Am Ring-Café sieht man sie baden, vorm Opernhaus ziehen sie die Schuhe aus und watscheln in die Fluten. Und ins kühle Nass bei den Pusteblumen wollen die Kinder auch mal tapsen. Die Leipziger nutzen ihre Springbrunnen nicht nur zum Gucken, wie schön das Wasser hüpft, sie steigen auch gern hinein. Nicht in alle. Aber gewollt ist das irgendwie nicht. Über die Stellungnahme der Stadt zu ihrem Antrag wundert sich Ute Elisabeth Gabelmann noch heute.
Im März hatte sie für die Freibeuter-Fraktion ihren Antrag formuliert: „Die Stadt Leipzig
– prüft ihre Brunnen auf eine mögliche Ausweisung als Badebrunnen auf eigene Gefahr. Hierbei werden eventuelle Kosten für eine Anpassung, Erreichbarkeit durch die Bürger, spätere Wartungskosten sowie ein ggf. vorherrschender Denkmalschutz miteinander abgewogen. Die Ergebnisse werden veröffentlicht sowie den Ausschüssen vorgelegt.
– setzt aus der Auswahl möglicher Brunnen im Jahr 2019 einen Badebrunnen um. Im Jahr 2020 folgen zwei weitere. Bei der Auswahl der umzugestaltenden Brunnen findet eine Beteiligung der Bürger statt.“
Es ist ja nicht so, dass Badebrunnen in Leipzig etwas völlig Neues wären. In den Neubaugebieten der 1950er Jahre waren solche niedrigen Wasserbecken sogar mit eingeplant. Aber irgendwie sind die Vorschriften heute strenger und liebloser. Man traut den Menschen nicht mehr zu, auf sich selbst aufzupassen.
„Leipzigs vielfältige Brunnenlandschaft gehört zum Stadtbild und damit zum öffentlichen Raum. Dieser soll möglichst durch alle Leipziger nutzbar sein“, formulierte die Piraten-Stadträtin im Freibeuter-Antrag. „Seit Jahrzehnten ist ein Leipziger Sommer nicht ohne an und in Brunnen spielende Kinder (und auch Erwachsene) denkbar. Auftretende Risiken wie z. B. gesundheitliche Schäden durch mangelnde Wasserqualität oder Unfälle aufgrund glitschiger Böden, werden sowohl durch die Badenden als auch durch die Stadt in Kauf genommen.
Dennoch weist die Stadt Jahr für Jahr auf das geltende Badeverbot für Brunnen hin, obwohl durch entsprechende Beschilderung dem Haftungsrisiko entgegnet werden kann. Darüber hinaus ist bei der Betrachtung aller Brunnen in Leipzig nicht von der Hand zu weisen, dass der Badespaß nur begrenzt möglich sein kann. Ein Brunnen mit zerbrechlichen historischen Skulpturen ist dabei vermutlich weniger zum Baden geeignet, als eine jüngst installierte Steingruppierung ohne historische Bedeutung.“
Solange das Baden in keinem der Brunnen erlaubt sei, stünden also prinzipiell alle Brunnen gleichermaßen zur Erfrischung (nicht) zur Verfügung. „Es ist anzunehmen, dass eine Ausweisung mehrerer geeigneter Brunnen als solche zusätzlichen Schutz für dafür ungeeignete Brunnen darstellt”, formuliert der Antrag. „Als möglicherweise geeignete Brunnen empfehlen die Antragsteller: Brunnen vor dem Ring-Café, Pusteblumen-Brunnen, Opernbrunnen, Brunnen am Thomaskirchhof.“
Aber Ende April formulierte das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport eine sehr ablehnende Stellungnahme. Die Brunnen sind nicht zum Baden da, kann man herauslesen, nur zur Verschönerung des Stadtbildes.
Im Wortlaut des Umweltdezernats: „Die städtischen Brunnenanlagen im öffentlichen Raum werden nach Planung und Bau durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer vom Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig bewirtschaftet und dadurch deren Funktionsfähigkeit und Verkehrssicherheit gewährleistet. Grundsätzlich werden die Brunnen zur gestalterischen Aufwertung des Stadtbildes und von Aufenthaltsbereichen, jedoch nicht als Erfrischungs- oder gar Badegelegenheiten eingeordnet.
