Herr S. hat augenscheinlich nicht viel Ahnung von Leipzigs Kommunalpolitik. Forsch setzte er sich hin und schrieb eine Petition an den Stadtrat. Motto: „Überprüfung von Bürgermeistern und Stadtratsmitgliedern auf frühere Stasi-Mitarbeit“. Wo hat der Mann eigentlich die letzten 30 Jahre verbracht? - So formuliert es das Verwaltungsdezernat natürlich nicht, sondern so: „Die Petition ist gegenstandslos, da bereits entsprechend verfahren wird.“

Aber Herr S’s Petition erzählt natürlich davon, wie sehr augenscheinlich vielen Bürgern noch immer das simpelste Grundwissen über Lokalpolitik fehlt. Sie informieren sich nicht wirklich darüber, lassen sich von diversen Medien unterrichten, die seltsamste Vorstellungen vom Funktionieren von Politik vermitteln, und preschen dann mit Forderungen vor, die längst übliche Praxis sind.

Die Petition erzählt auch davon, warum so viele Sachsen derzeit die politischen Lösungen bei einer Partei suchen, die noch nicht wirklich durch Kompetenz aufgefallen ist. Das, was tatsächlich passiert und was an demokratischen Spielregeln längst ausgehandelt ist, ist ihnen völliges Neuland. Sie haben sich nie wirklich dafür interessiert.

So klingt denn auch Herrn S’s Petition: „Für Bürgermeister und Ratsmitglieder ist eine standardisierte Überprüfung auf IM Tätigkeit oder sonstigen Tätigkeit beim MfS der ehemaligen DDR durchzuführen und deren Folgen und Bewertung in einem durch die Ratsversammlung gebildetes Vertrauensgremium zu beraten.“

Natürlich schlägt das Verwaltungsdezernat vor, diese Petition abzulehnen.

Und damit der Petent weiß, was tatsächlich seit 1990 geschieht und die Norm ist und 2007 noch einmal in einen Beschluss des Stadtrats gefasst wurde, erklärt es das Dezernat noch einmal: „In der Stadt Leipzig erfolgt die Überprüfung kommunaler Bediensteter und Mandatsträger/-innen auf eine frühere Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR auf Grundlage des Ratsbeschlusses vom 18. Juli 2007 (RBIV-925/07). Mit diesem Beschluss wurden der zu überprüfende Personenkreis, das Überprüfungsverfahren sowie Bildung und Aufgaben eines Bewertungsausschusses festgelegt. Der Bewertungsausschuss ist gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 12 der Hauptsatzung als ständiger beratender Ausschuss des Stadtrates gebildet. Aus Anlass einer Petition hat der Stadtrat mit Beschluss vom 8. Juli 2015 über die Fortführung des Überprüfungsverfahrens in der bis dahin bestehenden Form entschieden (VI-P-01231-VSP-001).

Überprüft werden demnach die Mitglieder des Stadtrates und die leitenden Bediensteten im Sinne der Hauptsatzung, zu denen u. a. die kommunalen Wahlbeamtinnen und -beamten gehören. Gemäß Stasi-Unterlagen-Gesetz ist die Überprüfung auf Personen beschränkt, die vor dem 16. Januar 1972 geboren sind; nach dem 31. Dezember 2019 ist generell keine Überprüfung mehr zulässig.“

Und wie läuft das genaue Verfahren ab?

„In Umsetzung dieses Beschlusses werden Personen, die als leitende Bedienstete eingestellt werden sollen, und die Mitglieder des Stadtrates jeweils bei Amtsantritt zur Abgabe einer Erklärung über eine frühere Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst aufgefordert. Auf dieser Grundlage beantragt der Oberbürgermeister die Auskünfte beim Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen. Der Bewertungsausschuss berät und unterstützt Stadtrat und Verwaltung bei der Bewertung evtl. eingehender belastender Auskünfte und gibt Empfehlungen zum weiteren Umgang.

Die Stadt Leipzig hat insofern bereits ein Verfahren installiert, das das mit der Petition verfolgte Anliegen umsetzt.“

Audio – Der Stadtrat tagte: Stasiausschuss und ein bisschen Ost-West-Schlägerei

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Es gibt 5 Kommentare

Nicht dafür 😉 Alle wissen, dass es ein heikles Thema bleibt und schnell auch zu Verletztheiten führen kann. Zumal bei jenen, also uns, die aus einem Land kommen, was nun zum Glück nicht mehr ist 😉

@ Herr Freitag

Ja, “was Ellen schreibt” mag seine Berechtigung haben, damit habe ich gar kein Problem.
Das war hier allerdings nicht das Thema, zumindest nicht das vordergründige Thema.

Womit ich ein Problem habe ist, wenn ich mir von Menschen, egal ob sie zu “DDR-Zeiten” Schulleiterin waren oder an der Universität gespitzelt haben, sagen lassen soll, wie “Demokratie” auszusehen hat.

