Da half dann auch das kleine ironische Zwinkern nicht, mit dem die Freibeuter-Fraktion ihre Stadtratsanfrage zur jüngst verhängten Neutralitätspflicht für die Stadtratsfraktionen stellte. Sie bekam auf die Anfrage eine strohtrockene Antwort, die einiges impliziert. Denn wenn der Verwaltungsbürgermeister seine Antwort ernst meint, müssten Leipzigs Stadträte demnächst wie Stadtangestellte bezahlt werden.

„Wie stellt der Oberbürgermeister während der sechs Wochen vor der Bundestagswahl 2017 sicher, dass es keine Kritikpunkte gibt, die aufgrund einer möglichen öffentlichen Diskussion Einfluss auf das Wahlverhalten der Bürger haben können?“, hatten die Freibeuter gefragt, nachdem der Verwaltungsbürgermeister ein Papier an die Fraktionen geschickt hatte, das in den meisten Fraktionen nur so interpretiert werden konnte, dass sich Mitglieder der Ratsversammlung im Vorfeld einer Wahl jeder politischen Stellungnahme zu enthalten hätten – erst recht und gerade als Stadträte.

Die Begründungen fand der Bürgermeister in zwei Uralt-Gerichtsbeschlüssen, die aber beide nichts mit gewählten Gemeinderatsmitgliedern zu tun haben, sondern jedes Mal das Verhalten von Verwaltungsbehörden und Regierungen in den Fokus nahmen. In beiden Gerichtsbeschlüssen war der Tenor, dass öffentliche Gelder auch von Amtsträgern nicht dazu benutzt werden dürfen, auf irgendeine Weise Wahlkampf zu machen. Und sei es auch nur, um die Erfolge der eigenen Partei in der Regierungsarbeit zu propagieren.

Diese Zurückhaltung hat auch die Sächsische Regierung in einer Verwaltungsvorschrift noch einmal betont.

Aber sind Gemeinderäte Teile der Verwaltung?

Denn genau so interpretiert Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning die Rechtslage.

Dass das möglicherweise viel zu eng ist, haben wir hier schon einmal ausklamüsiert.

Aber das Augenzwinkern der Freibeuter hat nichts geholfen. Im Gegenteil: In seiner Antwort bestärkt Hörning noch einmal seine Ansicht und geht sogar noch einen Schritt weiter.

„Der Oberbürgermeister ist nicht verpflichtet, Kritikpunkte, die öffentlich diskutiert werden, zu verhindern oder gar Diskussionen zu untersagen. Eine öffentliche Diskussion auch und gerade vor Wahlen ist vielmehr gewünscht. Die Verwaltung hat jedoch darauf zu achten, dass sie bei aller öffentlichen Diskussion die Neutralität wahrt. Dies gilt ausdrücklich auch für die einzelnen Fraktionen der Ratsversammlung, die Teil der Verwaltung sind, und eben kein Organ einer Partei, auch wenn die Mitglieder der Fraktionen überwiegend einer Partei angehören und als Mitglied einer Partei einen Sitz in der Ratsversammlung erlangt haben. Daher wird vor jeder Wahl auf die besondere Neutralitätspflicht insbesondere in der heißen Wahlkampfphase, 6 Wochen vor dem Wahltag, ausdrücklich innerhalb der Verwaltung hingewiesen, so zuletzt auch vor der letzten Kommunalwahl.“

Die Krux steckt in seiner Formulierung, Fraktionen seien „Teile der Verwaltung“.

Womit er die Fraktionsmitglieder zu Stadtangestellten macht.

Aber davon steht nichts in der Sächsischen Gemeindeordnung. Dort kann man zur Rechtsstellung der Gemeinderäte lesen: „Der Gemeinderat ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde. In Städten führt der Gemeinderat die Bezeichnung Stadtrat.” Das andere „Organ der Gemeinde“ ist übrigens nicht die Verwaltung, sonder allein der (Ober-)Bürgermeister.

Gemeinderäte und ihre Mitglieder sind Organe der Gemeinde, nicht der Verwaltung. Das ist ein Unterschied. Und wie sie sich verhalten dürfen, wird in Paragraph 35 noch einmal spezifiziert: „(3) Die Gemeinderäte üben ihr Mandat nach dem Gesetz und ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus. An Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, sind sie nicht gebunden.

Und in Pragraph 35a: „(2) Die Fraktionen wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Gemeinderats mit; sie können ihre Auffassungen öffentlich darstellen.

Aber indem der Verwaltungsbürgermeister sie zu „Teilen der Verwaltung“ macht (die den beiden „Organen der Gemeinde“ übrigens untergeordnet ist und deren Beschlüsse auszuführen hat), beschneidet er die benannte Freiheit als auch das Recht zur öffentlichen Darstellung ihrer Auffassungen, weitet also die für die Verwaltung geltende Neutralitätspflicht einfach auf frei gewählte Abgeordnete aus, die in ihren Rechten zur Meinungsäußerung gar nicht beschränkt werden dürfen.

Wahrscheinlich ist es Zeit für Leipzigs Ratsfraktionen, die Sache nicht so leichtzunehmen, wie es die Freibeuter getan haben. Dazu ist das Thema zu ernst und die Interpretation, die der Verwaltungsbürgermeister vornimmt, viel zu weitreichend. Höchste Zeit, das ernsthaft zu diskutieren.

Denn wenn die vom Verwaltungsbürgermeister geltende Auslegung stimmen würde, dann stünde jedem gewählten Stadtrat auch eine Vergütung nach den Tarifsätzen des öffentlichen Dienstes zu. Denn genau das heißt es, „Teil der Verwaltung“ zu sein. Aber dann wäre er nicht mehr frei, sondern ein bloßer Angestellter, der fremde Weisungen zu erfüllen hat. Womit sich die Leipziger die nächste Kommunalwahl wohl sparen könnten.

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Es gibt 2 Kommentare

Der Herr Hörning ist schon ein rechter Scherzkeks. Schickt der dann den Stadträten, die sich nicht an die verordnete Neutralität halten, eine Abmahnung und im Wiederholungsfall die Kündigung!?

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