Eine Milliarde klingt immer gut. 700 Millionen Euro hatte Leipzig im Jahr 2017 in den Investitionsplänen stehen, 2018 sollen es erstmals fast 1 Milliarde Euro sein – 996 Millionen Euro nach einer ersten Rechnung, die OBM Burkhard Jung am Dienstag, 6. März, beim Pressetermin in der „Hacienda Las Casas“ im Zoo aufmachte. Davon allein 296 Millionen Euro in Hoheit der Stadt. Das sei selbst unter deutschen Großstädten eine Ausnahmesituation.
Aber der Rekord ist nicht unbedingt ein städtischer. Denn 700 Millionen Euro aus diesem Investitionspaket stammen allein aus den Investitionen der Kommunalunternehmen – allen voran Wasserwerke und Stadtwerke, die vor allem in Versorgungsstrukturen investieren. Und das in großen Teilen auf Kredit. Auch das ist verdient. Denn durch die Konsolidierung der LVV ist sie zu einem Unternehmen geworden, das bei den Banken auf offene Türen stößt. Dazu kommt das Wachstum der Stadt – das bedeutet: mehr Kunden, mehr Wasser- und mehr Fernwärmeanschlüsse. Und natürlich auch mehr Abwasser.
Die Wasserwerke stecken zum Beispiel allein 67 Millionen Euro in ihre Abwasserkanäle. Da ist das Riesenprojekt Klärwerk Rosental, das für 700.000 Leipziger Einwohner ausgebaut werden soll, noch gar nicht dabei.
Die Stadtwerke stecken wieder viel Geld in die Energiewende – allein 62 Millionen Euro, in denen auch neue Blockheizkraftwerke stecken.
Und die LVB wollen allein 62 Millionen Euro ausgeben. Die Hälfte davon für neue Straßenbahnen vom Typ Solaris XL, von denen so um die zehn in diesem Jahr in Leipzig eintreffen sollen. Eine Qualitätsverbesserung, die die Leipziger dann wohl auch zu sehen bekämen, meinte Jung.
Aber die Investitionsprojekte der Stadtholding streifte er eigentlich nur.
Im Zentrum stand für ihn eigentlich der Etat, den Leipzig selbst ausgeben kann. Und mit 296 Millionen Euro ist das auf dem Papier eine (für Leipzig) stattliche Summe. Diese Gelder hatte auch Jung in seiner bisherigen Amtszeit nie zur Verfügung. Dass er sie hat, hat mehrere Gründe – zum einen die gestiegenen Steuereinnahmen sowohl bei Gewerbe- als auch bei Einkommenssteuer. Dazu kam eine deutlich opulentere Förderung durch das Land Sachsen. Sachsens Kommunen haben sehr wohl gemerkt, dass seit 2014 die SPD im Land mitregiert und gerade bei der Investitionsförderung hilfreiche Programme angestoßen hat.
Das hilft Leipzig beim Straßen- und Brückenbau genauso wie beim Schul- und Kita-Bau. Ohne Fördermittel wäre überall nur die Hälfte möglich.
Allein das Schul- und Kita-Bau-Programm umfasst 2018 die Summe von 130 Millionen Euro. Darin stecken die neue Grundschule in der Jablonowski-/Brüderstraße, aber auch die grundsanierte Oberschule in der Ratzelstraße. Und es stecken die 2017 schnell noch beschlossenen 12 zusätzlichen Kitas drin.
Schulen und Kitas sind – so Jung – 2018 ganz zwangsläufig der Investitionsschwerpunkt. Stichwort: Schulpflicht. Leipzig steht als Schulträger in der Pflicht, die nötigen Schulgebäude zur Verfügung zu stellen für die wachsende Kinderzahl. Und die Zahl steht im Raum: 80 neue Schulen braucht Leipzig bis 2030. Das heißt: Jedes Jahr müssen zwei neue gebaut werden, etliche alte wieder ans Netz gehen und andere Schulen mit Anbauten erweitert werden.