Dabei werden natürlich auch die auf das Mikroklima kühlend und die Geräuschkulisse beruhigend wirkenden (Fließ-) Eigenschaften des Wassers bewußt eingesetzt. Für den Erfrischungs- oder Badebedarf in den warmen Monaten stehen in der Stadt und Umland von Leipzig die zahlreichen städtischen Freibäder aber auch Badeseen zur Verfügung.“
Und dann wird es ganz amtlich.
„Die Ausweisung der Nutzbarkeit der Brunnenanlagen auf eigene Gefahr oder schon die Duldung des Badens in Brunnenanlagen erweckt den Rechtsschein, dass diese für eine solche Inanspruchnahme durch die Stadt zur Verfügung gestellt und damit deren entsprechend notwendigen Eigenschaften gewährleistet werden. Dies widerspricht dem vorgenannten Errichtungsansinnen und –zwecken“, betont die Verwaltung und macht dann aus der Idee eines Badebrunnens gleich mal so eine Art öffentlich bewirtschaftete Badeanstalt:
„Neben fehlendem Aufsichtspersonal, welches bei Naturbadeseen verzichtbar ist, der Denkmaleigenschaft vieler Brunnen und nicht gegebener baulicher Eigenschaften wie rutschfesten Beckenauskleidungen, Ausschluß scharfer Kanten und Wasserdüsen weicht auch die Wasserqualität von den für Badenutzung einschlägigen Hygienevorschriften ab.“
Das gern benutzte „ß“ spricht, wie man sieht, für amtliche Bodenständigkeit. Oder mit den Worten von Ute Elisabeth Gabelmann: „Das haben wir schon immer so gemacht!“
Die technischen Anforderungen gibt es dann noch extra: „Für Brunnenanlagen erforderliche Zusätze gegen Verkalkung, zur Aufrechterhaltung des gewünschten ph-Wertes und der Betrieb als Wasserumlaufanlage ohne überwiegende Frischwasserzufuhr, schließen eine Badenutzung ebenfalls aus.“
Woraus folgt: „Da das Betreten oder Baden regelmäßig mit der Verunreinigung der Brunnenanlagen verbunden ist, wird dies in § 4 Abs. 3 der Polizeiverordnung der Stadt Leipzig untersagt. Die Sachbeschädigung durch unangemessenen Gebrauch beim Betreten wäre durchaus auch im Bereich des Möglichen und daher zu vermeiden. Daher wird eine Ausweisung der städtischen Brunnenanlagen als Badebrunnen nicht empfohlen.“
Aber „Baden Verboten!“-Schilder tauchen auch keine auf. Und der Stadtordnungsdienst würde sich nicht wirklich beliebt machen, wenn er anfinge, Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern Ordnungsstrafen aufzubrummen, weil sie barfuß in einige der Brunnen steigen.
Und so kommt man zum Beschluss: „Mit den vorhandenen Brunnenanlagen ist entsprechend o.a. Prämissen keine Badenutzung realisierbar.“
Nein, beschlossen ist es noch nicht. Am 15. Mai wird der Fachausschuss Umwelt und Ordnung über den Antrag beraten, wenig später ist auch noch der Fachausschuss Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule dran, bevor der Freibeuter-Antrag im Juni zum Beschluss in die Ratsversammlung kommt.
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Es gibt 2 Kommentare
Na eigentlich, will ja in den Brunnen keiner ‘baden’.
Und das ‘Begehen auf eigene Gefahr’ gibt es ja wohl auch für Wege, z.B. mit dem Hinweis ‘Kein Winterdienst’, rechtswirksam..
Irgendwie kann ich hier den Ämterstandtpunkt sogar verstehen. Selbst wenn man des schreibt “auf eigene Gefahr” wird im Falle eines Unfalls trotzdem auf Schadenersatz geklagt, was das Zeug hält. Das diese Leute damit allen anderen das Leben schwer machen, ist ihnen Wurst.
Aber die Stadt kann dieses Risiko nicht eingehen und deshalb sind solche eigentlich einfachen und wünschenswerten Lösungen heute kaum noch möglich.