Am 15. September war wieder internationaler „PARK(ing) Day“. Und diesmal kann man sogar sagen: Er hatte Erfolg. Denn er hat einen der prominentesten Vertreter der Leipziger Autofahrer-Lobby verärgert: CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski. Der hat sich über die extra für „PARK(ing) Day“-Aktionen frei gehaltenen Stellplätze so geärgert, dass er extra eine Stadtratsanfrage gestellt hat. Aus seiner Sicht vielleicht sogar mit Hintersinn.

Man hätte fast erwartet, dass ihm das für die Straßen zuständige Verkehrsdezernat witzig antwortet. Aber den Spaß hat sich jetzt das Ordnungsdezernat gegönnt. Ganz trocken. Denn beim Ordnungsamt muss man öffentliche Demonstrationen anmelden. „PARK(ing) Day“-Aktionen sind solche öffentlichen Demonstrationen, die – irgendwie dumm, so aus Autofahrersicht – genehmigt werden müssen, denn sie sind durch die Demonstrations- und Meinungsfreiheit des Grundgesetzes geschützt. Und auch noch durch das Sächsische Versammlungsgesetz. Die Stadt kann nur Auflagen erteilen, um zum Beispiel den Verkehr am Fließen zu halten. Aber ein Dutzend für einen Nachmittag gesperrte Stellplätze sind ja kein Verkehrshindernis.

Wir haben die Antworten komplett übernommen. Sie sind trocken, keine Frage. Aber wie will man auf solche Fragen auch antworten?

Hier sind sie:

Aus welchem Grund erfolgt die Freihaltung im genannten Fall des „PARK(ing) Day“ durch die Stadt Leipzig selbst?

Die Idee des PARK(ing) Day kommt aus San Francisco, wo 2005 die erste Stellfläche für einen Tag in einen grünen Park umgewandelt wurde. In den folgenden Jahren verbreitete sich diese Aktion weltweit. Seit 2009 wird auch in Leipzig der PARK(ing) Day durchgeführt.

Anliegen des PARK(ing) Day in Leipzig ist, öffentliche Räume attraktiv zu gestalten und ideale Bedingungen für Fußgängerinnen und Fußgänger zu schaffen.

Insofern ist mit diesen Veranstaltungen der sachliche Bereich des Sächsischen Versammlungsgesetzes als eröffnet zu betrachten. Hiernach entsprechen diese Zusammenkünfte im Rahmen des „PARK(ing) Day“ der Definition von Versammlungen im Sinne § 1 Abs. 3 des Sächsischen Versammlungsgesetzes, da es sich um örtliche Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung handelt.

Als Abwehrrecht, das auch und vor allem Minderheiten zugute kommt, gewährleistet Art. 8 Grundgesetz den Grundrechtsträgern das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt von angezeigten Versammlungen.

Dies setzt jedoch eine Verfügungsbefugnis über den Versammlungsort voraus, da das Recht der freien Ortswahl nicht das Recht umfasst, fremdes Grundeigentum nach Belieben in Anspruch zu nehmen. An der Verfügungsbefugnis des Versammlungsveranstalters fehlt es regelmäßig, weil Veranstalter i. d. R. nicht über ein hinreichend großes Grundstück in exponierter bzw. öffentlichkeitswirksamer Lage verfügen und die Inanspruchnahme von Privatgrundstücken i. d. R. an Art. 14 GG (Eigentum) scheitern dürfte.

Ohne die Unterstützung von Hoheitsträgern wäre infolgedessen die Durchführung von angezeigten Versammlungen faktisch unmöglich, auch wenn sie vielfach im besonderen öffentlichen Interesse liegen.

Eine effektive Ausübung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit ist demnach davon abhängig, dass ein Hoheitsträger ein geeignetes Gelände – zumeist Straßenraum – zur Verfügung stellt. Andernfalls liefe das Grundrecht des Art. 8 GG ins Leere.

Auf Seiten des Staates ist dem Art. 8 GG somit die grundsätzliche Pflicht zu entnehmen, die Durchführung von Versammlungen zu ermöglichen, da diese in unserem demokratischen Rechtsstaat unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen.

Bedeutung hat dies zunächst bzgl. der gerade aufgezeigten Notwendigkeit der Zurverfügungstellung von Versammlungsgelände (wegen der vielfachen Monopolstellung des Trägers der öffentlichen Gewalt), insbesondere der Benutzung öffentlicher Straßen und Plätze zu Demonstrationszwecken.

Hierauf besteht regelmäßig ein Anspruch. Insofern wurden die in Rede stehenden öffentlichen Flächen im Rahmen des seit 2009 stattfindenden „PARK(ing) Day“ in Leipzig zur Sicherstellung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit im Sinne des Art. 8 GG i. V. m. Art. 5 GG zur Durchführung von Versammlungen temporär zur Verfügung gestellt und insofern auch entsprechend mit Haltverboten versehen.

Kann im Interesse der Bürgerfreundlichkeit den Leipzigern empfohlen werden, statt einer gebührenpflichtigen umzugsbedingten Halteverbotszone künftig kostenfrei eine „Veranstaltung zu Schaffung eines Kommunikationsraumes“ anzumelden, damit die Stadt Leipzig selbst die Beschilderung übernimmt?

Diese Empfehlungen kann auch nicht im Interesse einer Bürgerfreundlichkeit gegeben werden.