Ich behaupte mal, dass man, zum Beispiel als Schulleiterin im DDR-Bildungswesen, wenig zur demokratischen und vielfältigen Meinungsbildung von Kindern und Jugendlichen beigetragen hat!
Zumindest war das in meiner Schule so.

Ich finde es daher abstoßend und gerade zu widerwärtig, wie solche Bürgerinnen heutzutage auftreten – und ja, auch dann immer noch, wenn mittlerweile 27 – 28 Jahre vergangen sind!

Ich habe selbst erlebt, was die Stasi alles mit einem veranstalten konnte, aber darauf will ich gar nicht näher eingehen.

Genau deshalb bin ich nämlich, nach wie vor der Überzeugung, dass gerade diese Probleme (welche auch Ellen beschrieben hat – und dort passte es dann) am ehesten von glaubwürdigen Personen in der Öffentlichkeit dargestellt werden sollten, um Bürgerinnen und Bürger für dieses Thema zu interessieren und zu sensibilisieren.

Wer aber in seinem Leben (und ich rede hier nicht von “Jugendsünden”) ganz aktiv “gespitzelt” hat oder in seinem Beruf seinen Einfluss entsprechend geltend gemacht hat, dem kann ich weder glauben noch zutrauen, dass sie oder er ein(e) ehrliche(r) Vertreter(in) solcher Bürgerinteressen ist!

Zum ersten Abschnitt – ich kann verstehen, was Sie meinen und teilweise sehe ich das ähnlich.

Das ist aber meine Wahrnehmung als Privatperson, welche man sich dann auch so leisten kann.
Als “Zeitung” sollte man aber anders vorgehen, alles andere kommt sehr herablassend und besserwisserisch rüber.
Aber auch das ist nur meine ganz persönliche Wahrnehmung, welche sicher kein Maßstab ist.

Ich danke trotzdem für Ihr Verständnis!

Wenn es so rüberkommt, dass hier aus (nicht vorhandener) Allwissenheit die “Keine-Ahnung-Keule” geschwungen würde, dann wäre das schade. Gemeint ist eher etwas, was auch ich schon sehr oft erfahren musste und hier im Text wiederentdecke: Bürger, die sich offenkundig einfach nicht informieren wollen und oft genug im Netz herumtröten, wie richtig es doch sei, keine „Mainstreammedien“ oder gar nichts mehr zu lesen/wahrzunehmen.

Beispiel (selbst erlebt): Asylveranstaltung wegen einer neuen Unterkunft 2016. Zum Beginn der Veranstaltung großer Protest aus dem Publikum, über das Vorhaben und auch den Termin der Veranstaltung dazu nicht informiert worden zu sein – Sauerei, Bla.

Schnell stellt sich dann leider heraus, dass der Termin nicht nur mehrfachst in der Leipziger Presse rotierte und durch die Stadtverwaltung zudem auch noch Flugblätter in die Briefkästen des Viertels verteilt wurden, sondern eben auch, dass die Protestierenden von all dem einfach nichts mitbekommen hatten (die Nachbarn hätten Bescheid gegeben …).

Was ich damit sagen möchte: Es gibt einfach (leider nicht wenige) Menschen, die der Meinung sind, dass sie eigentlich alles nichts angeht, praktisch in einer eigenen, parallelen Welt mit „alternativen Infos“ oder gar keinen Infos leben und sich dann barbarisch erregen, warum sie selbst so unwissend sind … Schuld an den fehlenden Kenntnissen über aktuelle Entwicklungen, gesellschaftlichen Fragen usw. sind dann immer andere (der Staat, die Medien, die Ausländer, die Nachbarn usw.).

Deshalb noch kurz zu unserem Petitenten hier. Es ist vollkommen legitim, Sachen zu fordern, die es schon seit Jahren gibt (er hätte ja auch fragen, googeln können?). Es ist auch legitim, eine Debatte (um die Stasivergangenheit so mancher Ostdeutscher) auch nach 28 Jahren noch immer weiter zu führen, auch wenn vor allem führende MfS-Mitarbeiter heute sicher das Rentenalter oder längst eine hohe Besoldungsstufe in anderen Geheimdiensten erreicht haben. Vor allem weil man damals wie heute die Kleinen „hängte“ und die wirklich Großen/Verantwortlichen allzuoft laufen ließ, habe ich eh so meine Probleme mit dieser Art des Umgangs mit dem Thema MfS.

Alles in allem ist es auch aus meiner Sicht legitim, wenn man ab und zu mal fragt, was eigentlich mit Menschen los ist, die sich bei dem Ansinnen eine Petition zu starten, nicht wenigstens dann in der örtlichen Presse belesen? Ja, ich bin sogar ein wenig angefasst davon, weil es von so wenig Ernsthaftigkeit in der Sache zeugt, dass man auch die Frage stellen könnte, wie dieser Mensch sich sonst so generell „auf dem Laufenden hält“?

