Fรผr FreikรคuferIm August stand die SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat dem Ansinnen der CDU-Fraktion, den Leipziger Stadtordnungsdienst zur Stadtpolizei aufzurรผsten, noch in Teilen skeptisch gegenรผber. Vor allem verursachte das Ansinnen, mit dem Ordnungsdienst Teile der Polizeiarbeit zu ersetzen, ein gewisses Stirnrunzeln. Aber beide Fraktionen sind auf Tuchfรผhlung gegangen. Denn die mediale Panik zur Leipziger Sicherheitslage hรถrt ja nicht auf.
Sie begleitet die Stadtpolitik nun seit einigen Jahren. Und das nicht nur, weil die Straftatenzahl gestiegen ist mit dem Bevรถlkerungswachstum. Auch weil es immer รถfter den Besitz der Leipziger Bรผrger betraf โ Diebstรคhle und Wohnungseinbrรผche hatten stark zugenommen, ohne dass die Leipziger Polizei wirklich die genauen Ursachen nennen konnte.
Und das spiegelte sich 2016 dann auch in der groรen Sicherheitsumfrage der Stadt. Seit 2011 war die โSorge um die Zunahme der Kriminalitรคt in Leipzigโ spรผrbar gestiegen. Das hat viel mit Medienberichterstattung zu tun, aber auch mit Ordnung und Sauberkeit im eigenen Wohnumfeld.
Und mit der Wahrnahme von Polizei oder Ordnungsdienst. Zu Recht fragte Burkhard Jung im September nach einem dramatischen Vorfall im Rosental nach der Prรคsenz der Polizei im รถffentlichen Raum. Nach Polizisten, die einfach nur Streife laufen. Tagsรผber oder abends im Park. โSo etwas hat man in Leipzig seit Jahren nicht gesehen.โ
Das ist Ergebnis der sรคchsischen Sparpolitik bei der Polizei. Bis zumindest wieder ein Mindestmaร an Polizeistรคrke erreicht wird, vergehen jetzt noch sieben Jahre. Ein Mittel, das zu kompensieren, sah die CDU-Fraktion darin, nicht nur den Leipziger Stadtordnungsdienst aufzustocken, sondern ihn auch technisch aufzurรผsten und mit mehr Vollmachten auszustatten. Ein Vorschlag, der nun in der SPD-Faktion augenscheinlich auf Gegenliebe stรถรt, so dass beide Fraktionen nun den vierten Antrag dazu gemeinsam verantworten. Die Rezepte sind dieselben wie in den vorhergehenden Antrรคgen.
โZu den notwendigen Maรnahmen gehรถren insbesondere:
โ die Verwendung des Begriffes Polizeibehรถrde in der Auรenwirkung (Dienstkleidung, Fahrzeuge usw.) auf Grundlage des ยง 80 Sรคchsisches Polizeigesetz, so wie bereits in Dresden und Chemnitz praktiziert;
โ eine finanzielle Untersetzung der 25 zusรคtzlichen Stellen beim Stadtordnungsdienst im Nachtragshaushalt;
โ eine Ausweitung der Einsatzzeiten bis in die Nachtstunden hinein und an Wochenenden;
โ ein entsprechende Ausbildung der betreffenden Mitarbeiter in enger Kooperation mit der Polizei;
โ eine wirksame Ausrรผstung der Bediensteten zum Selbstschutz und zur Erfรผllung der Vollzugsaufgaben(z. B. mobile Endgerรคte zur effizienten Erfassung und Verarbeitung von Ordnungswidrigkeiten, stichsichere Weste, Handfessel und Rettungsmehrzweckstock, wie in Chemnitz);
โ fรผr die beschlossene Fahrradstaffel sind zeitnah zusรคtzlich entsprechende Fahrrรคder und die notwendige Ausrรผstung zu beschaffen;
โ Prรผfung der Anschaffung von Diensthunden;
โ Ahndung von Verkehrsdelikten auf Grundlage des Ordnungswidrigkeitengesetzes, wobei die genauen Zustรคndigkeiten in Absprache mit Polizei bzw. SMI zu regeln sind;
โ die Entlastung der Bediensteten des Ordnungsdienstes von zeitraubenden sachfremden Aufgaben wie Zeugendiensten.โ
Ob der innige Glaube, der Stadtordnungsdienst kรถnnte tatsรคchlich den flieรenden Radverkehr kontrollieren, zu Ergebnissen fรผhrt, darf bezweifelt werden. Denn auch die Dresdner Politessen dรผrfen nicht in den flieรenden Verkehr eingreifen, was mehrere Anfragen im Landtag bestรคtigt haben.