Falls nein, warum nicht?

Eine solche Empfehlung würde auf einen Missbrauch des Sächsischen Versammlungsgesetzes hinauslaufen, da ein privater Umzug nicht durch Art. 8 GG geschützt ist und die Voraussetzungen einer Versammlung nach § 1 Abs. 3 SächsVersG nicht erfüllt werden.

Entsprechende Anzeigen würden durch das Ordnungsamt an das zuständige Verkehrs- und Tiefbauamt abgegeben werden.

Die Freihaltung von Straßenraum zum Zwecke der Sicherstellung des Umzuges erfordert eine (kostenpflichtige) verkehrsrechtliche Anordnung gem. § 45 Abs. 1 StVO. Durch das Einrichten einer Halteverbotszone wird gewährleistet, dass dem Bürger der beantragte Parkraum für seine Fahrzeuge oder Fahrzeugen eines vertraglich gebundenen Umzugsunternehmens während der Zeit des Umzugs uneingeschränkt zur Verfügung steht. Dazu wird auf folgende Internetseite verwiesen:

www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/aemter-und-behoerdengaenge/behoerden-und-dienstleistungen/dienststelle/strassenverkehrsbehoerde-verkehrsmanagement-666/

In diesem Zusammenhang wird auch auf § 26 Nr. 1 Sächsisches Versammlungsgesetz hingewiesen, wonach sich derjenige strafbar macht, wer die Versammlung wesentlich anders durchführt als in der Anzeige angegeben.

Dies wäre anzunehmen, wenn eine Veranstaltung unter dem Motto „Veranstaltung zu Schaffung eines Kommunikationsraumes“ gemäß § 14 Abs. 1 SächsVersG angezeigt werde, aber tatsächlich ein Möbelumzug stattfinden würde.

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Es gibt 4 Kommentare

Richtig.
Das Thema ist hier:
“Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum?”

“Warum ist der öffentliche Raum für die Wahrnahme des demokratischen Rechts der Versammlungsfreiheit wesentliche Grundvoraussetzung?”

“Was bedeutet öffentlicher Raum für mich persönlich, wie kann ich ihn für alle erhalten und gestalten?”

Und zu den “Missständen im Leipziger Wohungsmarkt” informiere man sich dort https://www.l-iz.de/tag/sozialer-wohnungsbau

Liebe Ellen,
wir kennen uns nicht persönlich und ich weiß daher auch nicht, was ich dir getan haben sollte.
Also warum greifst du mich persönlich an und stellst mich als dumm hin?

Zum Kommentar:
Habe ich irgendwo von privaten Vermietern oder Zwangsräumung geschrieben?
Habe ich die eigentliche Intention des Artikels in Frage gestellt?

Sicher ist dir auch schon die Idee gekommen, dass es (1. Absatz meines Kommentars) sich um Ironie handeln könnte?!
Ein Umzug kann per se keine Versammlung sein, weil es in der Natur der Sache liegt, dass er nicht an einem festen Ort stattfindet. Eher schon wäre es ein Aufzug, was ja auch dem Wort “Umzug” deutlich näher kommt. Von daher offenbart es, dass der anfragende Stadtrat das Versammlungsrecht auch nicht richtig kennt.

Zwei Vorschläge für die Zukunft liebe Ellen:
Wir können gern auch künftig sachlich über die Inhalte diskutieren und dabei auch unterschiedlicher Meinung sein, persönliche Angriffe sollten dann Tabu sein.

Aber wir können auch vereinbaren, dass wir unsere Kommentare in der Zukunft gegenseitig komplett ignorieren.

Lass mich bitte einfach wissen, wie es künftig laufen soll.

Sorry André, aber damit bist du mal wieder soweit am Thema der Artikel-Serie vorbei..

“..und Stellplätze im öffentlichen Raum sind immer noch öffentliche Plätze, auch wenn das die Draufparker nicht wirklich glauben können” (1*)

Es geht darum, zu verstehen:

“Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum?”

“Warum ist der öffentliche Raum für die Wahrnahme des demokratischen Rechts der Versammlungsfreiheit wesentliche Grundvoraussetzung?”

“Was bedeutet öffentlicher Raum für mich persönlich, wie kann ich ihn für alle erhalten und gestalten?”

Nachschrift an André: Und wenn du Wohnungs-Umzüge als geeignetes Protestmittel des Mieters gegen eine eventuell drohende Zwangsräumung des privaten Vermieters siehst, naja.. Nicht nur hier, Thema verfehlt. (Setzen. Fünf. Hätte mein Deutsch-Lehrer fortgesetzt.)

1*) Quelle: Lesen bildet. L-IZ.de 2017

Und nicht zuletzt, ganz lieben Dank dem Ordnungsdezernat der Stadt Leipzig für die umfassenden, sachlich informativen und thematisch weiterführenden Aussagen!

Vielleicht sollte man den Umzug nicht als “Versammlung zur Schaffung eines Kommunikationsraumes” anmelden, sondern eher als “Versammlung zur Anprangerung von Missständen im Leipziger Wohungsmarkt”.

Denn ein gewisser Teil der Umzüge ist sicher eben jenen Mängeln geschuldet (Mieterhöhung, Wohungsmängel etc), so dass der Umzug als Protestmittel des Mieters angesehen werden könnte.

Es kommt halt nur auf die Sichtweise an.

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