Und ohne unsere Rolle als Zeitung hier überbewerten zu wollen, sei dennoch die Frage erlaubt: Wenn ihn dieses Thema wirklich interessiert, warum hat er sich nicht informiert?

Ich habe den Link auch mal hier unterm Artikel nachgereicht, immerhin habe ich auch noch selbst damals darüber berichtet. https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2015/07/der-stadtrat-tagte-stasiausschuss-und-ein-bisschen-ost-west-schlaegerei-98165

PS.: Was Ellen schreibt, kommt zu allem Übel auch noch dazu. Der Ungeist der Überwachung unbescholtener Bürger ist lange noch nicht besiegt und leider schon sehr, sehr alt in Deutschland.

Sicher kann man auch 29 Jahre nach der Wende noch mal schauen, welche Vorstellungen von Welt ein damals Jugendlicher hatte und mit welchen auch falschen Mitteln er dafür eingetreten ist. Davon abgesehen, dass eine alleinige Beschäftigung mit ehemaligen DDR-Bürgern mir sehr einseitig erscheint, was bringt das für die Gegenwart?

Also, ich persönlich fühle mich von der in Bayern für dieses Jahr geplanten Verschärfung des Polizeigesetzes in meiner Freiheit bedroht, da die CSU und Teile der CDU nach dem ‘Probelauf’, diese ja sicher für ganz Deutschland einführen wollen. Und regierende SPD-Landesinnenminister in diesem Zusammenhang schon mal für inkompetent erklärt. (Ich befürchte, der SPD-Bundesfinanzminister wird das ähnlich sehen.)

Und wenn die Polizei ermächtigt wird, nur auf Verdacht, also der individuellen Wahrnehmung eines einzelnen Polizei-Beamten, nach Haarfarbe, Nationalität oder einfach eines finsteren Blickes wegen, einem Menschen seine Freiheit zu nehmen.. dann braucht es auch keine extra Geheimdienstinformanten und -mitarbeiter mehr. Judikative und Exekutive zusammengeführt, nannte sich mal Geheime Staatspolizei, wenn man wirklich aus der Geschichte etwas lernen will..

Und wer heute noch engagiert für etwas eintritt, den kann man besser nach dem bewerten, was er heute sagt und tut und welche Absichten er damit verfolgt, gemessen an der Wirkung für andere.

Aber, wie auch gern gefordert, nach allen Seiten schauen. Ansonsten entsteht der Eindruck hier geht es nicht um Aufklärung von Hintergründen, um unsere Gegenwart menschenfreundlicher zu gestalten, sondern es soll pauschal parteipolitisches Gezänk gegen alles was ‘irgendwie links’ ist, angeheizt werden.

Eine lebenswerte Zukunft lässt sich aber nicht durch Eskalation und daraus folgender Zerstörung herbeiführen. Ein Zusammengehen fortschrittlicher, der Zukunft zugewandter Kräfte für eine menschliche Demokratie ist die wirklich wichtige Aufgabe unserer Zeit.

Jawohl, “….. augenscheinlich nicht viel Ahnung …..” – alles geklärt!

Ach muss das toll sein, wenn man immer so viel mehr und fast alles besser weiß, als andere Menschen – echt beneidenswert!

Im konkreten Fall sind die Fakten tatsächlich eindeutig.
Aber muss denn immer gleich diese herablassende “Keine-Ahnung-Keule” geschwungen werden!?

Vielleicht ist “Herr S.” ja auch einfach nur einem Irrtum oder seiner Wahrnehmung aufgesessen.

Denn es soll doch schon Fälle gegeben haben, in welchem der einen oder dem anderen Stadtrat(-rätin) oder sogar Landtagsabgeordneten eine “Stasi-Tätigkeit” oder “Stasi-Beziehungen” nachgewiesen wurde und er oder sie, trotzdem ganz einfach sein/ihr Mandat behalten hat.

Erstaunlicherweise sind das sehr oft Damen und Herren, die nun heute gern als “Gralshüter der Demokratie” auftreten.

Aber vielleicht bin ich da auch wieder nur solch schlimmen Fake-News aufgesessen, welche es ja überall (also in den anderen Medien!) gibt – wer weiß das schon!

Möglicherweise kann mir ja geholfen werden, um meine Unwissenheit wenigstens ein wenig zu beseitigen!?

Stimmt es, dass Herr Dr. Volker Külow (Die Linke), der 2004 bis 2009 Stadtrat und 2004 bis 2014 Landtagsabgeordneter war, als “Stasi-IM” geführt wurde?
…. und das ist nur ein Beispiel, man könnte tatsächlich weiter machen, mit “Stasi-Nähe”!

Der Eindruck, es gäbe gar keinen “Bewertungsausschuss” in den Parlamenten, ist für mich, unter diesen Bedingungen, sogar nachvollziehbar (auch wenn ich weiß, dass dem nicht so ist).

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