Die Kunstaktion der Giordano Bruno Stiftung „11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt Leipzig und die sächsische Landesregierung: Aus der kürzlich veröffentlichten Zwischenbilanz des Kulturdezernats wird deutlich, dass die Politik leichtfertig Fördergelder für den Kirchentag vergab und sehenden Auges Geld für eine ideologisch gefärbte Veranstaltung ausgab.
Die „Kirchentage auf dem Weg“ als Teil des „Lutherjahrs“ waren ein teurer Flop für den Steuerzahler (hpd berichtete). Statt der erwarteten 105.000 Besucher kauften sich gerade einmal 30.900 ein Ticket – das Ziel wurde also um satte 71 Prozent verfehlt! Für Leipzig mussten die Zahlen jetzt sogar erneut herunter korrigiert werden: Erwartet hatte man 50.000 Menschen, am Ende behauptete man, es seien 15.000 gewesen und nun gesteht man ein: es waren nur 12.000 Gäste (Tageskarten wurden kaum verkauft). Davon sind etwa die Hälfte Mitwirkende gewesen.
Was waren die Gründe hierfür und welche Spuren hinterließ der Kirchentag in Leipzig? Diese Fragen will das Kulturdezernat der Stadt nun in einer „Zwischenbilanz“ beantworten. Eine endgültige Auswertung kann erst vorgenommen werden, wenn der Veranstalter alle Verwendungsnachweise erbracht hat, wofür der Reformationsjubiläum e.V. noch bis zum 31.03.2018 Zeit hat. Doch bereits beim Lesen der Zwischenbilanz können säkulare Menschen nur mit dem Kopf schütteln.
In dem Bericht versucht die Stadtverwaltung jegliche Schuld von sich zu weisen, da allein der Kirchentagsveranstalter in zu großen Dimensionen geplant habe. So heißt es: „Das Konzept erschien einleuchtend, doch es war neu und bis dato nicht erprobt. Im Unterschied zu den eingeführten Kirchentagen, von denen sich die Kirchentage auf dem Weg deutlich unterscheiden wollten, gab es keine Erfahrungen. Die gebündelte Kraft der EKD, die Erfahrenheit der Umsetzer und die dezidiert erklärte vorbehaltlose Unterstützung durch die sächsische Landeskirche für den Kirchentag in Leipzig schienen jedoch Garanten für eine erfolgreiche Umsetzung.“
Tatsächlich konnte man sich auch ohne Erfahrung im Eventmanagement ausrechnen, dass sich die 9 (!) Veranstaltungsorte gegenseitig die Gäste wegnehmen werden. Der Kirchentag erhebt selbst Statistiken über seine Besucher vergangener Jahre – die öffentlichen Geldgeber hätten diese nur richtig lesen müssen, um zu merken, dass das Konzept der »Kirchentage auf dem Weg« gerade nicht »einleuchtend« war: Im Durchschnitt hat ein Kirchentag 140.000 Teilnehmer, zwei Drittel hiervon sind Mehrfachbesucher, die dem Kirchentag überallhin hinterherreisen. Das heißt 47.000 Teilnehmer sind zum ersten oder zweiten Mal bei einem Kirchentag dabei.
Da die Gruppe der Mehrfachbesucher recht konstant ist, kann die Gesamtteilnehmerzahl nur durch eine Erhöhung der Erst- und Zweitbesucher erreicht werden. Für die Kirchentage auf dem Weg waren insgesamt 105.000 Besucher eingeplant – wohlgemerkt zusätzlich zu den avisierten 140.000 in Berlin/Wittenberg. Um dieses Ziel zu erreichen, hätte die Zahl der Erst- und Zweitbesucher also mehr als verdreifacht werden müssen! Dass dies gerade in Ostdeutschland, mit einer Quote von rund 80 % Konfessionsfreien, vollkommen unrealistisch ist, hätte jedem Kulturdezernenten aufgehen müssen.
Darüber hinaus hätte man auch mal die Kritiker der Kirchentagssubventionen an den Tisch holen können: Seit 2014 weisen wir darauf hin, dass die Kirchentage immer viel mehr Besucher versprechen, als dann tatsächlich kommen, um sich so überhöhte Zuschüsse zu erschleichen. Stattdessen hat man die Subvention kurz vor Weihnachten 2015 beschlossen, damit es ja keine Diskussionen in der Bevölkerung gibt.
