10 Prozent Überschreitung. Mehr sollten es nicht sein, aber wer die Stickstoffdioxidgrenzwerte auch 2016 noch um 10 Prozent überschritt, dem flatterte als Kommune dieser Tage eine Klage auf den Tisch. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die beim Thema Diesel-Skandal jetzt Nägel mit Köpfen macht, verklagt all jene Städte, die die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nicht einhalten.

16 Städte hat die DUH zum Teil schon erfolgreich verklagt. Die Gerichte bestätigten, dass die Kommunen verpflichtet sind, Fahrverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge zu verhängen, die die Bedingungen für die Euro-Norm 6 nicht erfüllen. Denn mittlerweile hat sich der Verdacht bestätigt, dass gerade die Dieselfahrzeuge dazu beitragen, dass die Städte ihre Ziele für die Schadstoffsenkung in der Luft nicht erreichen.

„Seit mehr als sieben Jahren verweigern Bundes- und Landesregierungen den von Dieselabgasen geschädigten Menschen ihr Recht auf saubere Luft. Alle staatlichen Stellen sind an Recht und Gesetz gebunden. So steht es in unserer Verfassung“, stellt Remo Klinger fest, der die DUH in den Klagen für saubere Luft anwaltlich vertritt. „Die massiv überschrittenen Grenzwerte wird man nur einhalten können, wenn entweder alle bisher zugelassenen Diesel-Pkw technisch nachgerüstet oder ihnen die Zufahrt in hochbelastete Innenstädte untersagt werden. Dies ist das Ergebnis aller bisher geführten Gerichtsverfahren. Es ist nicht vorstellbar, dass sich dies in einem Revisionsverfahren ändert, die Tatsachen sind einfach zu deutlich. Da die Autoindustrie keine technische Nachrüstung anbieten möchte, bleiben nur Fahrverbote.“

Am Donnerstag kündigte die DUH an, dass jetzt weitere 45 Städte verklagt werden, wo der Jahresmittelwert für das klima- und gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid den Grenzwert um mindestens 10 Prozent überschreitet. EU-weit liegt dieser Grenzwert bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter im Jahresmittel.

Und diesmal sind es nicht nur hochbelastete westdeutsche Städte, die mit allen Maßnahmen die hohe Luftbelastung nicht in den Griff bekommen. Mit Halle (Mittelwert 46 Mikrogramm) und Dresden (45 Mikrogramm) sind jetzt auch zwei ostdeutsche Städte dabei, die zögern und zaudern, wenn es um eine echte Minimierung der Schadstoffbelastung geht.

Leipzig ist denkbar knapp an einer Klage vorbeigeschrammt. Wobei nicht recht klar wird, warum die DUH die Stadt an der Pleiße ausspart. Denn tatsächlich hat Leipzig die größeren Probleme, seine Luftbelastung in den Griff zu bekommen. 2016 wurde hier ein Jahrsmittel für Stickstoffdioxid von 50 µg/m³ ermittelt – Tendenz steigend. Im Vorjahr waren es nur 49, 2014 sogar nur 40. Vielleicht war es dieser Wert, der die DUH zögern ließ und hoffen lässt, die 2011 eingeführte Umweltzone würde Leipzig vielleicht helfen, das Problem in den Griff zu bekommen.

Aber die Steigerung kommt nicht von ungefähr, denn nicht nur der Pkw-Bestand wächst in Leipzig rasant, auch der Anteil der Diesel-Fahrzeuge ist (trotz Diesel-Affäre) immer weiter gewachsen.

Damit teilt Leipzig das Schicksal der anderen Großstädte. Und das, obwohl sich die Stadt 2015 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt hat: Das Stundenmittel bei Stickstoffdioxid auf 20 µg/m³ zu senken. Die DUH-Klagen machen jetzt auch Leipzig deutlich, dass es mit Schönmalen und Abwarten nichts anderes riskiert als Klagen und Fahrverbote. Die Klimaschutzpolitik muss auch in Leipzig endlich eine andere, konsequentere werden.

Und das wird sich auch im künftigen „Integrierten Stadtentwicklungskonzept“ (INSEK) niederschlagen müssen.

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