Leipzigs Oberbürgermeister misstraut den Stadträten und ihrem wirtschaftlichen Sachverstand. So interpretieren die Grünen den am Mittwoch, 13. Dezember, mit knapper Mehrheit beschlossenen neuen Gesellschaftsvertrag für die Stadtholding LVV. Mit nur einer Stimme Mehrheit hat der Stadtrat – nach teilweise hitziger Debatte – die Neufassung des Gesellschaftsvertrages, also des grundlegenden unternehmerischen Regelungswerkes, zur städtischen Holding LVV GmbH beschlossen.

In diesem Vertrag werden neben zahlreichen internen Regelungen für Geschäftsführung und Aufsichtsrat die grundlegenden Aufgaben und Rechte des Gesellschafters, also der Stadt Leipzig, vertreten durch die Person des Oberbürgermeisters, geregelt.

Von Anfang an hat OBM Burkhard Jung die Entscheidungsstrukturen in der LVV auf den OBM zugeschnitten. Was in gewisser Weise plausibel war. In der alten Form war die LVV quasi nur ein Steuersparmodell für die drei Kommunalbetriebe, in dem praktisch die Geschäftsführer selbst bestimmten, welche Strategie sie fahren wollten. Entsprechend mau sah es um die Finanzen der LVV aus. Und dazu kam die fehlende Kontrolle dessen, was in den Kommunalbetrieben vor sich ging.

Was alle Leipziger im Dezember 2009 dann in aller Öffentlichkeit erlebten, als die seltsamen Finanzgeschäfte von Klaus Heininger aufflogen, der sowohl bei den LVB als auch bei den Wasserwerken kaufmännischer Geschäftsführer war.

Aber die Kontrolle dessen, was er tat, war augenscheinlich nicht gegeben. Es wurde zwar eine Menge über die jeweiligen Aufsichtsräte der Unternehmen debattiert – aber die eigentlichen Geschäfte hat Heiniger allesamt an den Aufsichtsräten vorbei lanciert. Der Gedanke, die LVV-Geschäftsführung deutlich aufzuwerten und mit mehr Kontroll- und Steuerungsfunktionen auszustatten, lag nahe.

Dieser Umbau der LVV zu einer straff geführten Stadtholding ist nun seit ein paar Jahren im Gang. Da und dort auch mit dem sichtbaren Einfluss des OBM, der die Stadtholding vor allem als eigenes Steuerungsinstrument begreift.

Mit dem neuen Gesellschaftsvertrag stärkt er seine Position weiter und verlagert die wichtigsten Entscheidungen endgültig aus den Aufsichtsräten in die Gesellschafterversammlung, in der er selbst das Sagen hat.

Logisch, dass neben den Linken auch die Grünen ihre Bauchschmerzen mit der Entscheidung vom 13. Dezember haben.

Die Linken hatten vor allem kritisiert, dass genau das, was der Stadtrat vor vier Jahren beauftragt hatte, so nicht drinstand in der OBM-Vorlage: „Der Leipziger Stadtrat hat in der Ratsversammlung vom 11.12.2013 einmütig den Antrag V/A 449 ‚Leipziger Corporate Governance Kodex‘ (RBV-1843/13) beschlossen. Der Oberbürgermeister wurde damit beauftragt, dessen Regelungen in den Gesellschaftsverträgen umzusetzen. Nunmehr liegt – nach vier Jahren – ein entsprechender Entwurf für die LVV mbH vor. Die Notwendigkeit einer Anpassung an die Änderungen der Sächsischen Gemeindeordnung, wie im Titel unterstellt, ist irreführend. Der aktuelle Entwurf des ‚Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalrechts‘ sieht keine solchen Änderungen vor. Mehr noch, das Staatsministerium des Inneren hat im November 2014 gemeinsam mit dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag und dem Sächsischen Landkreistag einen Leitfaden zum kommunalen Beteiligungsmanagement herausgegeben. Darin ist ein Mustergesellschaftsvertrag enthalten, der in den §§ 9 (3) 2. und 12 eines ganz klar vorsieht: Die Beschlussfassung des Wirtschaftsplans durch den Aufsichtsrat. Davon sind die Beteiligten bis heute nicht abgegangen.“

Daran hatte sich auch mit der Neufassung nicht wirklich viel geändert.

„Uns war es wichtig, dass in diesen Unternehmen die bestellten mitbestimmten Aufsichtsräte, die zur Hälfte bzw. zu 2/3 von der Stadt Leipzig mit ihren Stadträten und zu 1/3 bzw. 1/2 von den Arbeitnehmer*innen entsandt werden, die wesentliche Geschäftspolitik bestimmen. Und nicht, wie vom OBM Jung vorgeschlagen, dass die strategische Ausrichtung und damit einhergehend die Wirtschaftspläne allein von der Gesellschafterversammlung, also alleine von ihm zur Person, beschlossen werden“, erklärt Katharina Krefft, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, den Unmut, der nach der knappen Abstimmung nicht geringer geworden ist. „Insofern haben wir den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke unterstützt und selbst eine diesbezügliche grundsätzliche Regelung für alle anderen Gesellschaften beantragt.“

Denn dass die Gesellschafterversammlung das bessere Entscheidungsgremium ist, glaubt sie nicht.

„Wir vertrauen den von uns entsandten Vertreter*innen in den Aufsichtsräten, dass sie nicht nur das Interesse der jeweiligen Gesellschaft im Auge haben, sondern mit größtem Verantwortungsbewusstsein im gesamtstädtischen Interesse handeln. Auch die von den Personalräten entsandten Mitarbeiter*innen zeichnen sich wahrnehmbar dadurch aus. Dies wurde offenbar besonders von FDP-Stadtrat Morlock gestern vollkommen missverstanden“, kommentiert sie einen Teil der Debatte am Mittwoch im Stadtrat. „Im Gegenteil müssen wir fragen, ob nicht durch die alleinige Macht des OBM ein größeres Risiko für die Unternehmen entstehen könnte. Denn nicht die Aufsichtsräte der Unternehmen waren es, die die SWL GmbH und die LWB GmbH einst in eine kritische bzw. existenziell bedrohliche Situation geführt haben, sondern die jeweiligen Oberbürgermeister, die die Unternehmen durch aufgebürdete Leistungen und Entzug von Kapital massiv geschwächt haben.“

Dass die Abstimmung für die Vorlage des OBM dann so denkbar knapp ausfiel, gibt ihr erst recht zu denken.

„Bezeichnend ist auch, dass Herr Jung so gar nichts dabei findet, dass dieses grundsätzliche und wichtige Regelwerk nicht von einer breiten demokratischen Mehrheit getragen wird, sondern mit knappster Mehrheit den Stadtrat passiert hat“, sagt Katharina Krefft. „Dies ist mal wieder beredter Ausdruck dafür, dass es ihm nicht wichtig ist, eine breite demokratische Beteiligung zu leben, sondern allein seine eigenen Interessen durchzusetzen.“

Und die Interessen des OBM stimmen nicht immer mit den Willensbildungen im Stadtrat überein, weshalb viele Richtungsentscheidungen in Leipzig tatsächlich quälend langsam vonstatten gehen – wenn man nur daran denkt, wie schwer sich das Rathaus seit Jahren mit einer anderen ÖPNV-Politik tut.

Die Vorlage des OBM.

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