Unsere Kritik richtet sich aber auch an die evangelische Landeskirche
Dem Bericht nach hat sie nach außen, also gegenüber der Politik, „dezidiert ihre vorbehaltlose Unterstützung“ erklärt. Kirchenintern stand man den Dimensionen aber skeptisch gegenüber: Die „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ zitierte in ihrer Ausgabe vom 14. Juni 2017 einen hochrangigen Vertreter einer östlichen Landeskirche, der an den Planungen beteiligt war, aber nicht namentlich zitiert werden will. Von Anfang an habe es zwei Listen gegeben: „Eine mit den Schätzungen der EKD – und unsere eigene.“ Die Besucherprognosen der EKD habe man „intern gleich um die Hälfte“ gekürzt.
Doch damit nicht genug: Mehrere andere evangelische Landeskirchen organisierten weitere aufwändige Großveranstaltungen zum Reformationsjubiläum. Genüsslich hat die evangelische Kirche die öffentlichen Fördergelder verbraucht und hat nicht einmal im eigenen Haus für eine einheitliche Planung gesorgt. Und die Politik hat die Steuergelder leichtfertig vergeben, ohne die Verwendung ausreichend zu kontrollieren.
Dass die Erwartungen vollkommen überzogen waren, haben bereits die Erfahrungen mit dem Katholikentag 2016 in Leipzig gezeigt: Damals waren statt der prognostizierten 80.000 Besucher gerade einmal die Hälfte gekommen. Spätestens dann hätte sich die Politik die Frage stellen müssen, ob die anvisierten 50.000 Besucher allein in Leipzig – neben den anderen zahlreichen Kirchentagen auf dem Weg – realistisch sind.
Stattdessen ließ man sich vom Veranstalter hinhalten und blenden
Die Stadt Leipzig dazu: „Den Fördermittelgebern des Kirchentag auf dem Weg (Freistaat Sachsen: Sächsisches Staatsministerium für Kultus, Stadt Leipzig: Dezernat Kultur) wurden erst spät (im April) und auf energische Nachfrage die unbefriedigenden Vorverkäufe angezeigt. […] Es wurde erläutert, dass die Teilnehmerzahlen voraussichtlich wesentlich unter den Erwartungen liegen würden. Die bisherige Annahme von ca. 35.000 Dauerteilnehmenden und 15.000 Tagesgästen wurde auf 24.500 Teilnehmende mit Dauerkarten reduziert, die angenommene Zahl der Tagesgäste blieb unverändert bei 15.000. Anhand eines aktualisierter Kosten-und Finanzierungsplan wurde dargestellt, wie das voraussichtliche Defizit i.H.v. 670.000,00 € ausgeglichen werden sollte. Verschiedene Einsparmöglichkeiten wurden erläutert. Herr Bodmann versicherte, dass die Veranstaltungen wie geplant durchgeführt werden könnten, wenn durch die Fördermittelgeber die noch ausstehenden Tranchen zur Auszahlung kämen.“
Es ist erschreckend, wie sehr die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen ihre Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern verletzt haben. Obwohl der Kirchentag in Leipzig zu mindestens 60 % vom Steuerzahler finanziert wurde, hat man nicht etwa die Reißleine gezogen und das Programm gekürzt um Kosten zu sparen, sondern man hat unverändert die letzten Tranchen der zugesagten Subventionen ausgezahlt. Die Argumentation des Kulturdezernats, dass das Gesamtprogramm bereits gedruckt gewesen sei, ist wenig überzeugend. Der Neudruck wäre immer noch billiger gewesen, als das Geld sehenden Auges zu versenken.
Um das Debakel zu verschleiern, weist der Bericht des Kulturdezernats darauf hin, dass man ein „hochwertiges Programm“ angeboten habe. Dazu gehören unter anderem eine 225 Meter lange Kaffeetafel in der Innenstadt und 29 Bibelarbeiten. Es bleibt schleierhaft, was daran „hochwertig“ ist und wieso dies vom Steuerzahler finanziert werden soll. Viele Titel der Programmpunkte deuten bereits darauf hin, dass sie christlich gefärbt sind und damit nicht vom Staat hätten finanziert werden dürften: „Nacht der Lutherlieder“, „Schöpfung“ (Oratorium), „Mönsch Martin“ (Musical), „Oh Gott“ (Theaterinszenierung), etc.
