Nicht nur der NuKla e.V. wundert sich derzeit ein wenig darüber, wie Leipzig mit seiner Waldbewirtschaftung umgeht. Eigentlich müsste die Stadt jedes Jahr nicht nur gültige Forstwirtschaftspläne aufstellen, sondern auch als Körperschaft beschließen und der oberen Forstbehörde zusenden. Einen solchen Beschluss gibt es nicht. Selbst die Grünen wundern sich, dass da augenscheinlich seit 25 Jahren etwas falsch läuft.
„Der größte Teil des Leipziger Stadtwaldes liegt im Landschaftsschutzgebiet ‚Leipziger Auwald‘, welcher mit ca. 1.116,7 ha eine wichtige Funktion für das Stadtklima besitzt. Schutzziel des Leipziger Auwaldes ist die nachhaltige Sicherung und weitestgehende Regenerierung des Landschaftsschutzgebietes mit seiner strukturierten Auenlandschaft, wie Hartholzaue, Weichholzaue, Altwässer, Altarme, Feuchtwiesen und sonstiger wertgebender Strukturen“, stellt die Grünen-Fraktion in einer aktuellen Stadtratsanfrage fest. „Der Abteilung Stadtforsten im Amt für Stadtgrün und Gewässer kommt deshalb bei der Erhaltung, Regenerierung und Verbesserung der Waldbestände eine Schlüsselposition zu, da sie direkt Einfluss auf Baumartenzusammensetzung und Bestandsstruktur nimmt. Alljährlich gehören deshalb die Pflegemaßnahmen im Leipziger Auwald, welche auf den städtischen Forstwirtschaftsplänen basieren, dazu.“
Und dann ist da der rechtsanwaltliche Einspruch, den der NuKLA e.V. zusammen mit der Grünen Liga Sachsen ausgelöst hat: „Allerdings werden die Beschlusslage und die Kommunikation der Stadtverwaltung zu der Ordnungsgemäßheit und den ggf. nicht vorhandenen Rechtsgrundlagen entsprechend des Sächsischen Waldgesetzes zu den Pflegemaßnahmen des Stadtwaldes zur Zeit offen infrage gestellt und kontrovers diskutiert.“
Die Fragen der Grünen waren dann sogar recht überraschend. Sie lauten:
„Auf welcher rechtlichen Grundlage werden die Bewirtschaftung bzw. der Waldumbau des Leipziger Auwaldes und die Pflegemaßnahmen durchgeführt? Gibt es dazu gültige Beschlusslagen im Stadtrat? Sind diese von der oberen Forstbehörde als Aufsichtsbehörde bestätigt und mit dieser abgestimmt? Gab es von dieser aus naturschutzfachlicher Sicht Kritiken?
Wie und wann wurden welche städtischen Gremien einbezogen bzw. der Stadtrat damit befasst?
Auf welche Art und Weise und wann wurde und wird die Öffentlichkeit über die Pläne und die konkreten regionalen Maßnahmen informiert?“
Dass der Stadtrat in den vergangenen Jahren nicht ein einziges Mal über einen neuen Forstwirtschaftsplan zu beschließen hatte, darüber haben wir ja schon berichtet. Dass die neuen Forstwirtschaftspläne auch nicht auf der Homepage der Stadt veröffentlicht werden, ist auch sichtbar. Dass die Grünen nach „Beschlusslagen im Stadtrat“ fragen, erstaunt schon. Das einzige, was der Stadtrat in den vergangenen Jahren dazu überhaupt beschlossen hat, ist das „Forsteinrichtungswerk für den Wald der Stadt Leipzig (Forstbetrieb 3277), Planungszeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2023“ vom 28. Oktober 2015.
Das ist eine Art Rahmenplan für das forstliche Agieren der Abteilung Stadtforsten, auf dem dann die Forstwirtschaftspläne aufbauen. Federführend ist dafür der Stadtförster, der seinen Forstwirtschaftsplan jener AG Stadtwald vorlegt, mit der der NuKLA e.V. so im Dissens ist. Denn wer drin ist, kann augenscheinlich den Umgang mit dem Leipziger Stadtwald mitgestalten und die Vorstellung auch korrigieren: „In der AG Stadtwald sind vertreten: Sachverständige von anerkannten Naturschutzverbänden, wissenschaftliche Einrichtungen, private Experten und Vertreter von Behörden.“ Wenn diese fachliche Expertise eingearbeitet ist, bekommt eigentlich der Fachausschuss Umwelt und Ordnung den Forstwirtschaftsplan – aber nicht zur Beschlussfassung, sondern nur zur Information.
