber die sind weit von den Zahlen der Jahre 2015 und 2016 entfernt.

„Auch für die Jahre 2018 und 2019 muss neben den eigentlichen Zuweisungen – hier wird von 1.000 Personen jährlich ausgegangen – mit weiteren Zuzügen (s.o.) gerechnet werden. Eine seriöse Vorhersage zur Größenordnung dieser Zuzüge ist nicht möglich, da hierzu keinerlei Planungsvorgaben von Bund und Land und auch keine halbwegs gesicherten Vorerfahrungen bestehen. Vollends unvorhersehbar ist die Zahl der Folgeantragsteller, die nach Leipzig kommen: hier wird daher in Fortschreibung des Jahres 2017 wiederum von 150 Personen/Jahr ausgegangen. Einzig die aus dem humanitären Abkommen zur Aufnahme von Schutzbedürftigen aus der Türkei in Umsetzung der EU-Türkei-Erklärung resultierende Aufnahmeverpflichtung lässt sich mit etwa 50 Personen/Jahr für die Stadt Leipzig grob beziffern“, versucht das Sozialdezernat eine Schätzung.

Und die widerspricht mittlerweile deutlich der Prognose, die immer noch von der sächsischen Landesdirektion ausgegeben wird. Entsprechend skeptisch zitiert die Vorlage diese Zahlen: „Die Landesdirektion Sachsen geht ausweislich eines Schreibens vom 21.02.2018 an das Gesundheitsamt intern von 15.000 Zugängen im Jahr aus. Dies würde bei einer Verteilung anhand des Königsteiner Schlüssels die Zuweisung von 2.070 Personen nach Leipzig bedeuten. Tatsächlich wird jedoch ein nicht unerheblicher Teil der Geflüchteten nicht auf die Kommunen verteilt sondern bleibt für sechs Monate und länger in den EAEs (längere Bearbeitungszeiten infolge fehlender Dolmetscherkapazitäten, Herkunft aus sicheren Heimatländern, landesinterner Verteilstopp [Georgien] o.ä.).“

Das heißt: Die Mehrzahl dieser Menschen wird wohl abgeschoben. Nur ein Bruchteil wird wirklich auf die Kommunen verteilt. Mit 1.000 liegt die Leipziger Schätzung wahrscheinlich sogar sehr nah an der Wirklichkeit.

Und dazu kommt: Mittlerweile arbeiten die Leipziger Behörden so sachkundig, dass sich auch die Aufenthaltszeit der Asylanwärter in den Gemeinschaftsunterkünften deutlich reduziert.

„Für die Jahre 2017 und 2018 wurden jeweils ca. 1.000 Auszüge aus den Gemeinschaftsunterkünften angenommen“, kann man da lesen. „Diese Annahme hat sich für das Jahr 2017 als zu niedrig erwiesen: tatsächlich verließen 1.525 Personen die Unterkünfte. Hinsichtlich einer Prognose für 2018/19 lohnt ein Blick auf die durchschnittliche Verweildauer in den Unterkünften: Zum Stichtag 30.12.2017 lebten 31 % der Bewohner/-innen dort weniger als zwölf Monate. Bei weiteren 29 % betrug die Aufenthaltsdauer zwischen 12 und 24 Monaten und 40 % wohnten länger als 24 Monate in den Einrichtungen.“

Was natürlich bedeutet, dass einige der so schnell aus dem Boden gestampften Gemeinschaftsunterkünfte wieder geschlossen werden können. Manche können umgenutzt werden. Andere, deren Bau erst ab 2017 geplant war, müssen gar nicht erst gebaut werden.

Und so werden die Standorte Kregelstraße 3 (Reudnitz-Thonberg, 200 Plätze) und Wurzner Straße 11 (Neustadt-Neuschönefeld, 90 Plätze) gar nicht erst fertiggestellt.

Dauerhaft geschlossen werden die Einrichtungen Helenenstraße 26a (Dölitz-Dösen, 50 Plätze) und Nikolai-Rumjanzew-Straße 100 (Grünau-Ost, 50 Plätze).

In anderen Einrichtungen werden die Kapazitäten reduziert. Das Haus II in der Torgauer Straße muss nicht mehr als Reserve gehalten werden, sondern kann jetzt endlich modernisiert werden.

Die Leipziger Kapazitäten für die Flüchtlingsunterbringung. Grafik: Stadt Leipzig
Die Leipziger Kapazitäten für die Flüchtlingsunterbringung. Grafik: Stadt Leipzig

Das Prager Dreieck (Zentrum Südost, 240 Plätze) ging, wie man weiß, nie in Betrieb. Die Stadt plant hier jetzt die Errichtung einer Containerschule. Ebenso nie genutzt wurde die Lindenthaler Straße 61 (Gohlis, 220 Plätze). Und auch die Einrichtung am Standort An den Tierkliniken 47 (348 Plätze) soll bis Ende des Jahres eine andere Nutzung bekommen.

Das ließe sich fortsetzen. Aber natürlich sucht das Sozialdezernat jetzt nach Alternativnutzungen für alle diese Gebäude. Denn sozialer Bedarf ist ja in Leipzig jede Menge vorhanden. Ein Bespiel dafür ist ja die Gustav-Mahler-Straße 21 (Zentrum West, 55 Plätze), ein Gebäude, das jetzt zur Kindertagesstätte umgebaut wird.

Nur eine Einrichtung geht trotz allem noch ans Netz, weil sie extra für diesen Zweck gebaut wurde: Am Standort Arno-Nitzsche-Straße 37 wurde ja im Auftrag der Stadt Leipzig eine neue Einrichtung zur Unterbringung Geflüchteter errichtet, die Arbeiten stehen vor dem Abschluss. Die Außenanlagen sollen in Teilen auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für ein auf dem Areal befindliches Bestandsgebäude.

Der Bestand an verfügbaren Unterbringungsplätzen für Flüchtlinge reduziert sich also noch in diesem Jahr von 3.496 auf 3.364Plätze und 2019 dann auf 2.816. Und da ist dann immer noch ein gehöriger Puffer an freien Plätzen, denn das Sozialdezernat rechnet 2018 mit einem Abschmelzen der Unterzubringenden von 2.285 auf 2.185 und 2019 dann auf 2.085.

Für etliche der nicht mehr gebrauchten Einrichtungen macht das Dezernat jetzt Alternativvorschläge, einige will man auch ganz abstoßen. Aber noch weiß man nicht zu jedem Gebäude, was man damit anstellen soll.

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