Das war dann wohl nix, wie das Ordnungsdezernat im März auf den Antrag der Freibeuter-Fraktion reagierte. Man hat es eingesehen. Man kann so einen Antrag nicht einfach abbügeln und so tun, als hätte die kleine Fraktion nur eine spinnerte Idee gehabt, als sie beantragte, die Leipziger Überwachungskameras auch in den digitalen Themenstadtplan der Stadt einzubauen. Das Ordnungsdezernat hat reumütig einen „Alternativvorschlag“ geschrieben.
Denn bei allem fachlichen Geschwurbel konnte das ordentliche Dezernat in seiner März-Stellungnahme nicht begründen, warum die städtischen Überwachungskameras nicht im Themenstadtplan erscheinen sollten. Es gibt keinen Grund dafür. Gerade weil immer mehr Firmen und Behörden immer mehr Kameras in den öffentlichen Raum hängen mit der Begründung, dadurch die Sicherheit der Bürger gewährleisten zu wollen.
Und das in einer Zeit, in der nicht nur Chinas Behörden im öffentlichen Raum aktiv Gesichtserkennungs-Software einsetzen. Dort sind die Bürger schon so überwacht, wie es sich westeuropäische und amerikanische Kontrollfetischisten erst noch wünschen. Auch wenn sie schon lange dabei sind, genau dieselben Überwachungsinstrumente zu nutzen oder auszuprobieren.
Und eines der fetten Tiere aus dem Silicon Valley ist auch hier wieder ganz vorn dabei. Diesmal nicht Facebook, sonder der einstige Bücher-Versand Amazon, der nicht nur seine spionagetaugliche Lautsprecherbox Alexa entwickelt hat, sondern auch eine Gesichtserkennungs-Software, die die Sheriffs in den USA schon dankend nutzen, um Verdächtige zu finden.
Genau das Zeug, das der ausgeschiedene sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) ja schon angekündigt hatte, in Görlitz anwenden zu wollen. Das war noch vor der Bundestagswahl, als der kontrollverliebte Minister meinte, die Görlitzer brauchten ein Zeichen und eine ordentliche Überwachung für die ganzen Leute, die sich da auf dem öffentlichen Platz herumdrückten.
Die Kraftmeierei hat nichts genutzt. Aber wirklich aufgegeben haben die Technikfreaks im sächsischen Innenministerium den Traum von der automatisierten Komplettüberwachung nicht. Also gehören eigentlich auch alle vom Land Sachsen betriebenen Kameras in den Leipziger Themenstadtplan. Man muss ja wissen, wo „Big Brother“ seine Augen hat.
Aber so weit geht das Leipziger Sicherheitsdezernat dann noch nicht. Aber es schlägt zumindest vor: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle Standorte von durch die Kommune unterhaltenen Kameras im öffentlichen Raum zum 1. Januar 2018 in den Themenstadtplan auf www.leipzig.de zu übernehmen.“
Das ist der hübsche Stadtplan auf der Seite der Stadt, der jetzt auf einmal (die DSGVO macht ja auch das Leipziger Rathaus verrückt) die Nutzer erst einmal nötigt, ihr Einverständnis zu geben, dass die Stadt – also eigentlich der Server, auf dem der Themenstadtplan liegt – auf ihrem Computer einen Cookie setzt.
Was ein Cookie ist, erfahren Sie hier.
Ohne Cookies funktioniert das Internet übrigens nicht. Aber diese Einverständniserklärungen tauchen seit zwei Jahren allerorten auf. Die Behörden wussten schon 2016 so ungefähr, wohin sie die DSGVO führen würde. Nur ist diese Abholung von Einverständniserklärungen auch wieder Quatsch. Wer liest denn jedes Mal bei jeder Website die ganzen Geschäftsbedingungen durch? So denken Bürokraten.
Leipzig ist ja ganz frech und verweist beim Themenstadtplan in diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (ALG) dann auf die ALG der Programmierfirma: „Es gelten die Datenschutzbestimmungen (https://www.esri.de/ueber-uns/datenschutz) der Firma ESRI.“ Die sind auch nicht viel besser. Wer nicht technikaffin ist und glaubt, nur das Sammeln von „personenbezogenen Daten (z. B. Namen, Anschriften, Telefonnummern oder E-Mail-Adressen)“ sei das Problem, wird nicht die Bohne klüger. Das Problem ist: Hier schreiben Technikexperten für Bürokratieexperten. Die Fähigkeit, allgemeinverständlich zu sprechen und zu schreiben ist in diesen Hoheitsgebieten sehr selten anzutreffen.