Aber selbst das Personal ist jetzt schon ein gewaltiges Problem, wie beide Fraktionen so beilรคufig feststellen: โIm Rahmen der Haushaltsberatungen 2017/18 konnte eine Stellenaufstockung fรผr den Stadtordnungsdienst durchgesetzt werden, dessen praktische Umsetzung verlรคuft nach unserer Kenntnis jedoch schleppend.โ
Ob der Dienst attraktiver wird, wenn auch noch Nachtschichten, Einsรคtze in gefรคhrlichen Situationen und gar mit Hunden dazu kommen, darf durchaus bezweifelt werden. Es sei denn, man nimmt auch einen Personenkreis auf, der solche gefรคhrlichen Jobs liebt.
Dass beide Fraktionen so ihre eigenen Feindbilder pflegen, wird in dieser Passage deutlich: โDie fehlende nรคchtliche Prรคsenz des Stadtordnungsdienstes ist seit Jahren Diskussionsthema. Besonders problematisch ist dies bei nรคchtlichen Ruhestรถrungen, etwa durch Trinkergruppen in Wohngebieten oder durch illegale sogenannte Spontanpartys.โ
Dass kein einziges Mal die fehlende Prรคsenz des Ordnungsdienstes auch in den Tagstunden benannt wird, erstaunt schon.
Denn das war eigentlich das Hauptthema in der Sicherheitsbefragung 2016. Insbesondere Rentner wรผnschten sich mehr sichtbare Prรคsenz von Polizei und Ordnungsdienst in ihrem Wohngebiet. Und das ist wirklich eine Frage des Wohngebietes. Die Ordnungsamtsmitarbeiter scheinen fast nur im Zentrum und im Waldstraรenviertel unterwegs zu sein, wรคhrend sie in Stรถtteritz oder Wahren hรถchst selten gesichtet werden. Die Polizei ist dafรผr in Connewitz besonders beliebt und dafรผr in Gohlis und Probstheida eher selten mal unterwegs.
Die Sicherheitsumfrage zeigt ein etwas anderes Bild, als es die beiden Fraktionen nun zeichnen. Aber vielleicht wirkt es ja wirklich einschรผchternd, wenn man kรผnftig die lauten Nachbarn mit dem Spruch schockiert: โIch rufe jetzt die Stadtpolizei.โ
Und noch so als Ergรคnzung: Es sind gar nicht mal die Leipziger aus der lauten und feierlustigen Mitte, die mehr Stadtordnungsdienst wรผnschen, sondern die Einwohner von Grรผnau, Paunsdorf und Heiterblick, wo mehr als jeder zweite Befragte sagt, es brauche mehr starke Jungs in blauer Uniform.
Die Begrรผndung des Antrags:
โNach wie vor sind die Defizite bei der รถffentlichen Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit ein Thema, das die Leipziger bewegt. Die Bรผrgerumfrage โSicherheit in Leipzig 2016โ belegt dies: das allgemeine Unsicherheitsgefรผhl ist vergleichsweise groร, ebenso die Verรคrgerung vieler Leipziger รผber ruhestรถrenden Lรคrm, Hundekot auf Gehwegen, Graffitischmiererei und so weiter.
Im Rahmen der gesetzlichen Sicherheitsarchitektur trรคgt die Stadt Leipzig als รถrtliche Polizeibehรถrde genauso Verantwortung wie die Polizei des Freistaates Sachsen. Eine Schlรผsselstellung hat hier der Stadtordnungsdienst als kommunaler Vollzugsdienst.
Seit der Diskussion um den Antrag A-02158 โPrรคsenz und Wirksamkeit des Stadtordnungsdienstes erhรถhen!โ hat sich wenig getan: im Rahmen der Haushaltsberatungen 2017/18 konnte eine Stellenaufstockung fรผr den Stadtordnungsdienst durchgesetzt werden, dessen praktische Umsetzung verlรคuft nach unserer Kenntnis jedoch schleppend.
Gleichzeitig wรคchst die Stadt Leipzig weiter, mehr Einwohner auf gleichem Raum bedeuten hรถhere Einwohnerdichte, zunehmendes Konfliktpotenzial und hรถheres Risiko von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten.
Ein politischer Handlungsauftrag an den Oberbรผrgermeister, die Wirksamkeit des Stadtordnungsdienstes zu erhรถhen, ist vor diesem Hintergrund รผberfรคllig.โ
Zu den einzelnen im Beschluss angesprochenen Maรnahmen:
Genau wie die Kreisfreien Stรคdte Chemnitz und Dresden ist die Stadt Leipzig die รถrtliche Polizeibehรถrde im Sinne des ยง 80 Sรคchsisches Polizeigesetz. Dieser Paragraph bestimmt in Absatz 1: โDie Ortspolizeibehรถrden kรถnnen sich zur Wahrnehmung bestimmter auf den Gemeindebereich beschrรคnkter polizeilicher Vollzugsaufgaben gemeindlicher Vollzugsbediensteter bedienenโฆโ und in Absatz 2: โDie gemeindlichen Vollzugsbediensteten haben bei der Erfรผllung ihrer Aufgaben die Stellung von Polizeibediensteten im Sinne dieses Gesetzes.โ
Beide genannten Stรคdte haben daraus die Schlussfolgerung gezogen, ihre kommunalen Vollzugsdienste als Polizeibehรถrde zu titulieren und Dienstfahrtzeuge sowie Dienstkleidung entsprechend zu beschriften.
