Auf den ersten Blick wirkt das zweite Antwortpaket auf die Fragen von Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) nicht ganz so herzlos wie die Antworten zur Sanktionspraxis. Aber wenn man genauer hinschaut, wird auch hier wieder deutlich, dass die sanktionierenden Jobcenter und die beauftragenden Kommunen überhaupt nicht wissen wollen, was ihre Sanktionspraxis gegenüber Arbeitsuchenden materiell eigentlich anrichtet.

Erstaunlich ist beinah, dass das Leipziger Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule nicht mal abstreitet, dass über 7.000 Menschen durch die Jobcenter-Sanktionen „unterhalb des Existenzminimums leben“ müssen. Wer so etwas als normal ansieht, hat wahrscheinlich wirklich vergessen, was eigentlich „sozial“ bedeutet.

Dazu kommt dann, dass das Leipziger Jobcenter nicht einmal erfasst, ob die sanktionierten Personen dann auf Sachleistungen und entsprechende Nahrungsgutscheine angewiesen sind oder woher sie das Geld eigentlich nehmen, das ihnen einfach aus Disziplinierungsgründen gestrichen wurde. Die drei kleinen Fragen machen im Grunde deutlich, dass man sich amtsseitig die Sache einfach schön anmalt und nicht einmal wissen will, wie die mit Geldkürzungen bestraften Menschen mit den Folgen umgehen. Was logischerweise auch verrät, wie sich das Jobcenter tatsächlich für die sozialen Problemlagen der von Erwerbslosigkeit Betroffenen interessiert: nämlich gar nicht. Es sei denn, der Betroffene regt sich und erstreitet sich eine Einzelfallentscheidung.

Frage und Antwort komplett:

Wie vielen Leipzigern wurden in den letzten drei Jahren Leistungen über Sanktionen gekürzt? Wie lange müssen bzw. mussten Betroffene in der Folge unterhalb des Existenzminimums leben?

Die Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, welche mindestens eine Sanktion erhalten hatten, belief sich nach Auskunft des Statistik Service der Bundesagentur für Arbeit in 2014 auf 7.298 erwerbsfähige Leistungsberechtigte, in 2015 auf 7.385 erwerbsfähige Leistungsberechtigte und in 2016 auf 7.045 erwerbsfähige Leistungsberechtigte.

Wie viele Menschen wurden aufgrund dieser Maßnahmen obdachlos? Wie viele mussten auf Sach- und Nahrungsmittelgutscheine ausweichen?

Eine Sanktionierung führt nicht zu Obdachlosigkeit. Es wird die Regelleistung gemindert. Ein Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung ist nur bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unter 25 Jahren möglich.

Daten zu Sachleistungen werden statistisch nicht erfasst.

Welche Maßnahmen wurden während der Kürzung aktiv durch das Jobcenter ergriffen, um die Lebenssituation der Betroffenen wieder auf ein existenzsicherndes Minimum zu heben?

Das existenzsichernde Minimum ist auch noch mit Kürzung der Geldleistung durch die Gewährung von Sachleistungen in der Höhe des jeweiligen Bedarfs im Rahmen einer Einzelfallentscheidung gewährleistet.

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