Der Stadtrat hat in der Ratsversammlung am 31. Januar den Nachtragshaushalt für 2018, auch mit den Stimmen der Grünen-Fraktion, beschlossen. Dem Beschluss ging eine teilweise heftige Diskussion und Auseinandersetzung zwischen den Fraktionen voraus, da die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als einzige zusätzliche Änderungsanträge stellte. Diese insgesamt zwölf Anträge wurden vonseiten der SPD, CDU und AfD kategorisch abgelehnt.
Die Fraktion Die Linke enthielt sich durchweg der Stimme. Einzig die Fraktion Freibeuter war bereit, sich inhaltlich mit den Anträgen der Grünen auseinanderzusetzen, was sich auch in zum Teil zustimmenden Voten niederschlug. Denn etliche der von den Grünen beantragten Dinge sind längst genauso dringend wie die zwölf Kindertagesstätten, die dem Nachtragshaushalt eigentlich zugrunde lagen.
„Es war beileibe keine Sternstunde der Demokratie und des Stadtrates, die sich gestern im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt abspielte”, erklärte Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende der BĂĽndnis 90/Die GrĂĽnen, am Folgetag. Noch ziemlich aufgeregt. Denn die Debatte drehte sich eigentlich um des Kaisers Bart. Irgendwann muss der Stadtrat all diese Dinge ja doch beschlieĂźen. Die Frage ist nur: Wann?
Und gerade die heftigen Diskussionen um die fehlenden Planungsvorläufe der Stadt (egal, ob Schulen oder Verkehr) haben in den letzten Monaten gezeigt, dass die ewige Finanznot die Stadt gerade bei den Wachstumsthemen gewaltig ins Hintertreffen gebracht hat. Bei Kindertagesstätten genauso wie bei Schulen und ÖPNV.
“Statt sich mit den Herausforderungen der rund um die wachsende Stadt und der damit verbundenen Arbeitsbelastung innerhalb der Ă„mter auseinanderzusetzen, waren die meisten Fraktionen vielmehr darauf konzentriert, unsere Fraktion dafĂĽr zu kritisieren, Antworten auf genau diese Fragen angeboten zu haben”, kritisiert die Fraktionsvorsitzende.
“Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit unseren Initiativen wurde regelrecht verweigert. Damit ĂĽberlässt man allein dem OberbĂĽrgermeister und Kämmerer die weitere Ausgestaltung der kommunalpolitischen Spielräume und gibt sogar das Königsrecht des Stadtrates, nämlich das Budgetrecht, sehenden Auges aus der Hand. Dies gipfelte letztlich noch in dem Versuch von CDU-Stadtrat Dossin und seiner Fraktion, mittels eines Geschäftsordnungsantrages das demokratische Recht auf Einbringung und Aussprache unserer Ă„nderungsanträge zu unterbinden.“
Dabei hatten die Änderungsanträge der Grünen schon im Dezember ein Vorspiel. Es ist ja nicht so, dass das Gezeter über die fehlenden Planer gerade im Planungsdezernat so frisch ist, dass am 31. Januar erst alles begann. Doch einige Fraktionen sind augenscheinlich immer noch im Trödelmodus jener Jahre, als Leipzig eine schrumpfende Stadt war und nicht in Wachstum investieren musste.
Die Grünen hatten bereits in der letzten Sitzung des Stadtrates am 13. Dezember 2017 deutlich gemacht, dass sie sich an die fraktionsübergreifende Absprache mit dem OBM, keine Haushaltsanträge zu stellen, nicht binden lassen und Änderungsanträge zum Nachtragshaushalt einreichen werden. In dieser Absprache im Oktober vereinbarte man sich zunächst zur Aufstellung des Nachtragshaushaltes, einzig und allein um das Paket der für 45 Millionen Euro neu zu errichtenden Kindertagesstätten kurzfristig auf den Weg zu bringen. Darüber hinausgehende Initiativen sollten unterlassen werden, um eine Genehmigung durch die Landesbehörde nicht zu gefährden.
Der dann aber im Dezember von SPD und CDU gemeinsam gestellte und vom Stadtrat beschlossene Antrag um die Einstellung und Ausrüstung zusätzlicher 15 Stellen im Stadtordnungsdienst und dessen zusätzliche Einordnung im Nachtragshaushalt der Stadt stellte sich für die Grünen-Fraktion als Aufkündigung dieser gemeinsamen Absprache durch SPD, CDU und die Stadtspitze dar.
“Insofern konnte man die bewusste Falschdarstellung der anderen Fraktionen auf eine angeblich einseitige AufkĂĽndigung des vereinbarten Verfahrens durch uns nur fassungslos zur Kenntnis nehmen”, betonen die GrĂĽnen.”Unsere Fraktion hat den Nachtragshaushalt daher zum Anlass genommen, weitere aus unserer Sicht dringende Korrekturbedarfe im Zuge der steigenden Aufgaben der wachsenden Stadt Leipzig nicht erst mit dem nächsten Doppelhaushalt sondern sofort aufzuzeigen und anzugehen.”
Und dass Leipzig eigentlich keine Zeit mehr hat, erst auf die langwierigen Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2019 / 2020 zu warten, betont dann auch Norman Volger, Fraktionsvorsitzender und demokratiepolitischer Sprecher der BĂĽndnis 90/Die GrĂĽnen: “Die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt steht auf dem Spiel. SPD, CDU und Linke bieten keine Lösungsansätze auf die drängenden Fragen und verweigern eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von unserer Fraktion vorgeschlagenen Lösungsansätzen. Unsere Fraktion hat sich bei ihren Ă„nderungsanträgen auf die aus unserer Sicht zentralen Probleme konzentriert – die absolut unzureichende personelle Ausstattung der Ă„mter vor allem im Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsbereich, die in massivster Weise durch das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre besonders gefordert sind.”
Fast jede Fraktion hat die miserable Stellenausstattung in den Planungsämtern kritisiert. Aber gerade die Debatte vom Mittwoch zeigt, dass man lieber das gesamte Baudezernat gegen die Wand laufen lässt, als die notwendigen Stellen schnell und wirksam zu genehmigen. Parteipolitik dominiert einmal wieder über die notwendige strategische Stadtpolitik.
“Diese Verweigerungshaltung und ein Festhalten am Weiter-so wird Prozesse weiter verschleppen und Lösungen verzögern”, warnt Volger.
Und er wird recht behalten. Das ist jetzt schon absehbar.
“Der personelle Sparkurs von OBM und Kämmerer wird die enorme Ăśberlastung zahlreicher Verwaltungsstellen weiter verschärfen, statt sie zu lösen oder zumindest zu entspannen. Regelmäßig ĂĽben andere Fraktionen, allen voran die CDU-Vertreter, Kritik insbesondere am Dezernat Stadtentwicklung und Bau. Wenn dann aber lösungsorientierte Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der Ă„mter unterbreitet werden, folgt eine kategorische Ablehnung. Hier wird die ganze Scheinheiligkeit der Kritik sichtbar. Es ist nicht weiter hinnehmbar, dass genau diese Ă„mter aufgrund sich angestauter Planungs- und Umsetzungsprozesse ständig in der Kritik stehen, während sie seit Jahren an ihrer absoluten Leistungsgrenze arbeiten. Dies ist inakzeptabel und schadet der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt wie auch der demokratischen Kultur.“
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