Da sei man, was die Beschleunigung all dieser Planungen betrifft, mit der extra gegründeten Task Force schon ein erhebliches Stück weitergekommen. Aber an den elend langen Plan- und Antragsvorläufen in Deutschland kann auch Leipzig nichts ändern. Vom Baubeschluss bis zur Fördergeldfreigabe und dem Baubeginn vergehen in der Regel drei Jahre. „Dann noch zwei Jahre Bauzeit und wir sind bei fünf Jahren, die ein ganz normales Schulprojekt dauert“, sagt Jung.
Und selten liefe alles glatt. Oft lösen sich Fördertöpfe in Luft auf, stellt der Fördermittelgeber neue Bedingungen, muss alles völlig neu geschnürt werden wie beim Schulcampus an der Ihmelsstraße. Da ist der Ärger mit Grundstücken und Ausschreibungen noch gar nicht dabei. Denn wenn eine Stadt wie Leipzig Aufträge im Wert von 1 Milliarde Euro ausreicht, bedeutet das eben nicht nur ein riesiges Beschäftigungsprogramm für Bau- und Handwerksbetriebe in der Region und mittlerweile im Umkreis von 100 Kilometern bis Dresden und Erfurt. Es bedeutet auch, dass die Baufirmen ihre Auftragsbücher schon früh im Jahr voll haben und gar keine freien Kapazitäten mehr für zusätzliche Aufträge.
Nicht mal aus Polen, Tschechien oder Italien gebe es Bewerbungen. Die gesamte Baubranche in Europa sei derzeit augenscheinlich mit Infrastrukturaufträgen eingedeckt, so Jung.
Da kann passieren, was auch in den Vorjahren schon zu einem Leipziger Problem wurde: Genehmigte und durchfinanzierte Projekte können nicht ausgeführt werden. Millionengelder bleiben auf dem Konto liegen als Haushaltsausgabenrest, weil sie zweckgebunden eingestellt wurden. Und der Berg von „Ausgabenresten“ rutscht dann ins nächste Jahr, wo Leipzig erneut versuchen muss, seine dringendsten Bauaufträge unterzukriegen.
Und mit Blick auf die 38 Millionen Euro für Straßen- und Brückenbau sagt Burkhard Jung: „Das ist absolute Unterkante.“ Da ist nur das Allerdringendste bedacht. Und die richtigen Investitionsklopper, die riesige Millionensummen binden werden, kommen erst – wenn man an die Georg-Schwarz-Brücken denkt.
Diese Summe muss also in den nächsten Jahren deutlich steigen. Die für Schul- und Kitabau darf aber nicht sinken. Im Gegenteil: „Bis 2030 müssen wir dafür jedes Jahr 130 bis 150 Millionen Euro in die Hand nehmen“, sagt Jung.
Er muss also darauf hoffen, dass die Leipziger Steuereinnahmen weiter steigen und der Freistaat die Kommunen dauerhaft besser mit Investitionsgeld ausstattet. Und zwar nicht in den alten, bürokratischen Förderverfahren. „Wir brauchen deutlich mehr Investitionspauschalen, damit wir auch freier agieren können“, so Jung.
Leipzig kann zwar deutlich mehr Geld ausgeben als viele andere deutsche Städte. Aber es ist auch verdammt spät in seine Investitionsoffensive gestartet – jetzt in einer Zeit, in der auch die Privatwirtschaft gewaltige Baukapazitäten bindet. Man denke nur an den Wohnungsbau – der trotzdem nicht ausreicht. Da kann man gespannt sein, ob die Stadt ihre geplanten 296 Millionen Euro tatsächlich verbauen kann, oder ob wieder ein Riesenberg an verplanten Geldern ins nächste Jahr verschoben werden muss.
Dr. Jörg Junhold, der am Dienstag Gastgeber dieser kleinen Geld-ausgebe-Pressekonferenz war, hat da eher gut lachen. An seinem 5,7 Millionen Euro teuren „Südamerika 1“ wird schon längst gebaut und der Eröffnungstermin im Mai steht fest. Und das nächste Projekt – der Umbau des Aquariums für 6 Millionen Euro – beginnt erst am Jahresende, wenn die Saison vorbei ist.
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