Weder die angeführten finanziellen „Rückflüsse“ in die Stadt noch die höheren Übernachtungszahlen vermögen diesen Verstoß gegen die Pflicht des Staates zur weltanschaulichen Neutralität zu rechtfertigen. Dies wird in der Diskussion immer wieder ignoriert. Auch für Touristen darf der Staat seine Prinzipien nicht über Bord werfen!
Darüber hinaus erreicht die behauptete „Wertschöpfungskette“ in Höhe von 2,6 Mio. Euro nicht einmal das Niveau der Fördergelder, die die Stadt Leipzig, der Freistaat Sachsen und die Stadt Torgau in den Kirchentag gesteckt haben: insgesamt 3.230.000 Euro. Für die öffentliche Hand war es also eindeutig ein Verlustgeschäft. Tatsächlich fällt die Bilanz noch schlechter aus, da in den 2,6 Mio. nur Umsatzzahlen addiert wurden – ohne die tatsächlichen Kosten abzuziehen. Rund 127.000 Euro zahlte der Veranstalter beispielsweise für öffentliche Leistungen, wie die Stadtreinigung und den Transport der Kirchentagsbesucher durch die Leipziger Verkehrsbetriebe. Hiermit macht die Stadt jedoch keinen Gewinn.
Schon die Auswertung des Katholikentags 2016 ergab, dass nach – optimistischer Schätzung des Kulturdezernats – über den Umweg der Steuern gerade einmal 180.000 € zusätzlich in die Stadtkasse flossen. Für den noch mehr gefloppten Kirchentag 2017 versucht die Stadt gar nicht erst auszurechnen, was sie über die sogenannte Umwegrendite eingenommen haben könnte.
Ins Auge springen auch die 900.000 Euro an Lohnkosten für 19 Mitarbeiter mit 1. Wohnsitz in Leipzig. Gerechnet auf 1 Jahr entspricht dies einem Bruttolohn von rund 4.000 Euro monatlich – das liegt laut Sächsischer Zeitung mehr als 1.000 Euro über dem Durchschnittslohn in Sachsen.
Doch warum gab es überhaupt neben dem zentralen Kirchentag in Berlin/Wittenberg, auch noch die Kirchentage in Erfurt, Weimar/Jena, Leipzig, Halle, Magdeburg und Dessau-Roßlau?
„Die Gesamtkonzeption ging zunächst von einem zentralen Großgottesdienst in Wittenberg mit (so noch im Jahr 2015 angenommenen) mindestens 200.000 Menschen aus. Diese Annahme war die Basis von Überlegungen um die Frage der Gästeanreise und -Lenkung, es wurde das Konzept der Kirchentage auf dem Weg entwickelt. Die Idee war die Sammlung der Besucherströme und ihre spirituelle Einstimmung auf das Großereignis.“
Der Staat finanziert jetzt also ganz bewusst die „spirituelle Einstimmung“ auf Gottesdienste! Weltanschauliche Neutralität, adieu! Zur Erinnerung: Während die Förderung der Kultur nach § 2 Abs. 1 der Sächsischen Gemeindeordnung zu den Aufgaben Leipzigs zählt, formuliert das Bundesverfassungsgericht eindeutig: „Der Gedanke der Fürsorge des Staates in Glaubensangelegenheiten ist dem Grundgesetz fremd.“ (Entscheidungen des BVerfG, Band 44, S. 37 [52 f.])
Noch mehr gefällig?
