Wie sich BMW für junge Geflüchtete engagiert, welche Chancen, Herausforderungen und Probleme die Fraktionen im Themenkomplex Bildung und Migration sehen und was der Migrationsbeirat dazu sagt, war Inhalt einer bildungspolitischen Stunde im Stadtrat. Alle Beteiligten hoben dabei die überragende Bedeutung von Bildung hervor.
Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) führte zunächst in das Thema ein: „Bildung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Ankommen in der Gesellschaft und zur gesellschaftlichen Teilhabe.“ In Leipzig gebe es 100 sogenannte DaZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) an 60 Schulen. Mehr als 30 Anbieter würden Deutschkurse anbieten – vor allem die Volkshochschule spiele dabei eine wichtige Rolle. Hinzu kämen zahlreiche Angebote in Kultur und Sport. Fabian erwähnte beispielhaft das Theater der Jungen Welt, an dem Künstler und Geflüchtete gemeinsam ein Projekt gestalteten.
Als einer von zwei Gastrednern ergriff anschließend Dirk Wottgen, der Personalleiter des lokalen BMW-Werks, das Wort. „Die Integration von geflüchteten Menschen liegt uns sehr am Herzen“, sagte er und brachte dazu ein Beispiel an. Am 1. Januar 2016 hätte BMW in Leipzig zehn Jugendliche aus Somalia und Eritrea aufgenommen. „Wir haben uns bewusst dazu entschieden, ein Zeichen für Offenheit und Toleranz zu setzen.“ Sechs Jugendliche seien am 1. August vergangenen Jahres in die reguläre Ausbildung übernommen worden.
Die Bildungs- und Migrantionsstunde vom 20.09.2017 zum Nachhören
Wottgen nannte drei Aspekte, die ihm besonders wichtig erscheinen: das Lernen der deutschen Sprache, kulturelle Integration und die Behandlung psychischer Probleme. Letztere resultierten häufig aus traumatischen Fluchterfahrungen und einem unsicheren Aufenthaltsstatus. Um Sprachprobleme zu beseitigen, habe BMW einen Sprachlehrer beschäftigt, der den jungen Menschen zehn Stunden pro Woche bestimmtes Fachvokabular beigebracht habe.
Für sein Unternehmen sei eine internationale Zusammensetzung aus zweierlei Gründen wichtig: Es sei notwendig in Zeiten der Globalisierung und würde die „Innovations- und Problemlösungsfähigkeit“ erweitern.
Im Anschluss äußerten sich Vertreter der Fraktionen. Michael Weickert (CDU) erklärte: „Wenn Migration durch Bildung gelingen soll, müssen wir deutlich machen, worin sich Migranten integrieren sollen. Wir müssen uns selbst über unsere Identität im Klaren sein.“ Zudem stehe man vor der Aufgabe, mit „Menschen umgehen zu müssen, die sich nicht integrieren wollen“. Margitta Hollick (Die Linke) betonte, dass für viele Migranten die Wirklichkeit in Deutschland nicht unbedingt den eigenen Vorstellungen entspräche und verwies dabei unter anderem auf eine Besonderheit wie die duale Ausbildung.
Christopher Zenker (SPD) fand, dass Einwanderung das Land in den vergangenen Jahrzehnten vorangebracht habe und forderte ein Einwanderungsgesetz, eine Verlängerung der Schulpflicht bis zum 25. Lebensjahr und einen stärkeren Fokus auf frühkindliche Bildung. Derzeit seien nur 60 Prozent der Kinder von Migranten in Kitas. Der Aufenthalt dort sei jedoch wichtig für das Lernen der deutschen Sprache. Zudem kritisierte Zenker die deutsche Abschiebepraxis: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass man vor allem die Menschen abschiebt, die gut integriert sind.“ Als größte Integrationshindernisse bezeichnete er Bürokratie und Perspektivlosigkeit.
Petra Cagalj Sejdi von den Grünen beklagte, dass bei den Gastrednern die Perspektive der zu Integrierenden gefehlt habe. Zudem regte sie an: „Wir brauchen eine viel stärkere Zusammenarbeit aller Bildungsakteure in Leipzig.“ Sejdi kritisierte, dass berufliche Vorkenntnisse bislang kaum eine Rolle spielen würden.
Christian Kriegel (AfD) lobte, dass bei einem Großteil der Heranwachsenden die Bereitschaft, sich den Bildungsangeboten zu öffnen, vorhanden sei. Jedoch würden viele minderjährige Geflüchtete das Asylrecht missbrauchen – da sie in Wahrheit bereits volljährig seien. Zudem forderte Kriegel eine verpflichtende Teilnahme am Sport- und Schwimmunterricht sowie eine gleichmäßige Verteilung von Migranten auf die Leipziger Schulen. René Hobusch (FDP/Freibeuter) stellte ebenfalls einige Forderungen in den Raum: Bildung für alle vom ersten Tag an, Erarbeitung eines Einwanderungsgesetzes und mehr Kitaplätze.
Zum Abschluss sprach Kanwal Sethi, der Vorsitzende des Migrantenbeirats: „Leipzig ist in den Neuen Bundesländern ein Vorreiter bei der Integration in die Stadtgesellschaft.“ Probleme gebe es jedoch unter anderem noch mit Diskriminierung im Bildungsbereich. Zudem würde mehr Personal mit Migrationshintergrund und interkultureller Kompetenz benötigt. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bilanzierte: „Viel geschafft, aber noch mehr zu tun.“
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” Wir müssen uns selbst über unsere Identität im Klaren sein”
Das beten die von der CDU ständig vor. Mir scheint, die haben damit selbst so ihre Probleme, ich kenn meine Identität zumindest ganz gut. Dazu brauch ich keinen “christlichen” Denkanstoß.