Als hätte es sie nicht gegeben. Man hat nichts von ihr gehört. Aber ganz still hat sie seit 2014 vor sich hingearbeitet, die Arbeitsgruppe „Verwahrloste Immobilien“. Und am Donnerstag, 15. Februar, hat sie ihre Arbeitsergebnisse vorgestellt. Denn seit 2014 arbeitet diese Gruppe im Rathaus daran, Häuser vor ihrem Abriss zu retten. Was nicht immer gelingt.

So wie beim „Fröhlichen Zecher“ in der Georg-Schumann-Straße 84, der 2016 abgerissen werden musste, weil die Standfestigkeit nicht mehr gegeben war. Es war eins von 57 Gebäuden, derer sich die Arbeitsgruppe seit ihrer Gründung angenommen hat. Etliche der Gebäude stammten noch aus der Arbeitsgruppe Gebäudesanierung, die bis 2014 existierte und sich seit Ende der 1990er Jahre um die Rettung von Leipzigs alten Häusern bemüht hatte. Unter anderem mit dem legendären Gebäudesicherungsprogramm. Leipzig hatte einen enormen Leerstand. Viele Hausbesitzer sahen keinen Sinn darin, ihre Häuser zu sanieren und die Wohnungen dann vielleicht nicht vermieten zu können. Da war das Notsicherungsprogramm der Stadt für viele Häuser die letzte Rettung – Türen, Fenster und Dächer wurden dicht gemacht. Für bessere Zeiten.

Die 2014 längst gekommen waren. Die Stadt musste nicht wirklich mehr um hunderte markante Häuser kämpfen. Es wurde saniert und wieder marktfähig gemacht.

Aber nicht alles. Die guten Zeiten zeigten, wo es tatsächlich echte Probleme mit den Hausbesitzern gab. Denn dass danach noch Häuser zusammenstürzten und abgerissen werden mussten, hat mit den Besitzern zu tun – die oft nicht konnten, oft nicht wollten.

„Die Problemlagen, mit denen es die Arbeitsgruppe zu tun hat, sind sehr vielschichtig“, versucht das Dezernat Stadtentwicklung und Bau die Problemfälle aufzudröseln. „Vielfach geht es um Gebäude, die zu Spekulationszwecken erworben worden sind, um handlungsunwillige und nicht verkaufsbereite Eigentümer, um ungeklärte Eigentumsverhältnisse und um nicht handlungsfähige Eigentümergemeinschaften. Oder die Eigentümer leben im Ausland und können sich aufgrund von Sprach- und Verständnisbarrieren nicht ausreichend um ihr Objekt kümmern, was oft mit unsicheren Finanzierungsmöglichkeiten verbunden ist.“

2014 einsturzbedroht - inzwischen saniert: Eisenbahnstraße 43. Foto: Ralf Julke
2014 einsturzbedroht – inzwischen saniert: Eisenbahnstraße 43. Foto: Ralf Julke

Die 2014 gegründete AG versucht eine Lücke zu füllen, die die Vorgänger-AG nicht füllen konnte: Sie setzt sich aus verschiedenen Ämtern zusammen (Bauordnung und Denkmalpflege, ASW, Stadtplanung, Liegenschaftsamt, Amt für Umweltschutz, Rechtsamt, Ordnungsamt usw.) und bündelt Kompetenzen. Denn um die gefährdeten Häuser zu retten, braucht man Kontakt zum richtigen Besitzer, muss mit ihm über Sanierung und Fördermöglichkeiten reden und ihn dazu bringen, zu handeln. Damit das Haus eben nicht auf den Bürgersteig stürzt.

Und wenn es der Verkauf ist an einen Immobilienentwickler, der das Haus dann in seine Pläne mit aufnimmt.

Aber oft ist schon die Suche nach dem richtigen Besitzer ein Marathon, berichtete am Donnerstag, 15. Februar, Jana Naerlich vom ASW. Und selbst wenn man ihn gefunden hat, heißt das noch nicht, dass man ihn mit intensiver Beratung zu einer Lösung bringt. Oft hilft dann erst, wenn die Stadt – im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten – Druck aufbaut: die Sicherheit ins Spiel bringt, den Denkmalschutz, die Umweltauflagen. Besitz verpflichtet tatsächlich. Und den Kommunen ist zumindest das Mittel gegeben, mit rechtlichen Anordnungen Druck aufzubauen.

