Da ist dieser Moment, wo man sich um die Ernsthaftigkeit Leipziger Finanzpolitik sorgt. Am heutigen 19. Juni 2018 hat Leipzigs Bürgermeister Torsten Bonew (CDU) eine Nachricht im Rathaus rotieren lassen, deren Inhalt knapp, doch die Vorgeschichte lang ist. Mit Wirkung vom heutigen Tage hat der Finanzdezernent die Haushaltssperre vom 9. April 2018 für Investitionen wieder aufgehoben. In der Folge war es zu massiven Nachfragen im Stadtrat vor allem der Linksfraktion und der Grünen gekommen, warum diese überhaupt verhängt wurde. Mit dem heutigen Tag muss man wohl sagen: echte Gründe gab es offenbar doch keine.
Und so liest es sich reichlich schmallippig, wenn heute Torsten Bonew die Amtsleiter und Ratsfraktionen im Leipziger Rathaus ohne weitere Begründung für die Aufhebung der Haushaltssperre informiert: „Hiermit hebe ich diese Einzelverfügung zum Erfordernis der Einzelfreigabe mit sofortiger Wirkung auf. Der Eigenmittelanteil bzw. die Zuschusssummen je Maßnahme werden freigegeben und sind verfügbar. Die mit Fördermitteln untersetzten Auszahlungsansätze werden mit dem Vorliegen des entsprechenden Fördermittelbescheides zur Verfügung gestellt. Bereits genehmigte Freigabeanträge bleiben unberührt.“
Was nun eben jene Zweifel wieder nährt, die bereits in der Ratsversammlung am 16. Mai 2018 zu massiven Einsprüchen seitens der Leipziger Ratsfraktionen führte. Das Hauptargument Bonews bei der Sperre selbst war vor allem die angeblich nicht vorhandene Liquidität der Stadt Leipzig, „also der tatsächlich verfügbaren Finanzmittel“. Da sah der Kämmerer „keinerlei Spielräume mehr. Jetzt kommt es darauf an, die Erfüllung unserer gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten und bei den Investitionen streng zu priorisieren.“
Hier also die bekannte Keule der gesetzlich vorgegebenen Pflichtaufgaben, praktisch die Mutter aller Begründungen für Finanzaufseher: erst die Pflicht, dann die Kür.
Im Stadtrat war ihm da auch Oberbürgermeister Burkhard Jung beigesprungen, vor allem um die 150 Millionen Euro für die Schulneubauten in Leipzig zu sichern, sei der Schritt nötig. Doch zu eben diesem Argument waren zunehmend Zweifel aufgekommen, eher war die Verwunderung ansteigend, wieso man Investitionen durch wiederholte Prüfungen und Einzelbeantragungen trotz vorliegender Ratsbeschlüsse verlangsamen müsse, während es längst einen formidablen Investitionsstau in Leipzig gibt.
Grund genug, die Investitionsgeschwindigkeiten eigentlich hochzufahren?
Am 17. Juni nun hatten die Fraktionen der Linken und Grünen den Antrag gestellt, welcher die sofortige Aufhebung der Haushaltssperre zur Ratsversammlung am morgigen 20. Juni 2018 forderte. In der Begründung beider Fraktionen heißt es dazu: „Wir halten die Aufhebung der Haushaltssperre zumindest für die Investitionen aufgrund des Rekordinvestitionsplans von zirka 296 Millionen Euro in 2018 und der gleichzeitigen Rekordsumme von 383,2 Millionen Euro an nicht umgesetzten Investitionen aus den vergangenen Haushaltsjahren (investive Haushaltsausgabenreste) sowie des Bedarfs an schnellstmöglicher Umsetzung unter anderem in der Bildungsinfrastruktur – hier explizit in Schulen und Kitas – für dringend erforderlich“.
Man hätte demnach wohl erwarten dürfen, dass sich auch in der morgigen Ratsversammlung eine veritable Redeschlacht rings um Doppische Haushaltsführung, liquide Mittel und Handwerkerrechnungen entspinnen würde. Doch offenbar waren da gar keine Argumente mehr?
Stattdessen hob der Finanzdezernent heute die Haushaltssperre einfach wieder auf.
Was Norman Volger, Fraktionsvorsitzender der Grünen Stadträte, auf L-IZ-Nachfrage heute zu einem Fazit führt, was für die Ernsthaftigkeit der Gründe und das Vorgehen von Torsten Bonew wenig schmeichelhaft klingt: „Es war für uns von Beginn an unklar, wie es zu der Haushaltssperre kommen konnte. Wir haben auch nicht verstanden, warum Investitionen, die bereits vom Stadtrat beschlossen worden sind, nochmals durch Torsten Bonew extra freigegeben werden sollten. So hat er eigentlich nur die Ratsbeschlüsse praktisch in Geiselhaft genommen.“ Bei allem offenbaren Unsinn der Maßnahme nun in der Rückschau bleibt für Volger auch etwas Gutes. „Für die Stadt Leipzig ist die Aufhebung der Sperre nur von Vorteil, da jetzt endlich zügig investiert werden kann.“
Bleibt also die Frage, was das ganze Haushaltsgesperre sollte, wenn Gründe, die vor einem Monat galten, bei zumindest von außen betrachtet unveränderter Lage nun keine Rolle mehr spielen. Und warum das Finanzdezernat nun noch die Leipziger Vereine mit eben jenen Sperrmaßnahmen am kurzen Gängelband bei den Fördergeldern hält? Vielleicht ist es ja auch nur das übliche Spiel mit dem bisschen Macht, was ein Kämmerer so hat: alle noch mal schön antreten und bitten lassen, um huldvoll den Daumen hoch oder herunterzusenken. Ganz nebenbei hat man so auch die anderen Bürgermeister an der kurzen Leine.
Eine Art, die Debatten, Nachfragen und klare Anträge nicht mag.
Grüne und Linke beantragen die sofortige Aufhebung der von Torsten Bonew verhängten Haushaltssperre
Grüne und Linke beantragen die sofortige Aufhebung der von Torsten Bonew verhängten Haushaltssperre
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