Und damit soll ich mich dann einverstanden erklären?
Extra noch mein „Ja, verstanden“ anklicken?
Nö. Da fehlt mir zu viel. Das ist keine verständliche Datenschutzerklärung. Finde ich. Das sehen vielleicht andere anders. Aber irgendwie gehört das eben auch zum verschwiemelten Verständnis in allen Bereichen, wo es eigentlich um die Selbstbestimmungsräume der Bürger geht.
Und so zeigt sich das Ordnungsdezernat jetzt zumindest bereit, die ganzen Kameras der Stadt und der städtischen Betriebe in den Themenstadtplan aufzunehmen.
„Wie bereits in der Vorlage VI-F-05495 dargelegt wurde, ist aus technischer Sicht eine Veröffentlichung von Fachdaten (hier: Standorte von Überwachungseinrichtungen) im Online-Stadtplan möglich, wenn die entsprechenden Daten zur Verfügung gestellt werden“, gesteht das Dezernat jetzt zu. „Gegen eine Veröffentlichung der geforderten Angaben ist datenschutzrechtlich nichts einzuwenden, soweit es sich um Videoüberwachungsmaßnahmen der Stadt Leipzig handelt. Bereits mit der Beantwortung der Anfrage VI-F-03985 wurden die durch die Stadt Leipzig betriebenen Videokamera-Standorte bekannt gemacht.“
Aber mehr, so meint das Dezernat, sei nicht möglich: „Die Stadt Leipzig ist lediglich für die Veröffentlichung von kommunalen Kamerastandorten zuständig, es wird daher vorgeschlagen, die Veröffentlichung für kommunale Kameras vorzunehmen.“
Und wie ist das mit dem Wunsch, „die horizontale Aufnahmeerrichtung kenntlich zu machen. Sofern die Kamera schwenkbar ist, ist der gesamte mögliche horizontale Aufnahmebereich kenntlich zu machen“?
„Dieser Punkt des Antrages wird abgelehnt, eine technisch sinnvolle Umsetzung ist nicht möglich“, meint das Ordnungsdezernat.
Warum aber nicht einfach Kreise malen, die den von der Kamera erfassten Bereich zeigen? Nur so als Gedanke. Der Punkt wirkt eher wieder wie eine Ausrede.
Und alle anderen Überwacher bleiben erst mal außen vor. „Die Stadt Leipzig ist für die Veröffentlichung von Kamerastandorten des Landes, des Bundes oder von Privatpersonen unzuständig. Die Zulässigkeit der Erhebung beruht hier auf verschiedenen Bundes- und Landesgesetzen, die von Seiten der Stadt Leipzig nicht per Satzung verändert werden kann“ (sic), meint das Ordnungsdezernat.
Augenscheinlich war man an dem Tag, als man das schrieb, mit Singular und Plural etwas auf dem Kriegsfuß. (Passiert uns auch schon mal.) Denn es geht weiter: „Die Forderung einer Veröffentlichung sollte grundsätzlich an denjenigen gerichtet werden, der die Daten erhebt. Denn fachgesetzliche Regelungen erlauben dem jeweiligen Normadressaten zum Teil auch verdeckte Maßnahmen, deren Veröffentlichung dem Einrichtungszweck widersprechen kann.“
Was nicht wirklich so stimmt. Auch die staatlichen Überwacher in Bund und Land müssen sich an Regeln halten. Und wo sie es nicht tun und „verdeckt“ agieren, wird das meistens ein juristisches Problem und die keusche Kamera wird eiligst abgebaut, wenn sie entdeckt wird. Man denke nur an die verdeckte Kameraermittlung gegen wen auch immer in Connewitz.
Wir bekommen mit der Vorlage also eine ganz simples Zugeständnis und zwei nicht wirklich glaubwürdige Ausreden.
Das dürfte auch bei den Freibeutern einige berechtigte Kritik auslösen.
Keine Kommentare bisher