Eigentlich ging es am Mittwoch, 31. Januar, in der Ratsversammlung um ein ganz singuläres Thema: Um in einem Hauruckverfahren noch 12 neue Kindertagesstätten bauen zu können, hatte der OBM einen Nachtragshaushalt beantragt, um die dafür notwendigen 45 Millionen Euro freizuschlagen. Denn eigentlich waren die Kitas ja im Doppelhaushalt 2017 / 2018 nicht vorgesehen. Aber dann gab es in der Rede von SPD-Stadtrat Heiko Oßwald Pfeffer.

Denn die Gelegenheit für den Nachtragshaushalt hatte die Grüne-Fraktion genutzt, um weitere zwölf Änderungsanträge einzubringen, in denen vor allem Vorhaben steckten, die mit Beschluss des Doppelhaushalts 2017 / 2018 nicht mit untergebracht wurden – darunter wichtige Planer-Stellen in der Stadtverwaltung.

Eigentlich, so betonte Heiko Oßwald, habe man sich ja darauf geeinigt, diesen Antrag ohne weitere Ergänzungen schnellstmöglich zu beschließen.

“Die Fraktionen waren sich allesamt einig darüber, auf ein geordnetes Haushaltsplanaufstellungsverfahren mit Fristen für die Anträge der Fraktionen und gesonderten Sitzungen der Fachausschüsse und des Finanzausschusses zu verzichten, weil keine weiteren Anträge eingebracht werden sollten. So war die Absprache mit der Verwaltung”, sagte er. “Und jetzt werden ausgerechnet durch eine Fraktion 12 Anträge eine Woche vor dem Haushaltsbeschlusstermin eingereicht, der Transparenz und eine angemessene Beratungsfolge bei der Haushaltsdiskussion immer sehr wichtig waren. Zwölf Anträge, die Mehrausgaben im Millionenbereich sowie Stellenaufstockungen zum Ziel haben, sollen jetzt ohne eine Beratung in den Fachausschüssen und Fraktionen einfach mal so beschlossen werden.”

Er wusch den Grünen regelrecht den Pelz.

“An dieser Stelle sage ich für meine Fraktion ganz klar und deutlich: Nicht mit uns! Das geht so nicht! Das Budgetrecht ist das höchste Recht des Stadtrates. Mit ihm ist sehr verantwortungsvoll und angemessen umzugehen. Das heißt an dieser Stelle auch, fair in der Zusammenarbeit miteinander zu sein. Wenn Bündnis 90/Die Grünen der Meinung sind, dass noch zusätzliche Korrekturen am Nachtragshaushalt 2018 erfolgen müssen und es daher für notwendig erachtet wird, viele eigene Anträge zu stellen, dann gebietet es die Fairness, dies rechtzeitig zu kommunizieren, um auch eine angemessene Beratungsfolge organisieren zu können. Doch das Gegenteil war der Fall. Man hat hier bewusst grob foul gespielt, um einen kurzfristigen populistischen Erfolg zu feiern.”

Aber das Foul, wenn es denn eins gab, gab es schon in der Dezember-Stadtratssitzung. Worauf postwendend die Grünen hinwiesen. Denn da beschloss der Stadtrat mit den Stimmen von CDU, SPD und AfD eine massive Aufstockung des Stadtordnungsdienstes und die Umetikettierung zur “Stadtpolizei”.

Und zwar auch im Nachtragshaushalt.

Die Debatte (gekürzt) mit Heiko Oßwald (SPD) und Norman Volger (Grüne) am 31.1.2018 im Stadtrat. Quelle: Livestream Stadt Leipzig

Diese Eile hatte in der Ratsversammlung vom 13. Dezember 2017 den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Norman Volger schon regelrecht auf die Palme gebracht: “Was aber dem Fass den Boden ausschlägt, ist die Beantragung der Untersetzung zusätzlicher Stellen im Nachtragshaushalt”, sagte er in seiner Stadtratsrede zu den zusätzlich beantragten Stellen im Stadtordnungsdienst.

“Es waren SPD und CDU und der Oberbürgermeister, die unbedingt einen Doppelhaushalt wollten. Wir waren damals dagegen, weil man nicht jährlich auf kurzfristige Herausforderungen reagieren kann. Offensichtlich ist der Verwaltung, der SPD und der CDU entfallen, was sie damals beschlossen haben. Es wird verfahren nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?”

Augenscheinlich wurde beim emotional aufgeladenen Thema Stadtordnungsdienst tatsächlich einfach mal Geld locker gemacht, das so nicht eingeplant war. Und zwar ohne Abwägung, ob andere Stellenbesetzungen in der Stadt nicht viel dringender sind.

“Nichts gegen neue Stellen im Stadtordnungsdienst”, sagte Volger. “Wir haben selbst im letzten Haushalt eine Aufstockung um zehn Stellen beantragt. Aber doch bitte nicht so. Bedarfe gibt es in der Stadtverwaltung in allen Bereichen in einer wachsenden Stadt. Diese müssen im Haushaltsplanverfahren gegeneinander abgewogen werden. Ich kündige schon jetzt für meine Fraktion an, Herr Bonew, dass das Agreement, zum Nachtragshaushalt keine Änderungsanträge zu stellen, obsolet, hinfällig ist, wenn dieser Antrag positiv votiert wird.”

Der Antrag wurde von CDU, SPD und AfD positiv votiert.

Augenscheinlich sieht man also auch dort keinen triftigen Grund, wichtige finanzielle Korrekturen auch noch während der Laufzeit des Doppelhaushalts unterzubringen.

So richtig weiß auch Heiko Oßwald nicht, was er den Grünen nun empfehlen soll: “Daher will ich jetzt an dieser Stelle die Änderungsanträge auch nicht inhaltlich bewerten. Auch mir würden auf Anhieb bestimmt ein Dutzend Anträge einfallen, die jetzt unbedingt umgesetzt werden müssten. Doch dafür gibt es andere Wege, diese politisch zu diskutieren. Entweder bringt man Anträge ins normale Verfahren ein, mit erster und zweiter Lesung in den Fachausschüssen, oder man wartet bis zum nächsten Doppelhaushalt, wo wir in der Februarsitzung einen transparenten Terminplan mit angemessenen Fristen für die Haushaltsdiskussion wieder beschließen werden.”

Den Grünen warf er Unfairness vor. Aber in Wirklichkeit sprach er über dasselbe Problem: Doppelhaushalte sind viel zu unflexibel, wenn in der Zwischenzeit wichtige strategische Weichenstellungen unmöglich gemacht werden. Und die Personalfindung in der strategischen Planung der Stadt, über die ja nun seit Monaten diskutiert wird, gehört ganz bestimmt dazu. Dieses Thema nun in den nächsten Doppelhaushalt 2019 / 2020 zu verschieben, bedeutet die Einbuße von zwei wertvollen Jahren, in denen Leipzig immer tiefer in den Planungsstau gerät.

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