Das wรคre mal ein Paukenschlag gewesen: Leipzigs Stadtrat nimmt die Petition eines Einwohners an, die ein Verbot des Silvesterfeuerwerks in der Stadt fordert. Kein Geknalle mehr, keine brennenden Dachstรผhle, keine Feinstaubbelastung in chinesischer Dimension, keine Brandverletzten mehr in den Rettungsstationen ... Genauso eine Petition gab es jetzt. Und die Stadt will nicht.

Mit Menschenverstand hat ja das, was zu Silvester in allen deutschen Stรคdten passiert, nichts zu tun. Das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport empfiehlt trotzdem die Ablehnung der Petition. Und legt nicht mal einen Alternativvorschlag vor. Der natรผrlich mรถglich wรคre. Aber halt nicht auf rechtlichem Weg.

Denn die deutschen Stรคdte sind vom Gesetzgeber dazu verdonnert, den Unfug jedes Jahr zu ertragen. Samt vermรผllten StraรŸen am nรคchsten Morgen.

Der Ausnahmezustand ist gesetzlich geregelt.

โ€žGemรครŸ ยง 23 Abs. 2 der 1. SprengV (Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz) dรผrfen pyrotechnische Gegenstรคnde der Kategorie 2 (Silvesterfeuerwerk) in der Zeit vom 2. Januar bis 30. Dezember nur durch Inhaber einer Erlaubnis nach ยง 7 oder ยง 27, eines Befรคhigungsscheines nach ยง 20 des Gesetzes oder einer Ausnahmebewilligung nach ยง 24 Abs. 1 verwendet (abgebrannt) werden. Am 31. Dezember und 1. Januar dรผrfen Sie auch von Personen abgebrannt werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

Der Bundesgesetzgeber hat davon abweichend ein Verbot zum Abbrennen von pyrotechnischen Erzeugnissen in unmittelbarer Nรคhe von Kirchen, Krankenhรคusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebรคuden oder Anlagen zu deren Schutz erlassen (ยง 23 Abs. 1 der 1. SprengV).โ€œ

Das warโ€™s.

Was dann fรผr Leipzigs Ordnungsbehรถrde bedeutet: Sie darf da nichts verbieten.

โ€žDarรผber hinaus ist jedoch ein generelles Verbot von Feuerwerken an den Silvester- und Neujahrstagen entgegen der bundeseinheitlichen Erlaubnisnorm auf lokaler Ebene rechtlich nicht mรถglich. Der Stadtrat hat hier keine Entscheidungsbefugnis, etwaige Abweichungen von der bundesgesetzlichen Rechtsnorm zu regeln. Fรผr ein generelles Verbot zum Abbrennen von Pyrotechnik im Rahmen des Jahreswechsels fehlt somit die gesetzliche Grundlage und es wรคre daher rechtlich auch nicht durchsetzbarโ€œ, schreibt das Ordnungsdezernat.

Und stellt dann im Grunde resignierend fest: โ€žDie negativen Begleiterscheinungen wie Lรคrm und erhรถhte Feinstaubbelastung sind bei Feuerwerken immanent. Darรผber und auch รผber die Kosten, Gefahren bei unsachgemรครŸer Anwendung und Auswirkungen auf die Tierwelt wird bereits jetzt von Jahr zu Jahr eine รถffentliche Debatte gefรผhrt. Wie in vielen anderen Sachverhalten auch, gibt es zu dieser Thematik ebenso Befรผrworter und Gegner.โ€œ

Es ist wie bei so vielen Debatten: Die Lauten gewinnen. Jedes Mal.

Ein hรผbsches Beispiel fรผr nicht gelebte Demokratie. Es gibt nur Alles oder Nichts. Nichts dazwischen.

โ€žIm รœbrigen sind Verhaltensweisen, wie z. B. der richtige Umgang mit Feuerwerken, der Verpflichtung entstandenen Abfall zu entsorgen oder Verunreinigungen aus dem รถffentlichen Verkehrsraum zu entfernen, gesetzlich klar definiertโ€œ, meint das Ordnungsdezernat noch. โ€žรœber diese Verpflichtungen wird seitens der Stadtverwaltung jรคhrlich im Vorfeld ausdrรผcklich hingewiesen. Im Falle des Bekanntwerdens etwaiger konkreter Zuwiderhandlungen werden einzelfallbezogen die Einleitungen von Ordnungswidrigkeitenverfahren geprรผft.โ€œ

Aber nur weil das Gesetz es nicht vorsieht, heiรŸt es ja nicht, dass man sich รผber Alternativen keinen Kopf machen darf. Warum holt die Stadt nicht die Bรผrger ins Boot und berรคt mit ihnen mรถgliche andere Verhaltensweisen an so einem Tag? Traut sie ihnen keine Vernunft zu? Glaubt sie wirklich, dass alle Leute an Silvester nur wie blรถd Feuerwerk anzรผnden wollen?

Wie wรคre es mit einer Sammlung? Alle Leipziger, die Feuerwerk wollen, sammeln gemeinsam fรผr ein richtiges groรŸes Feuerwerk, das es mit Sydney aufnehmen kann und so inszeniert wird, dass mรถglichst viele zugucken kรถnnen?

Oder wie wรคre es mit einem groรŸen Neujahrskonzert, bei dem alle Leipziger sich versammeln, um zusammen das Lied an die Freude zu singen? Und dort, wo gesungen wird, ist Knallverbotszone? Oder freiwillige Wir-knallen-nicht-Zonen? Frรถhliche Begegnungszonen, in die man auch mit seinen Kindern runtergehen kann zum AnstoรŸen und Umarmen, ohne dabei von wildgewordenen Kanonieren beschossen zu werden?

Es ist ein typischer Fall von Bรผrgeranliegen, das man eigentlich nicht so beamtenstur vom Tisch wischen darf. Ein Fall fรผr eine Bรผrgerbeteiligung, bei der mal darรผber geredet wird, warum wir die erste Nacht im Jahr ausgerechnet den Knallfrรถschen รผberlassen.

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Es gibt 3 Kommentare

Ich finde es ja schon mal bezeichnend das man alles รผber Verbote regeln will. Das heiรŸt doch das die die sich daran erfreuen wieder die Bรถsen sind.

Es wรคre doch schรถn mal nachzufragen, aus welcher Formulierung eine Verpflichtung zur Durchfรผhrung eines Feuerwerks oder zu dessen Duldung abgeleitet wird?
Ich lese nur von โ€œdรผrfenโ€ und zwar รผber Personen, die wollen.
Daraus abzuleiten, es gรคbe einen Rechtssatz, Feuerwerke verpflichtend durchzufรผhren, oder die rechtliche Bindung auf Duldung halte ich fรผr verwegen.

DaรŸ die Verwaltung nicht will, glaube ich schon. Denn die Silvesterballerei schafft und sichert doch Arbeitsplรคtzeโ€ฆ

Es werden so viele Knallereien an (fast) jedem Wochenende in Leipzig genehmigt โ€“ also zumindest theoretisch โ€“ da wird man sicherlich nicht das grรถรŸte Feuerwerk usw. โ€ฆ. Schade eigentlich, denn dann hรคtte man ja mehr โ€œMaterialโ€ fรผr die Wochenenden zur Verfรผgung. Ich weiรŸ, Sarkasmus.

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