Noch ist es nicht so weit. Noch hat Leipzig kein richtiges Starkregen-Management. Starkregen, das sind diese immer öfter zu erlebenden Regenereignisse, bei denen binnen weniger Stunden 15 bis 30 Liter Wasser je Quadratmeter herunterkommen und sich Straßen und Plätze in reißende Flüsse verwandeln. Das sind Wassermengen, die auch die beste Kanalisation nicht aufnehmen kann. Seit 2017 nimmt die Stadt das Thema ernst, auch wenn erst 2019 erste Ergebnisse vorliegen werden.
2017 war ein Jahr mit vielen medienwirksamen Starkregenereignissen in ganz Deutschland. Weil auch mehrmals Berlin betroffen war, ist das Thema jetzt auch im Bewusstsein der großen Städte angekommen. Denn dann spielen nicht – wie bei klassischen Überschwemmungskatastrophen – Flüsse und Bäche die Hauptrolle. Dann sorgt eine einzige Regenzelle dafür, dass sich gewaltige Wassermassen über einem kleinen Gebiet abregnen. Dagegen kann man keine Stadt schützen. Man kann nur dafür sorgen, dass Städte wie Leipzig für so einen Fall bestmöglich gewappnet sind.
Das ist Thema des 2017 gestarteten Projekts „KAWI-L – Kommunale Anpassungsstrategie für wassersensible Infrastrukturen in Leipzig“.
Seit Januar 2017 läuft die erste Projektphase. Sie beschäftigt sich mit der Datenerhebung und Erfassung kritischer Infrastrukturen. So erfasst die Projektgruppe hydraulische Problembereiche in der Stadt, prüft Überflutungsauswirkungen auf kritische Infrastrukturen wie z. B. Krankenhäuser oder Kindergärten und erstellt eine hydraulische Simulation des Kanalnetzes. Daraus sollen in der Folge Vorsorgemaßnahmen und ein Risikomanagement abgeleitet werden.
Konkrete Ergebnisse werden voraussichtlich Mitte 2019, nach Auswertung aller Daten vorliegen.
Im Projekt KAWI-L arbeiten das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA), das Amt für Umweltschutz sowie die Wasserwerke unter wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) seit Anfang 2017 gemeinsam an ganzheitlichen Ansätzen für den Umgang mit extremen Niederschlägen.
Untersucht und berechnet werden Fließwege von Wasser im Stadtgebiet, verschiedene Regenszenarien mit variierenden Regenmengen und -zeiten oder das Ablaufverhalten über die Kanalisation. Auch Erfahrungen aus früheren Regenereignissen sowie Ergebnisse einer aktuellen Befliegung hinsichtlich der Versiegelung von Flächen sowie andere relevante Parameter fließen in die Betrachtungen mit ein.
Und wenn die Arbeitsgruppe ihre Arbeit ernst nimmt, wird ab 2019 das Thema Entsiegelung in Leipzig einen neuen Stellenwert bekommen. Denn bislang spielt das kaum eine Rolle. Selbst wertvolle Innenhöfe wurden beräumt und für Autostellplätze zubetoniert. Wenn aber Flächen derart versiegelt sind, kann das Wasser nicht abfließen, es strömt Richtung Straße und Kanal – was aber bei Starkregen nur eine umso schnellere Überflutung von Straßen und Kellern bewirkt.
„Ziel ist es, langfristig ein neues Arbeitsinstrument für die Stadtplanung und -gestaltung sowie für den Kanalbetrieb zu entwickeln“, lässt sich die Leiterin des Amts für Umweltschutz, Angelika Freifrau von Fritsch, zitieren. „Bei der Planung neuer Quartiere oder Erschließungsmaßnahmen berücksichtigt die Stadt Leipzig schon heute Aspekte des naturnahen Regenwassermanagements – zum Beispiel im Rahmen der Gründachstrategie. Auch die Wasserwerke setzen schon heute auf eine intelligente Stauraumbewirtschaftung im Kanal.“
Aber für den Umgang mit zunehmend heftigen und kleinräumigen Regenereignissen stellt die klassische Ableitung über die Kanalisation nicht die alleinige Lösung dar, betont der Technische Geschäftsführer der Wasserwerke, Dr. Ulrich Meyer. Die Leipziger Kanalisation sei wie in der Abwasserbranche üblich für die Ableitung von „normalen“ Regenereignissen ausgelegt, die statistisch etwa alle fünf Jahre auftreten. Verschiedene Stauraumkonzepte helfen beim Zwischenspeichern von Regenwasser im Kanal und der späteren gezielten Ableitung ins Klärwerk.
„Die Kanalisation darüber hinaus aber flächendeckend auf die selten und zumeist lokal begrenzten Starkregen auszulegen, wäre aufgrund des Platzmangels im Untergrund schwer umsetzbar und zudem wirtschaftlich nicht vertretbar. Die Kanäle wären dann für den Normalbetrieb viel zu groß“, sagt er. Daher müsse das Niederschlagswasser mit Hilfe von anderen Maßnahmen bewirtschaftet, das heißt verdunstet, versickert oder gespeichert werden.
In den neuen Gewerbegebieten am Stadtrand sind solche Regensammelbecken schon gebaut worden. Im Stadtgebiet selbst gibt es sie nur selten. Je mehr solcher Zwischenspeicher aber existieren, umso eher können nicht mehr beherrschbare Überschwemmungen wichtiger Infrastrukturen verhindert werden.
Mithilfe von KAWI-L erwarten sich die Projektpartner Erkenntnisse, wo derartige Maßnahmen im Stadtgebiet sinnvoll wären. Mit konkreten planungsrelevanten Ergebnissen rechnet das Projekt bis Mitte 2019, wenn die aufwendigen Berechnungen und Simulationen abgeschlossen sein sollen.
Eine Broschüre für Hausbesitzer
Aber erste Informationen für die Leipziger – insbesondere Hauseigentümer – gibt es jetzt schon.
Hauseigentümer, Planer und Architekten in Leipzig und der Region können sich künftig auf der Webseite www.L.de/starkregen informieren. Und außerdem gibt die kostenfreie Broschüre „Wassersensibel planen und bauen in Leipzig“ wertvolle Tipps zum Schutz des eigenen Grundstücks.
„Die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für die Gefahren durch Starkregen ist ein wesentliches Anliegen des Projekts. Einen hundertprozentigen Schutz vor Unwettern wird es nie geben. Umso wichtiger ist es, Risiken für das eigene Grundstück zu erkennen und so weit möglich Vorsorge zu treffen“, sagt der Leiter des Leipziger Verkehrs- und Tiefbauamtes (VTA), Michael Jana.
Erhältlich ist die Broschüre künftig unter anderem im Technischen Bürgerbüro und im Umweltinformationszentrum im Technischen Rathaus, im Energie- und Umweltzentrum in der Katharinenstraße und als Download auf der Seite www.L.de/starkregen.
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