Die Verwendung des Begriffes โPolizeibehรถrdeโ ist rechtlich zutreffend und folgerichtig, stรคrkt das Selbstvertrauen und die Motivation der Bediensteten, wertet diese in der Wahrnehmung der Bรผrger auf und fรผhrt vor allem potenziellen Tรคtern vor Augen, dass es sich bei den Bediensteten eben um Polizeibedienstete im Sinne des Polizeigesetzes und nicht nur um einen quasi โzahnlosenโ Wachschutz handelt. In Kombination mit den anderen beantragten Maรnahmen kann somit die Streifentรคtigkeit wirksamer und das allgemeine Unsicherheitsgefรผhl in der Bรผrgerschaft verringert werden.
Die fehlende nรคchtliche Prรคsenz des Stadtordnungsdienstes ist seit Jahren Diskussionsthema. Besonders problematisch ist dies bei nรคchtlichen Ruhestรถrungen, etwa durch Trinkergruppen in Wohngebieten oder durch illegale sogenannte Spontanpartys. Einziger Ansprechpartner fรผr betroffene Bรผrger ist dann die Polizei, fรผr die solche Sachverhalte logischerweise nachgeordnete Prioritรคt haben.
Es ist angebracht, die Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes in enger Abstimmung mit der Polizei entsprechend zu schulen und zielgerichtet auf ihre Aufgaben und Befugnisse vorzubereiten. Die Tรคtigkeit der Mitarbeiter im Stadtordnungsdienst unterscheidet sich schlieรlich doch oft deutlich von der regulรคren Verwaltungsarbeit.
Die ungenรผgende Ausrรผstung der Bediensteten mit lediglich Pfefferspray wurde bereits im Antrag A-02158 thematisiert. Der Stadtrat Chemnitz hat im Juni 2016 einstimmig eine โKonzeption Stadtordnungsdienstโ beschlossen. Darin enthalten ist u. a. die Ergรคnzung der vorhandenen Ausrรผstung Reizstoffsprรผhgerรคt und Handfessel um Rettungsmehrzweckstรถcke, um zum Beispiel aggressive Hunde abwehren zu kรถnnen. Auch stichsichere Westen erhรถhen den Selbstschutz fรผr die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes.
Im Zuge der Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2018/2019 wurde der Aufbau einer Fahrradstaffel beim Ordnungsamt beschlossen. Die Antwort auf die Anfrage VI-F-04810 (Nutzung von Dienstfahrrรคdern fรผr die Streifentรคtigkeit des Stadtordnungsdienstes) machte deutlich, dass hier noch Nachholbedarf besteht, so dass die Beschaffung der notwendigen Ausrรผstung fรผr die Fahrradstaffel beschleunigt werden muss.
Dass die Stadt Leipzig Verkehrsdelikte von Kraftfahrern wie z. B. Geschwindigkeitsรผbertretungen ahndet, nicht jedoch solche von anderen Verkehrsteilnehmern, wie z. B. Fahren in Fuรgรคngerzonen, ist logisch nicht erklรคrbar. Nach unserer Kenntnis vertritt die Stadt Dresden hierzu eine andere Rechtsauffassung als die Stadt Leipzig. Wie sich inzwischen herausstellte, handelt die Stadt Dresden auf Grundlage des Ordnungswidrigkeitengesetzes, das bekanntlich in der Stadt Leipzig genauso gilt.
Nach Auskunft des zustรคndigen Amtsleiters wird die Arbeitszeit der Bediensteten im Stadtordnungsdienst in erheblichem Maร durch zeitaufwendige und eigentlich sachfremde Zeugendienste, etwa bei polizeilichen Durchsuchungen beansprucht. Hier sollte durch Heranziehung anderer stรคdtischer Mitarbeiter eine Lรถsung gefunden werden, damit sich die Bediensteten des Stadtordnungsdienstes auf ihre Kernkompetenz, die Prรคsenz im รถffentlichen Raum, konzentrieren kรถnnen. Auch dieses Ziel wird in der o. g. โKonzeption Stadtordnungsdienstโ der Stadt Chemnitz thematisiert.
Ganz so einfach ist es mit den Eingriffen des Stadtordnungsdienstes in den (rollenden) Radverkehr รผberhaupt nicht
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Rettungsmehrzweckstock โ Dieses lรคcherliche Begriffsmonster dรผrfte alle Kriterien von fakenews erfรผllen. Ansonsten ist es natรผrlich billiger, wenn die Stadt Hilfspolizisten bezahlt, vor allem fรผr das Land. Obโs dem Bรผrger wirklich hilft?