Ein weiterer Grund für die geringen Besucherzahlen sei gewesen: „In der Öffentlichkeitsarbeit wurde zu lange auf die allgemeine Kampagne zur Bewerbung des Gesamtereignisses gesetzt. Dadurch gab es kaum Kapazitäten, den interessierten Leipzigern und Leipzigerinnen ohne religiöse Bindung einzelne Höhepunktveranstaltungen nahe zu bringen. Beim vorherrschenden besten Wetter hätten gerade die Open-Air-Veranstaltungen (obwohl schon die am besten besucht [waren]) deutlich mehr Menschen erreichen können.“
Als Leipziger Bürger kann man sich nur immer wieder verwundert die Augen reiben. Schon beim Katholikentag hatten die Leipziger kaum Interesse an der Missionierungsparty. Warum hätte es ein Jahr später anders sein sollen? Na klar, weil sein muss, was möglich ist:
„Die Zielzahlen für die einzelnen Kirchentage wurden dabei von logistischen Erfordernissen und Möglichkeiten abgeleitet. So gab es etwa für Leipzig die Aussage der Bahn, der zufolge das Unternehmen am 28. Mai ca. 35.000 Menschen vom Leipzig Hauptbahnhof nach Wittenberg und zurück befördern könne. Diese Zielzahlen verfestigten sich offenbar schon früh im Prozess von Wünschen zu Prognosen und wurden schließlich als realistisch, weil mit den Landeskirchen abgestimmt, kommuniziert. Der Großgottesdienst, der die Planungskette ausgelöst hatte, fand schließlich vor nur wenig mehr als 100.000 Teilnehmenden statt.“
Weil die Bahn so viele Menschen transportieren kann, werden auch so viele kommen
Hierin tritt das ganze Ausmaß der Selbstüberschätzung des Reformationsjubiläum e.V. zu Tage. Der Bericht versucht den Eindruck zu erwecken, die Politiker, die dem ganzen „Konzept“ auf dem Leim gegangen sind und das Geld bewilligt haben, trügen natürlich überhaupt keine Schuld. Zur Flankierung dieser Argumentation trägt man noch vor: Die hohen Besucherzahlen beim Kirchentag 2011 in Dresden schürten ähnliche Hoffnungen für die Kirchentage auf dem Weg – aber auch 2011 gab es eben nur einen und nicht 9 Veranstaltungsorte!
Wie stark das Bedürfnis ist, sich herauszureden, erkennt man auch hieran: “Im Vorfeld des Großgottesdienstes in Wittenberg und auch des Ereignisses in Leipzig spielte immer wieder die aktuelle Diskussion zur Sicherheitslage bei Großveranstaltungen eine Rolle.“
Vermutlich haben sich wegen der permanenten Terrorgefahr auch „nur“ 250.000 Menschen beim Leipziger Stadtfest eingefunden. Die christliche Einkleidung der Veranstaltungen beim Kirchentag war bestimmt nicht die Ursache. Aber wenn weder Kirche noch Politik die Schuld tragen, wer denn dann?
„Zur Bilanz gehört auch die enttäuschende Medien-Resonanz der Kirchentage auf dem Weg: Die publizistische Strahlkraft des Obama-Auftritts in Berlin, inhaltlich nur sehr bedingt dem Kirchentag zuzuordnen, ließ alle anderen Aktionen verblassen.“
So wird’s gewesen sein! 10 Jahre Luther-Dekade, Reformations-Dauerbeschallung und eine Leipziger Volkszeitung, die (wie schon 2016 beim Katholikentag) erneut „Medienpartner“ war und erst hinterher ein paar kritische Töne fand, werden nicht genügend hingewiesen haben auf das Kirchenfest. Wer’s glaubt wird selig!
Und schließlich findet man auch die letzte verbliebene Ausweichstrategie
Wenn man keinen Schuldigen findet, muss man die Niederlage relativieren: „Bei der zweifelsfrei notwenigen kritischen Auswertung des Leipziger Kirchentags auf dem Weg darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Stadtrat bei der Entscheidungsfindung zum Engagement der Kommune von vorn herein eine längere Perspektive als jene drei Tage des Kirchentags in den Blick genommen hatte: Für die Stadt sollte das konfessionelle Großereignis einen eigenen „Sommer der Reformation“ einleiten. Hier bündelten sich die künstlerischen Angebote dann um kulturelle Kernmarken wie das Bachfest und fanden bei den Leipzigerinnen und Leipzigern und auch den Gästen der Stadt in der erwarteten Zahl ihr Publikum.“
Aha, man hat zwar für die 3 Tage mit knapp 1 Million Euro das meiste Geld ausgegeben, aber über den ganzen Sommer verteilt war es ein Erfolg. Belege gibt es natürlich auch hierfür keine. Aber immerhin, die Stadt hat es endlich mal ausgesprochen: es ist ein „konfessionelles Großereignis“. Sonst wurde man nicht müde zu betonen, es sei ein „gesamtgesellschaftliches Ereignis“.
