Mal so ganz bescheiden in die Runde gefragt: Muss man eine ganz bestimmte Art von Schnöseligkeit mitbringen, um bei der Leipziger Jungen Union mitzumachen? So ein gegeltes Bürgerkind-Gehabe mit der rotzfrechen Überheblichkeit des Gutbetuchten, der für nichts mehr kämpfen muss, aber alles verachten darf? Nur mal so als Frage. Diesmal war es Rainer Burgold, Kreisvorsitzender Junge Union Leipzig, der seine Verachtung für die Jusos formulieren musste.
Das las sich dann so: „PEINLICH: Leipziger SPD braucht 27 Jahre um festzustellen, dass es Linksextremismus gibt
GEHT GAR NICHT: Jusos relativieren weiter Gewalt von Linksextremisten
Peinlich! Die Leipziger SPD hat 27 Jahre gebraucht um festzustellen, dass es tatsächlich auch ein Problem mit Linksextremismus gibt. Liebe SPD – guten Morgen! Es hat sicher weh getan erstmalig diese Worte in den Mund zu nehmen – und dann noch gezwungener Maßen aus wahlkampftaktischen Gründen, weil euch sonst die letzten Wähler abhandenkommen. Die Leipziger Jusos haben dennoch weiter nichts anderes zu tun, als ihrer Mutterpartei in dieser Frage zu widersprechen und Gewalt von Links weiter zu relativieren. Linksextreme Gewalttäter werden weiter als ‘linke Akteur*innen’ bezeichnet. Sie beweisen damit, dass sie weiter Teil des Problems in dieser Debatte sind. Wir sagen jede Form der Gewalt ist schlecht und fordern die Jusos dazu auf, endlich zur Vernunft zu kommen und es uns gleichzutun. Fakt ist, auch der G20-Gipfel hat bewiesen, linke und rechte Gewalttäter befinden sich in der derzeitigen Gewaltspirale auf Augenhöhe! Jeder Extremist ist Mist! Links bleibt einfach unwählbar!“
Die Aufforderung an die Jusos, so wie die JU zu werden, haben wir fettgemacht.
Wirklich eingegangen auf das, was die Leipziger Jusos vorher veröffentlicht hatten, ist Rainer Burgold nicht. Denn davon, dass die jetzt den „Linksextremismus“ gefunden hätten, stand da nichts. Im Gegenteil: Sie verwahrten sich gegen das Extremismus-Gehubere der sächsischen CDU.
Das las sich nämlich so:
„Jusos Leipzig zeigen klare Kante gegen Gleichmacherei
Ob lechts oder rinks ist nicht egal!
Die Jusos Leipzig warnen vor der Verwendung des Extremismusbegriffs und der Gleichsetzung von linken Aktivist*innen mit rechtsradikalen Menschenfeinden oder religiösen Fanatismus.
Als Reaktion zu der stärker in den Fokus geratenen Debatte über die Gefährlichkeit von linken Strukturen und Gewalt von sogenannten ‚Linksextremisten‘ erklärt Alexej Stephan, stellvertretender Vorsitzender der Jusos Leipzig: ‚Indem Gewalt von Akteur*innen aus dem politisch linken und rechten Spektrum immer wieder in einem Atemzug genannt wird, wird das Gefühl suggeriert, von beiden Seiten ginge eine ähnliche Gefahr für unsere Gesellschaft aus. Das ist auf mehreren Ebenen falsch. Zum Einen ist die Anzahl der Straftaten aus dem rechten Spektrum immer noch ungleich höher und zum Anderen sind die Straftaten ganz andere. Rassist*innen und Nazis begehen viel häufiger Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, während sich Straftaten aus linken Kontexten zumeist gegen Sachen oder das Versammlungsgesetz richten.‘
‚Der Extremismusbegriff hinkt zudem schon als solcher. Danach gibt es eine vermeintlich unbedenkliche politische Mitte, die von den extremen Rändern von rechts und links bedroht wird. Gerade Phänomene wie Pegida, AfD und Compact zeigen aber, dass demokratie- und fremdenfeindliche Ressentiments in einem großen Teil der Gesellschaft verankert sind. Insofern ist es für uns Jusos mehr als enttäuschend, dass eine etwaige unreflektierte Haltung auch vermehrt aus der SPD zu vernehmen ist.‘
Die Jusos Leipzig lehnen die unbedarfte Benutzung des Extremismusbegriffs genauso ab, wie die Gleichsetzung kritischen, linken Engagements mit militanten Nazistrukturen.
