Mit Akzeptanz von Großprojekten kennt sich Hitschfeld, Büro für strategische Beratung, aus. Mit Studien rund um das Thema beschäftigt man sich dort seit Jahren. Und es deutete sich auch schon im ersten Wettbewerb um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal an, dass dieses UFO gewaltige Akzeptanzprobleme haben könnte. Die haben es zwar 2014 nicht zu Fall gebracht, das haben die großmächtigen Denkmalsexperten ganz allein geschafft. Aber im zweiten Wettbewerbsversuch wird das eine Rolle spielen.
Denn der Stadtrat hat zwar im ersten Wettbewerb die von der Linksfraktion beantragten Bürgerbefragungen immer wieder abgelehnt. Aber wenn es eine Bevölkerungsgruppe gibt, die das Denkmal akzeptieren (und lieben) muss, dann sind es die Leipziger. Sie müssen nämlich damit leben. Auch mit Spott und Hohn, wenn die Sache schiefgeht.
Wie verstiegen die Handvoll Entscheider war, die den Wettbewerb immer wieder versucht haben, in ein Korsett zu pressen und die Richtung vorzugeben, machten zuletzt wieder die großen Reden von der europäischen Bedeutung des Denkmals sichtbar. Je höher man es hebt, umso weniger haben ja die Leipziger damit zu tun.
Umso mehr Eitelkeit kann man hineinpusten. Aber selbst der Bundestag, der die Geldmittel bewilligte, gab sie nur für ein „Denkmal mit nationaler Bedeutung“. Alles andere wäre vermessen – oder ein Glücksfall, wenn man nämlich wirklich einen genialen Künstler mit einer genialen Idee gewinnen kann.
Aber das ist Zukunftsmusik.
Hitschfeld hat, um ĂĽberhaupt erst einmal ein Bild vom gefĂĽhlten Stand der Dinge zu bekommen, im April 508 Leipziger und dazu 525 BĂĽrger aus dem verbleibenden Bundesgebiet befragt. Auch so eine elementare Frage wie: Welche Bedeutung hat eigentlich die Stadt Leipzig in der Friedlichen Revolution gehabt?
Immerhin 58 Prozent der Befragten wussten, dass Leipzig wohl eine recht groĂźe Bedeutung gehabt haben muss. In Leipzig wissen es sogar 88 Prozent. Wobei man durchaus am Bildungsstand der 48 Leipziger zweifeln darf, die das nicht wissen. Waren die 1989 alle im Urlaub? Oder sind das Absolventen des heutigen Schulsystems, wo man es selten bis nie bis zum Ende der DDR schafft?
Dass Leipzig auch ein Freiheitsdenkmal bekommen soll, wissen bundesweit nur 17 Prozent der Befragten. Was ja beruhigen kann. Da konzentriert sich das Denkmaltheater eben auf Berlin mit seiner Wippe und Leipzig kann sein Denkmal in aller Ruhe reifen lassen.
Immerhin 57 Prozent der Leipziger wissen, dass es so einen Beschluss gibt.
Eine schöne Nachricht, die auch Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke überraschte: 70 Prozent aller Befragten finden Leipzig als Standort eines Freiheits- und Einheitsdenkmals gut, in den Neuen Bundesländern sind es sogar 81 Prozent, in Leipzig immerhin auch 79 Prozent. Das heißt: Die Denkmalsidee hat eigentlich jede Menge Rückenwind – trotz des vergeigten ersten Wettbewerbs.
Und besonders gut finden die Idee die jungen Leute von 18 bis 29 Jahren. Nur die Senioren sind deutlich zurĂĽckhaltender.
Und die nächsten Fragen haben dann doch für einen ordentlichen Aha-Efekt nicht nur bei der Stiftung Friedliche Revolution gesorgt, die jetzt einen neuen Verfahrensvorschlag für den Denkmalswettbewerb vorlegen soll, sondern auch bei der Kulturbürgermeisterin.
74 Prozent aller Befragen finden es entscheidend, dass die Leipziger Bürgerinnen und Bürger mitreden und mitentscheiden können. In Leipzig beträgt dieser Anteil sogar 85 Prozent.
Und noch schöner ist die Aussage: „Ein solches Denkmal sollte es nur geben, wenn es der überwiegende Teil der Bevölkerung auch will.“ Dem stimmten 75 Prozent der befragten Leipziger zu.
Und 76 Prozent der Leipziger stimmen auch der Aussage zu, dass so ein Denkmal künftigen Generationen einen Anstoß geben kann (oder sollte), „sich für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte“ einzusetzen. Es soll also nicht den Herbst 1989 verklären, sondern eine Wegweisung in die Zukunft sein.
Das Thema „Freiheit – Einheit – Demokratie“ ist abstrakt. Das geben auch die Veranstalter zu. Aber immerhin 76 Prozent der befragten Leipziger finden es gut, wenn ein konkreter Ort an diese Werte erinnert.
Und ist Leipzig nun der ideale Ort für so ein Denkmal? Ja, sagen 60 Prozent aller Befragten. Unter den Leipzigern sagten sogar 80 Prozent „Ja“.
Und ein paar kritische Fragen gab es auch. Kritische Fragen zeigen meist, wie wenig informiert die Befragten wirklich sind. Man entscheidet halt aus dem Bauch heraus. 48 Prozent der Befragten meinen, fĂĽr das Denkmal sollte kein Steuergeld ausgegeben werden. Aber das vom Bund bereitgestellte Geld ist nun einmal Steuergeld.
48 Prozent der Leipziger fanden auch, dass Städte wie Leipzig dringendere Aufgaben haben, als sich jetzt um so ein Denkmal zu kümmern. Was sagt einem das in der Summe? Der zweite Denkmalswettbewerb hat bis jetzt jede Menge Rückenwind. Wenn er transparent gemacht wird und die Bürger wirklich einbezieht in alle vier Beteiligungsphasen, dann kann er ein Erfolg werden.
Michael Kölsch: „Es gibt keinen Grund, das Projekt nicht anzupacken!“
Die Pressekonferenz vom 26. Juni 2018 in voller Länge. Quelle: L-IZ.de
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