„Eigentümer, die bisher nichts an den Objekten zum Erhalt getan haben, hat die AG durch die konzertierte Nutzung rechtlicher Instrumente zum Handeln veranlasst“, betont das zuständige Dezernat. „Dazu gehören u. a. Anhörung und Anordnungen durch das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, Androhung von Modernisierungs- und Instandsetzungsgeboten oder Vertreterbestellungen bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen.“

Die Gruppe trifft sich einmal im Monat. Die Arbeit die sie leistet, so Jana Naerlich, muss zusätzlich zur eigentlichen Tätigkeit geleistet werden. Das ist dann eine Herausforderung, im Monatsrhythmus Ergebnisse vorzulegen.

Bislang hat die AG sich um 57 gefährdete Objekte kümmern können.

„Das war und ist ein verantwortungsvolles und schwieriges Geschäft, das im Einzelfall durchaus mehrere Jahre dauern kann“, kommentiert Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. „Die Resultate sprechen für sich: 16 Gebäude sind so inzwischen saniert bzw. gesichert worden (z. B. Eisenbahnstraße 41 und 43, Georg-Schumann-Straße 236). Für sechs Objekte wurde die Baugenehmigung erteilt, oder sie befinden sich im Baugenehmigungsverfahren, so dass von einer darauf folgenden Sanierung ausgegangen wird. Drei Gebäude konnten nicht mehr erhalten werden und mussten abgebrochen werden (Georg-Schumann-Straße 84, Gießerstraße 40, Holzhäuser Straße 74). Fünf Objekte sind aktuell verkauft worden (z. B. Sommerfelder Straße 25, Hebelstraße 26). Im Leipziger Osten konnten für ein Gebäude in drei Jahren die Eigentumsverhältnisse geklärt werden. 2017 wurde es verkauft. Nun soll es zeitnah saniert werden. In sieben Fällen sind die Eigentumsverhältnisse allerdings noch immer ungeklärt.“

Die Häuser Eisenbahnstraße 41 und 43 sorgten 2014 für Furore, als sie kurz vorm Einsturz standen und der Straßenbahnbetrieb tagelang gesperrt war. Mittlerweile sind beide saniert. Der Wohnungsmarkt funktioniert, betont Naerlich. Wenn also interessierte Entwickler solche Häuser in Angriff nehmen, sind sie auch bald am Markt.

Das Problem der Gruppe: Die Kapazitäten sind beschränkt. Bis zu fünf neue Objekte könne man jährlich neu ins Programm aufnehmen, sagt Naerlich. Das sei dann schon die Grenze.

Auch wenn für hunderte weiterer Gebäude in Leipzig ganz Ähnliches getan werden könnte. Die dringendsten Fälle kommen in der Regel durch Hinweise aus dem ASW oder aus dem Quartiersmanagement in die AG.

Aber wie groß ist eigentlich der Bestand der akut gefährdeten Häuser in Leipzig?

Huygensstraße 1, das ehemalige Klubheim Samuel Heinicke am Huygensplatz. Foto: Ralf Julke
Huygensstraße 1, das ehemalige Klubheim Samuel Heinicke am Huygensplatz. Foto: Ralf Julke

„Dazu haben wir leider keine genauen Zahlen“, sagt Dorothee Dubrau.

Aber die aktuellen Schätzungen gehen von einem marktfähigen Wohnungsleerstand von 2 Prozent in Leipzig aus, was etwa 7.000 Wohnungen entspricht. Weitere 2 Prozent sind nicht marktfähig. Bei acht bis zehn Wohnungen für ein Mietshaus kann man also von rund 700 Häusern ausgehen, die nicht unbedingt ruinös sein müssen oder gar einsturzgefährdet. Oft sind sie einfach nur gesichert, nur die Installationen fehlen, ein vermietbarer Zustand fehlt.

Der Trost für die AG: die leerstehenden Gebäude, an denen die Eigentümer seit langem nichts mehr gemacht haben, sind in der Minderzahl. Und: der funktionierende Immobilienmarkt unterstützt die Bemühungen der AG. Zum Verkauf angebotene Objekte werden in kürzester Zeit vor allem von Bauträgern gekauft. So wie das platzprägende Gebäude Huygensstraße 1.

Trotz allem verbleiben einige Gebäude, die weiterhin der von der AG koordinierten gebündelten und verstärkten Aktivität der städtischen Ämter bedürfen.

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