Am Mittwoch, 20. September, fand im Leipziger Stadtrat der Abschied von einem Traum statt. Einem kurzen Traum, den die Grünen träumten. Dessen Inhalt aber auch andere Fraktionen teilten – zum Beispiel auch die SPD-Fraktion, wie SPD-Stadtrat Heiko Bär in seiner kurzen Ansprache anmerkte. Aber der Traum von einer eigenständigen Stadtsparkasse Leipzig platzte.

Nach halbstündiger Debatte wurden alle Punkte des Antrags der Grünen-Fraktion abgelehnt. Dafür wurde ein Punkt aus der Verwaltungsvorlage des OBM beschlossen: Er soll sich darum kümmern, dass die Sparkasse noch weiter wächst. Noch größer und leistungsfähiger wird.

Mit einem Änderungsantrag hatte Grünen-Stadträtin Gesine Märtens noch versucht, den Grünen-Antrag irgendwie zu retten. Der im Grunde durchaus auf viele positive Gefühle traf im Stadtrat. Denn noch immer schwelt der Frust über die miserable Kommunikation des Geldinstituts vom Beginn des Jahres, als man per Pressemitteilungen die Bewohner der Stadt Leipzig und der beiden angrenzenden Landkreise über die Schließung von mehreren Filialen informierte. Vorher gab es schon mächtigen Ärger um die Kündigung alter Sparverträge und zu hohe Kontogebühren.

Nicht nur die Kunden des Geldinstituts hatten das Gefühl, dass es nur noch ums Geld geht – so wie es die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft in ihrem sehr emotionalen Redebeitrag zum Thema verdeutlichte. Denn den Ärger über die Entscheidungen bei der Sparkasse bekamen auch die Fraktionen ab. Auch in der verständlichen Erwartung der Bürger, dass doch wohl der Stadtrat irgendwie Einfluss haben müsste auf die Entscheidungen des kommunalen Geldinstituts.

Aber darum drehten sich dann die meisten Redebeiträge am Mittwoch: Diesen Einfluss hat der Stadtrat nicht. Die Entscheidungen der Sparkasse werden in deren Verwaltungsrat gefällt. Da sitzt der OBM mit drin. Da sitzen aber auch die Vertreter aus den beiden Landkreisen mit drin. Denn die Sparkasse Leipzig ist schon lange nicht mehr allein. Sie ist schon seit Jahren ein Institut mit drei Trägern – vereint auch den kompletten Landkreis Nordsachsen und große Teile des Landkreises Leipzig. Deswegen sitzen auch nur zwei Leipziger Stadträte in dem Gremium (Margitta Hollick von der Linken und Christian Schulze von der SPD – und als Stellvertreter ein Stadtrat der CDU), die sich freilich, als der Ärger zu Jahresbeginn hochkochte, auch nicht gerade mit Ruhm bekleckerten.

Denn eines wurde am Mittwoch sehr deutlich festgestellt: Die Kommunikation war miserabel. Die Kunden wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Das hätte anders laufen müssen und anders laufen können.

Und noch etwas wurde deutlich: Die Einflussmöglichkeiten des Stadtrates – zum Beispiel über beschlossene Eigentümerziele – sind gleich Null. Dem steht das Sächsische Sparkassengesetz entgegen. Das würde sich auch nicht ändern, wenn die Sparkasse Leipzig 2018 wieder aus der Verflechtung mit den Landkreisen herausgelöst würde. Sie dürfte kein Eigenbetrieb werden und damit der Kontrolle des Stadtrates unterstellt werden. Oder wie es Burkhard Jung formulierte: „Wir sind nicht Eigentümer der Sparkasse, sondern nur Träger.“

Das entzieht die Sparkassen der direkten Einflussnahme der lokalen Politik. Was sie, wie man weiß, seinerzeit nicht der Einflussnahme der Landespolitik entzog, die – um die Risiko-Spiele mit ihrer Landesbank abzusichern – die sächsischen Sparkassen in einen Absicherungsverbund zwang, der erst jetzt endlich aufgelöst wird. Deswegen war das Jahr 2018 für die Grünen so wichtig: Wenn dieser Verbund endlich Geschichte ist, könnte man ja endlich ein eigenes Leipziger Sparkassen-Institut schaffen.

Das aber, so kritisierte FPD-Stadtrat Sven Morlok, wohl weniger schlagkräftig wäre als die „große“ Sparkasse. Damit folgte er der Argumentation von Burkhard Jung, der ein noch viel größeres Geldinstitut will, um die Wirtschaftsentwicklung in der Region mit den nötigen Krediten zu unterfüttern.