Abschließend erklärt Alexej Stephan: ‚Für uns Jusos sind Sachbeschädigungen kein Mittel linker Politik, dies lehnen wir klar ab. Wir streiten auch weiter für eine demokratische Gesellschaft und fordern ein Ende der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements!‘“
***
Lesen Sie es ruhig noch einmal. Die Jusos wenden sich gegen jede Art von Gewalt. Linksextremismus setzen sie in Gänsefüßchen – und zwar aus gutem Grund. Und vor allem wehren sie sich gegen das augenblicklich neu aufschäumende Extremismus-Gedöns, das gerade Unionspolitiker entfacht haben, um gleich mal alles (aus ihrer Sicht) Linke in Verdacht und Misskredit zu bringen.
Auch – und das ist das Fatale an der Diskussion – all die friedlichen, klugen, zukunftsfähigen Aktivitäten der Parteien links von der CDU.
Und was bekommen sie von den jungen Unionisten dafür? – Keine Zustimmung, sondern Hohn und Verachtung. Und gleich noch die Unterstellung, sie würden „linksextreme“ Randale verharmlosen.
Auf die eigentliche Kritik – „Der Extremismusbegriff hinkt zudem schon als solcher. Danach gibt es eine vermeintlich unbedenkliche politische Mitte, die von den extremen Rändern von rechts und links bedroht wird“ – geht Rainer Burgold gar nicht erst ein. Man verweigert das Gespräch, indem man sich einfach arrogant über die Anderen stellt. Da muss man weder über eigenes Versagen oder gar Problemlösungen nachdenken. Erstaunlich, wie früh das in diesem Jugendverband geübt wird.
Und so öffentlich und so unübersehbar verlogen. Was erst bei genauerem Lesen auffällt. Denn die Jusos hatten eben nicht nur von „linken Akteur*innen“ gesprochen, wie Rainer Burgold behauptet. Alexej Stephan, stellvertretender Vorsitzender der Jusos Leipzig, sprach eindeutig „von Akteur*innen aus dem politisch linken und rechten Spektrum“, die (gerade von der Union) „immer wieder in einem Atemzug genannt werden“. Er hat die fehlende Differenzierung kritisiert, die gerade in Sachsen dazu geführt hat, dass man die gewaltbereiten Netzwerke der Rechtsextremen jahrelang unterschätzt und ignoriert hat.
Da hat der Junge-Unions-Vorsitzende also ganz bewusst die Aussagen verdreht und hingebogen, bis er eine Keule draus gemacht hat, mit der er auf die Jusos einhämmern konnte. Ein ziemlich schräger Beitrag zu einer Diskussion, die augenscheinlich die Union nicht führen will. Ist ja alles eins und für Gewalt sind immer nur die Anderen verantwortlich, vor allem die Linken. So schiebt man alle Probleme den Anderen zu: Macht mal, ändert euch. Wir sind die Perfekten.
Aber das war eigentlich nicht der Punkt, der an der Juso-Wortmeldung zum Nachdenken anregte.
Zu einem weiteren Beitrag zum Thema: Endlich populistisch: Die CDU Leipzig versuchts als Spaßpartei
Kommentar: Endlich populistisch – Die CDU Leipzig versuchts als Spaßpartei
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