Wem es noch nicht klar war, dass die konzertierte Aktion des Handwerkskammerpräsidenten Claus Gröhn ein Stück reine CDU-Politik ist, der hat es spätestens am Freitag, 1. Dezember, erfahren, als Ronald Pohle im Namen der MIT einen Offenen Brief an OBM Burkhard Jung schickte, er solle seine „alte“ Verkehrspolitik beenden. Die MIT ist die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Leipzig und Ronald Pohle ist Mitglied der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag.
Und wer seinen Brief liest, merkt, dass er aus nichts besteht als heißer Luft und der jüngst erst von Volker Lux (Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer und CDU-Mitglied) aufgestellten Behauptung, Leipzig verfolge eine veraltete Verkehrspolitik.
Pohle: „Stoppen Sie die Umsetzung alter Konzepte bis ein gesellschaftlicher Konsens zur einer Verkehrsvision der Zukunft herbeigeführt ist. Es liegt an Ihnen, für eine ideologiefreie und sachgerechte Verkehrspolitik zu sorgen. Es geht nicht darum, einem Verkehrsträger die Priorität einzuräumen, sondern besonnen und vor allem schnell, die Grundlage für die Mobilität der nächsten Jahrzehnte zu schaffen, auch unter Berücksichtigung des ruhenden Verkehrs.“
Übrigens ein klarer Fall von Interruption: Der Briefschreiber behauptet einfach, Leipzig verfolge veraltete Konzepte, obwohl sich die Vertreter der alten Autopolitik darüber ärgern, dass sich die Verkehrspolitik nach langen Diskussionen im Stadtrat seit 2012 endlich geändert hat. Erst seit knapp fünf Jahren bekommt der Radverkehr (der Claus Gröhn so gar nicht in den Kram passt) überhaupt die nötige Aufmerksamkeit in der Leipziger Verkehrspolitik.
Dass Pohle so vehement vom „ruhenden Verkehr“ spricht, erzählt Bände: Hier meldet sich die Parkplatzlobby zu Wort. Mit Mobilität oder der Rettung des Wirtschaftsstandorts hat das gar nichts zu tun.
Selbst die IHK-Studie hatte deutlich gemacht, dass Leipzig im Blech ersticken wird, wenn es nicht gelingt, ein Viertel der Autofahrten umzulenken auf den Umweltverbund.
Den Schwindel, Leipzigs Verkehrsplanung beruhe auf Zahlen aus dem Jahr 2002, hatte jüngst Volker Lux aufgebracht.
Und Pohle wiederholt den Schwindel nun: „Wir befürchten, dass die gegenwärtige Verkehrspolitik zur Folge hat, dass das Wachstum unserer Stadt ernsthaft behindert wird. Warum? Weil fehlende Verkehrsflächen und eine Verkehrsplanung, die ihre Grundlage noch in der Zeit einer schrumpfenden Bevölkerung hat, den Mittelstandsmotor im wahrsten Sinne des Wortes zum Stehen bringt.“
Der Offene Brief bestätigt, was seit geraumer Zeit zu beobachten war: Es sind immer wieder Personen aus denselben CDU-Netzwerken, die so tun, als sprächen sie für „die Wirtschaft“ oder gar für die „schweigende Mehrheit“. Pohle: „Dies ist keine Klientelpolitik, sondern entspricht den Interessen einer schweigenden Mehrheit.“
Aber am Ende wird er noch deutlicher und zeigt, dass Leipzigs CDU hier eine personalisierte Attacke gegen eine Bürgermeisterin fährt, die ihr zu modern ist: gegen Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. Denn nichts anderes bedeutet Pohles Forderung an den OBM: „Haben Sie den Mut und machen Sie Mobilität in Leipzig zur Chefsache, gerade angesichts des derzeit entstehenden neuen INSEK!“
Dass er von einer „schweigenden Mehrheit“ redet, ist schlicht Anmaßung. Auch und gerade mit dem Verweis auf Unternehmen, die sich dann nicht in Leipzig ansiedeln würden, wenn jetzt nicht stracks CDU-Verkehrspolitik gemacht wird.
Nur 43 Prozent der Leipziger fahren mit dem Auto zur Arbeit. Und das oft, weil ihr Arbeitsplatz mit Fahrrad oder ÖPNV nicht zu erreichen ist. Dieser Wert ist seit 2008 (53 Prozent) permanent gesunken, weil immer mehr Leipziger nicht nur in der gut mit ÖPNV ausgestatteten Innenstadt wohnen, sondern auch dort arbeiten. Die meisten Arbeitsplätze der letzten Zeit sind im Innenstadtbereich entstanden – und das gerade, weil die sich ansiedelnden Firmen es praktisch finden, dass man mit S-Bahn und Straßenbahn gut hinkommt.
Das Mobilitätsverständnis der Leipziger CDU stammt tatsächlich aus einem vergangenen Jahrhundert. Und welche Unternehmen tatsächlich die Wirtschaftsentwicklung antreiben, hat man da noch nicht mal mitgekriegt.
Und wie kommen die anderen Leipziger zur Arbeit?
29 Prozent mit Fahrrad oder zu Fuß (2008: 22 Prozent) und 28 Prozent mit dem ÖPNV (2008: 24 Prozent).
Tatsächlich versuchen Leipzigs CDU-Granden die gerade begonnene Entwicklung von Radverkehr und ÖPNV mit aller Macht zu bremsen und verbinden das mit fachlich falschen Attacken auf eine Frau, die man im CDU-Präsidium einfach nicht mag: Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau.
Der Offene Brief von Ronald Pohle.
Korrektur, 4. 12.: In der Vorgängerversion haben wir geschrieben, dass Volker Lux vorher Vorsitzender der MIT war. Das war nicht der Fall. Darauf wies uns Ronald Pohle hin. Wir haben es im Text korrigiert.
Es gibt 2 Kommentare
Aber vermutlich geht’s ‘nur’ um Kies..
und wenn die Gemeinde die Kosten der Transport- bzw. Anlieferwege übernimmt,
dann klappt’s auch mit den Konzernen.
https://www.l-iz.de/politik/region/2016/01/leipzigs-verwaltung-gibt-sich-sachen-kiesabbau-bei-schoenau-und-kleinpoesna-windelweich-121871
https://www.l-iz.de/politik/engagement/2017/11/Rueckmarsdorfer-laden-am-25-November-zu-Lichterketten-Protest-gegen-den-geplanten-Kiesabbau-ein-198086
Ich wette, der nächste ‘Klagebrief’ handelt vom Straßenausbaubeitrag und den armen Grundstückseigentümern und -nutzungsberechtigten..
Der Autor im Upload-doc ist ein rolf_seidel.
Und ein ‘Namenskollege’ macht sich hier schon mal warm:
https://www.pressreader.com/germany/leipziger-volkszeitung/20171020/282613148018970