Nur hat das die Verwaltung in ihrem Standpunkt zum Grünen-Antrag nicht mit Zahlen untersetzt. Das kritisierte Linke-Stadtrat Steffen Wehmann. Was ja schon bei den angekündigten Filialschließungen der Sparkasse Thema war: Man behauptet einfach eine Notwendigkeit – aber Zahlen, anhand derer sich auch die Stadträte Ursachen und Größenordnung vorstellen könnten, fehlen.

Im Grunde steckten im Grünen-Antrag also sogar zwei Themen: Erstens die Steuerung des Geldinstituts im öffentlichen Interesse und die mögliche Einflussnahme des Stadtrates – die aber, wie wir jetzt wissen, durch Gesetz nicht möglich ist. Tatsächlich ist der einzige Hebel einer Einflussnahme, wie dann auch SPD-Stadtrat Heiko Bär feststellte, ein Appell an den OBM als Vorsitzenden des Sparkassen-Verwaltungsrates, dort im Sinne der Leipziger aktiv zu werden. Zum Beispiel, seinen Einfluss geltend zu machen, um eine Filialschließung in Grünau zu verhindern.

Anweisen kann er das sowieso nicht.

Und eben zweitens: In dem Appell steckt eben auch ein Punkt, der im Sächsischen Sparkassengesetz zumindest formuliert ist: „Die Mitglieder des Verwaltungsrats handeln nach ihrer freien, nur durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl und die Aufgaben der Sparkasse bestimmten Überzeugung. Sie sind an Weisungen nicht gebunden.“

Aber: Wer definiert, was öffentliches Wohl ist und wo sich das mit den „Aufgaben der Sparkasse“ beißt oder ergänzt?

Es geht um das heiß diskutierte Thema Transparenz.

Da der Verwaltungsrat über seine Sitzungen nicht öffentlich informiert, tappen die Mitglieder der Ratsversammlung im Dunkeln, können nur hoffen, dass die Geschäftsleitung der Sparkasse und des Verwaltungsrates doch irgendwie das Richtige tun.

Was ja bekanntlich mit der alten Sparkassenleitung, die vor zehn Jahren ausgetauscht wurde, schiefgegangen ist. Da haben die Selbstkontrollen versagt. Dass das freilich auch bei Leipziger Kommunalunternehmen passieren kann, in deren Aufsichtsräten die Stadträte sitzen, hat man ja bei den Wasserwerken erlebt. Die Kontrollmöglichkeiten dieser Gremien sind begrenzt. Deswegen hat der Leipziger Stadtrat ja nach allen Rumpeleien bei den städtischen Unternehmen begonnen, für diese klare Eigentümerziele zu beschließen.

Etwas, was die Grünen jetzt auch für die Sparkasse wollten. Aber das ist – aufgrund der Unternehmensstruktur – nicht möglich.

Blieb trotzdem die Frage im Raum: Warum gab es vor den Entscheidungen, die seither für heftigen Ärger bei den Kunden gesorgt haben, keine frühzeitige Diskussion oder Information? Von einem Kommunikationsdesaster sprach Gesine Märtens.

Ihr Änderungsantrag half dann freilich nicht mehr. Nachdem ihre Vorredner so emsig die Rechtslage erklärt hatten und dass das Anliegen der Grünen irgendwie auch gesetzwidrig gewesen wäre, stimmte die übergroße Mehrheit des Stadtrates gegen jeden einzelnen Punkt des Grünen-Antrages.

Dafür bekam Burkhard Jung die breite Zustimmung für sein Anliegen, die Sparkasse noch weiter zu vergrößern und um die Eingliederung weiterer anderer Sparkassen zu werben. Motto: Ein richtig starkes Finanzinstitut für die Region. Damit hier ordentlich Kredite vergeben werden können.

Nur das mit dem Einfluss der Kommunalparlamente – keine Chance. Ist nicht vorgesehen.

Das Audio der Debatte vom 20. September 2017 im Stadtrat Leipzig

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Wenn sowieso kein demokratisch zusammengesetztes Gremium diese heeren Ziele, wie Kreditvergabe für Unternehmer bzw. Unterstützung der Wirtschaftsentwicklung, steuert, wozu muss dann der OBM im Verwaltungsrat sitzen? Wo steuert der OBM im Interesse aller Bürger bzw. kann es überhaupt? Bei der Sparkasse kassiert er im Jahr ingesamt ca. 20000EUR aus verschiedenen Anlässen als Aufwandsentschädigung (Quelle Bericht 2014)! Für diesen Betrag muss man bestimmt viel Zeit investieren. Nun wäre die Frage, wie eine derart zeitintensive Funktion als OBM noch solche Nebentätigkeiten zulässt. Und ob diese für den Bürger irgendeinen Mehrwert besitzt.

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