Als Beleg für den erfolgreichen Sommer taugt auch nicht der Verweis auf den Gästerekord im Juni: 1.451.632 Übernachtungen in Leipzig im 1. Halbjahr 2017 stellen im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 4,4 Prozent dar. Das ist sicher erfreulich – aber seit Jahren nehmen diese Zahlen nach stadteigenen Angaben zu: 2016 um 5,1 Prozent und 2015 verzeichnete man bereits zum zehnten Mal in Folge einen Gästerekord. Inwieweit das Reformationsjubiläum also einen Anteil am Leipziger Dauer-Boom trägt, darf sehr bezweifelt werden.
Ebenfalls interessant: Zu den „programmatischen Höhepunkten“ gehört für den Bericht auch, dass im Bundesverwaltungsgericht „Martin Luther und die Reformation“, ein literarisch-musikalisches Programm mit dem bekannten Schauspieler Martin Brambach aufgeführt wurde. Leipzig darf sich demnächst also hoffentlich auch auf Jesus- und Mohammed-Inszenierungen in Deutschlands höchstem Verwaltungsgericht freuen. Vermutlich sind dies dann Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Muslima, die sich weigern, ihr Kopftuch abzunehmen und daher nicht als Richterinnen eingestellt wurden.
Einen Höhepunkt enthält schließlich noch das Fazit des Berichts
„Für das intensive kulturelle Programm zum Leipziger „Sommer der Revolution“ brachte der Kirchentag auf dem Weg trotz unbefriedigender Besucherzahlen wertvolle Impulse.“
Nein, hier soll nicht der Frage nachgegangen werden, wen diese „Impulse“ denn erreicht haben sollen, wenn doch kaum ein Besucher da war. Das ist vermutlich mal wieder eine Glaubensfrage. Interessant ist vielmehr, dass aus dem „Sommer der REFORMATION“ gar ein „Sommer der REVOLUTION“ wurde. Die Leipziger Internetzeitung merkt hierzu an: „Da ist wohl die Oktoberrevolution gedanklich dazwischengekommen.“ Der Verfasser dieses Berichtes dachte dabei aber eher an die „friedliche Revolution“ 1989.
Denn auch wenn die Formulierung vermutlich nur ein Versehen war – diese Interpretation würde besser passen: Es sind nicht nur Leipzig und seine Politiker so unheimlich stolz darauf, dass die Wende ihren Ursprung hier hatte, sondern auch die Kirche versucht dieses Ereignis mehr und mehr für sich zu vereinnahmen: Der evangelische Theologe und ehemalige DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer hat die Verbindung zwischen dem Reformator Martin Luther und der Friedlichen Revolution von 1989 hervorgehoben. Das “historische Wunder” des Mauerfalls sei “auch mit Martin Luther verbunden , der gesagt hat: nicht mit Gewalt, sondern mit dem Wort”, sagte Schorlemmer in einem Vortrag zur Leipziger Buchmesse.
Wer weiß, so kirchenhörig wie die Leipziger Stadtverwaltung ist – vielleicht war die Revolutions-Formulierung im Zwischenbericht ja doch kein Versehen …
Zu guter Letzt gibt es auch einen Punkt in dem Bericht, dem die Aktiven vom 11. Gebot vorbehaltlos zustimmen können: „Für die meisten nichtreligiösen Bürger in Mitteldeutschland und auch in Leipzig blieb die Reformation ein innerkirchliches Ereignis.“
Stimmt, denn das war es auch. Kirche und Politik wollten uns glauben machen, die Reformation sei ein Schritt in Richtung Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gewesen – doch tatsächlich wurden diese „westlichen Werte“ erst während der Phase der Aufklärung gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft. Es ist aber leider nicht abzusehen, dass der Staat diese Epoche ebenfalls mit 250 Millionen Euro feiern wird.
Die Zwischenbilanz des Kulturdezernats Leipzig kann hier abgerufen werden
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Da half auch nicht der liebe Gott: Der Kirchentag in Leipzig hat seine Besucherziele völlig verfehlt
Der Kirchentag in Leipzig hat seine Besucherziele völlig verfehlt
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