Gut möglich, dass das in diesem Ausschuss einfach abgehakt wurde. Wir können das nicht einmal nachvollziehen, ob es wirklich so war. Denn die Fachausschüsse des Stadtrates veröffentlichen weder Tagesordnungen noch Protokolle. Kein Wunder, dass also auch die Grünen so ein komisches Gefühl haben, dass ihnen da etwas durch die Lappen gegangen ist.
Wie wir berichtet haben, müssen die Kommunen ihre jährlichen Forstwirtschaftspläne beschließen. Der Fachausschuss darf eh nicht beschließen. Der Plan müsste also in die Ratsversammlung. Aber was passiert dann?
„Information der Stadtbezirks- und Ortschaftsräte, Naturschutzbeirat, Presse, Örtliche Vertreter, Örtliche Kommunikatoren, Oberen Forstbehörde und Vor-Ort-Begehungen mit Bürgern durch die Abteilung Stadtforsten und Veröffentlichung des FWP auf der Homepage der Stadt Leipzig (www.leipzig.de\stadtwald)“, heißt es im uns vorliegenden Forstwirtschaftsplan 2017.
Da haben wir natürlich nachgeschaut: Auf der Seite www.leipzig.de\stadtwald ist kein Forstwirtschaftsplan zu finden. Null. Nichts.
Man hat sich also eine Art Verständigungsprozess zusammengebastelt, der jede Entscheidungsfindung im Leipziger Stadtrat elegant vermeidet und am Ende alle Beteiligten nur informiert.
Genau das hat der NuKLA jetzt per Rechtsanwalt beanstanden lassen. Das geht einfach nicht. Und die Anfrage der Grünen zeigt, dass möglicherweise nicht einmal die Information so erfolgte, dass die Ausschussmitglieder wirklich informiert wurden. Ein klassisches Beispiel für ausgelagerte (nicht-)demokratische Entscheidungen. Alle haben sich dran gewöhnt. Denn das sächsische Waldgesetz liest auch nicht jeder jeden Tag. Und so, wie es derzeit läuft in Leipzig, läuft es augenscheinlich seit genau 25 Jahren. Auf Nachfrage teilte uns die Verwaltung mit: „In der Vergangenheit gab es zu den veröffentlichten Forstwirtschaftsplänen keine Beanstandungen. Das formelle Verfahren wird so seit 1992 im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde praktiziert.“
Wir hatten noch ein paar Fragen gestellt, solche hier: „Warum gibt es dazu keine jährliche Beschlussvorlage für den Stadtrat, wie vom Sächsischen Waldgesetz vorgesehen? In welcher Form wird der Stadtrat über Bewirtschaftung des Leipziger Auenwaldes informiert? In welchem Gremium werden die jährlichen Eingriffe diskutiert? Wenn es solche Entscheidungen gibt: Warum gibt es dazu keine öffentlichen Informationen? Wenn es sie nicht gibt: Wer entscheidet dann eigentlich, was im Leipziger Auenwald an Eingriffen geschieht? Und auf welcher gesetzlichen Grundlage?“
Über die gesetzliche Grundlage werden sich die Parteien womöglich vor Gericht streiten. Dazu teilt uns die Verwaltung kurz und bündig mit: „Die von Ihnen formulierten Fragen zum rechtlichen Rahmen sind momentan Gegenstand einer Verhandlung zwischen der Stadt und der zuständigen Aufsichtsbehörde.“
Die zuständige Aufsichtsbehörde wird wahrscheinlich auch aus allen Wolken gefallen sein, hat man das doch auch dort seit 25 Jahren so gemacht. Bis einer kam und sich öffentlich darüber wunderte, dass der Leipziger Stadtrat nicht gefragt wird, wenn es um Eingriffe im eigenen Stadtwald geht.
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Ups, der Kaiser ist ja nicht nur nackt, er ist auch noch ausgesprochen hässlich. Da haben Herr Julke und der NuKLA aber ganz schön ins Wespennest gestochen. Mal sehn, wie darauf das Volk, resp. dessen gewählte Vertreter reagieren.