Karstadt in Leipzig soll für die weiterführende Nutzung des Hauses 68 Prozent mehr Miete zahlen und weigert sich. Der bis 2019 laufende Mietvertrag würde dann nicht verlängert, die Folge wäre die Schließung des Standortes. Es droht der Verlust von 400 Arbeitsplätzen. Dagegen regt sich Widerstand. In einer Petition wurden 50.000 Unterschriften gesammelt, die übergeben werden sollten, jedoch von einem Mitarbeiter des Eigentümers entsorgt wurden. Das Problem ist, dass es auch keine Grundlage dafür gibt, dass der Eigentümer Unterschriften oder eine Petition annehmen muss.
Petitionen, sofern sie wirksam sein sollen, richten sich an zuständige Stellen, die diese zur Kenntnis nehmen müssen, etwa Volksvertretungen oder Behörden, wofür es entsprechende rechtliche Grundlagen gibt.
Es gibt aber keine Möglichkeit einen privaten Eigentümer, der nach Art. 14 GG mit seinem Eigentum im Rahmen der Gesetze frei verfahren kann, mittels Unterschriften zu einer Handlung zu bewegen. So ist es in diesem Fall nur ein Mittel um mit Nachdruck das Bedürfnis von 50.000 Menschen darzulegen. Es ist davon auszugehen, dass der Eigentümer die Debatte zur Kenntnis nimmt auch wenn er die Unterschriften nicht annimmt.
Die Welle der Empörung ist groß, aber leider sind die Wortmeldungen der Politik leicht durchschaubar, inhaltlich zuweilen fragwürdig und nicht frei von einer gewissen Bigotterie.
Zum einen ist zu erwähnen, dass Karstadt, im Übrigen ein gewinnorientierter Konzern, am Standort zwischen 2006-2010 bereits einmal die nunmehr geforderte Miete gezahlt hat und zum anderen die Verlängerung des Mietvertrages letztes Jahr zu dem günstigen Mietpreis abgelehnt hat, inklusive der Möglichkeit, das Haus selber zu kaufen. Allein das sind unternehmerische Entscheidungen, die eine entsprechende Folge haben.
Und klar ist in erster Linie, dass eine Sicherheit für die 400 Arbeitsplätze geschaffen werden muss. Auf der anderen Seite wirkt es wie das Pokern von zwei Unternehmen um die möglichst besten Konditionen – im Geschäftsleben normal. Einfluss nehmen darauf kann die Politik kaum. Die Äußerung, dass man daher nun vom Eigentümer „ein Entgegenkommen“ erwarte, hat keine Grundlage, so nachvollziehbar sie auch sein mag.
Karstadt kämpft an dieser Stelle mit den Mitteln der Öffentlichkeit und dem drohenden Verlust eines Unternehmens in Leipzig mit 400 Arbeitsplätzen. Das schafft Öffentlichkeit, sichert Solidarität und die Parteien überbieten sich quasi in Unterstützungsadressen bis hin zur CDU, die eine Milieuschutzsatzung für die Innenstadt auf dem Weg bringen will. Eine Milieuschutzsatzung, die als spezielle Ausgestaltung der Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB im konkreten Fall, wahrscheinlich ohnehin nicht greifen würde, da nur sofern eine Nutzungsänderung im Raum steht und eine Genehmigung erteilt werden müsste.
Milieuschutzsatzungen sollen zudem verhindern, dass Bausubstanz verloren geht und bezahlbarer Wohnraum zu schnell flächendeckend vernichtet wird oder die Mieten durch Sanierungen so hoch werden, dass sie nicht mehr von den bisherigen Bewohnern gezahlt werden können (vgl. Kommentar § 172 BauGB, Kröninger,Ferner, Aschke). Ja, wir brauchen Milieuschutzsatzungen in Leipzig – dringend, aber nicht zur Rettung von Karstadt.
Unabhängig davon, dass es sich um Karstadt handelt, bietet der Fall die Gelegenheit, das System von Mietsteigerung und Verdrängung zu thematisieren und auf Problemstellungen hinzuweisen.
Allerdings wird genau der Wandel der Innenstadt, die Verdrängung von kleinen Geschäften zugunsten von Ketten nicht thematisiert. Betrachtet wird der Einzelfall Karstadt, ohne die dahinterstehende wirtschaftliche Systematik zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen.
Erst in dem Moment als es eine Kette trifft, tritt die Politik auf den Plan. Forderungen nach Milieuschutzsatzungen für andere Leipziger Viertel hat man bis dato nicht vernommen und wo war der Aufschrei der Politik als Läden wie dem 4 Rooms gekündigt wurde? Auch da ging es um Verdrängung, auch da waren Jobs betroffen, dort drohte sogar der Verlust von einem Stück Leipziger Identität.
Eine Identität, die im Zweifel nicht über Großkonzerne und Ketten hergestellt wird, sondern über lokale Unternehmen, über eine kleinteilige, einzigartige Struktur.
Der Fall ist auch denkbar schlecht geeignet, um damit „Immobilienspekulanten“ oder „Immobilienhaie“ zu kritisieren oder zu meinen, es handle sich „um den Ausverkauf der Innenstadt“. Das klingt zwar nach Aufregung, geht aber am konkreten Fall vorbei.
Die ebenfalls aufgestellte Forderung, Gewerbemietrecht und Wohnraummietrecht gleichzustellen ist ebenfalls nicht lösungsgeeignet. Während Mietraum schon aus der Logik von Art.13 GG und dem Sozialstaatsprinzip einen besonderen Schutz bedarf, ist das bei Gewerberäumen nicht der Fall.
Die Debatte um Mietsteigerung und Verdrängung in Leipzig muss dringend geführt werden, auch durch die Politik, aber bitte in der Gesamtheit und nicht nur dann wenn es publicity verspricht.
Und auch nicht mit falschen Versprechungen, die Einflussmöglichkeiten suggerieren wo es keine gibt. Denn diese falschen Versprechungen führen im Ergebnis nur zu neuen Enttäuschungen, die eher dem Vertrauensverlust der Menschen in die Parteien Vorschub leisten und damit eher Populisten in die Hände spielen.
Wer außerdem äußert, dass die Entsorgung der Unterschriften ein „respektloser Umgang“ sei, was sie zweifellos ist, auch wenn der Eigentümer sie nicht annehmen muss (s.o.), muss sich an seinen eigenen Worten messen lassen, wenn demnächst eine andere Petition zu einem Thema kommt, das man selber anders sieht.
Der Beitrag erschien am 7. Juni 2018 zuerst auf dem Blog von Jürgen Kasek
Leipziger Karstadt-Filiale soll 2019 ihr eigenes Haus verlassen
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Danke für diese klarstellenden Aussagen, die ich mir bei der Publicity-Hascherei der Leipziger Printmedien sehnlichst gewünscht habe.
Hier handelt es sich um rein privatwirtschaftliches Pokern, bei dem wir vermutlich gar nicht alle Hintergründe kennen.