Alle Jahre wieder präsentiert auch Leipzigs Polizei die neue Straftatenstatistik. Meist gibt es dann ein lautes Geschrei und gerade konservative Parteien malen feurige Schreckensbilder von steigender Kriminalität. Meist folgen dann dicke Forderungen an OBM und Ordnungsdezernat, die Stadt solle bitte mehr tun. Zum Beispiel die Stadtordnungsbehörde zur Polizeibehörde aufwerten, wie jüngst die CDU beantragte.

Das Kopfschütteln aus den anderen Fraktionen folgt dann meist postwendend. Denn mittlerweile hat sich ja herumgesprochen, dass Leipzig besonders unter der völlig verkorksten „Polizeireform 2020“ zu leiden hat. Auch der OBM hat deutliche Worte zu den fehlenden 200 Polizisten in der Leipziger Polizeidirektion gefunden. Die übrigens selbst mittlerweile immer deutlicher wird mit Hinweisen auf die dünne Personaldecke. Denn die verbleibenden Polizisten kommen ja nicht mehr hinterher, die Straftaten aufzuklären oder gar den Kriminellen die Arbeit durch Präsenz zu vermiesen.

Und dazu kommt, dass man das Sicherheitsempfinden der Leipziger ganz und gar nicht erhöht, wenn man ständig Alarm bläst. Das führt im Gegenteil dazu, dass sich die Leipziger in ihrer Stadt immer unsicherer fühlen, wie gerade die jüngste Umfrage zum Sicherheitsempfinden der Leipziger ergab. Das Getute mit dem Alles-wird-immer-schlimmer-Horn sorgt dafür, dass die Leipziger tatsächlich glauben, es werde immer schlimmer. Auch dann, wenn die steigenden Straftatenzahlen ganz konkrete Kriminalitätsfelder betreffen und die Lösungen oft gerade in besserer Prävention liegen.

Und zwar genau in den Stadtteilen, wo sich die Unsicherheiten ballen, wie die SPD-Fraktion jetzt feststellt.

Sie hat einen Antrag ins Ratsverfahren gebracht, durch den der Kommunale Präventionsrat eine stärkere Rückkopplung in die Stadtbezirke bekommen soll, um auch Projekte der Kriminalitätsprävention wirksam in den verschiedenen Stadtgebieten zu verankern.

Der Präventivrat ist das Gremium, in dem Stadt und Polizei eng zusammenarbeiten, um gemeinsam Lösungen für die Minderung von Kriminalitätsproblemen zu finden. Denn meist ist der Erfolg größer, wenn Stadt wie Polizei sich besser austauschen und Prävention und Kriminalitätsbekämpfung aufeinander abgestimmt sind.

Was die SPD jetzt möchte, ist eine stärkere Einbeziehung der Stadtbezirksbeiräte, die für viele Bürger vor Ort oft der erste Anlaufpunkt sind, wenn sie Probleme ansprechen möchten.

„Schon die letzte polizeiliche Kriminalstatistik hat gezeigt, dass wir in Leipzig wieder mit einer gestiegenen Kriminalitätsrate konfrontiert werden. Die Kommune selbst ist bei der Kriminalitätsbekämpfung jedoch auf die Landespolizei angewiesen“, erklärt Claus Müller, der die SPD-Fraktion im Fachausschuss Umwelt und Ordnung vertritt. „Dennoch können und müssen wir im Bereich der Prävention aktiv sein und diese Präventionsarbeit wollen wir auch stärker in die Stadtbezirke hinein vernetzen.“

Das Thema Ordnung und Sicherheit spiele für die sozialdemokratische Fraktion eine wichtige Rolle, betont er. So habe sich die SPD-Fraktion bereits in den Verhandlungen zum aktuellen Doppelhaushalt, wie auch andere Fraktionen, für eine Aufstockung des Stadtordnungsdienstes und eine verbesserte bzw. angepasste Ausstattung der Mitarbeiter eingesetzt. Da ging es vor allem um den Aufbau einer Fahrradstaffel, die auch in weniger gut zugänglichen Bereichen der Parks und im sonstigen Stadtgebiet schnell vor Ort sein kann.

Aber das ist vor allem wichtige Präventionsarbeit. Aber anders als die CDU fordert, könne die Stadt nicht die Löcher füllen, die das Land durch fehlende Polizisten gerissen habe.

„Der kommunale Präventionsrat ist ein Baustein, Kriminalität vorzubeugen und das Sicherheitsgefühl der Leipzigerinnen und Leipziger zu erhöhen. Der wichtigste Baustein ist und bleibt hierbei allerdings die Polizei, denn sie ist für die Bekämpfung der Kriminalität zuständig“, sagt Müller etwas, was in der überdrehten Diskussion immer wieder beiseite gedrängt wird. Es ist die Sicherheitslage in den Kommunen, die Innenminister Markus Ulbig (CDU) durch seine fatale „Polizeireform 2020“ verschlechtert hat.

So sieht es auch Müller: „Allerdings hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung nicht eingesehen, dass eine wachsende Stadt auch mehr Polizei benötigt, und Stellen in Leipzig gestrichen. Hier fehlen deshalb rund 200 Polizisten und die können über den Stadtordnungsdienst nicht kompensiert werden. Der neuerliche Vorschlag der CDU, den Stadtordnungsdienst personell aufzustocken und die Mitarbeiter robuster auszurüsten, ist dennoch im Grunde sinnvoll, aber auch hier müssen wir berücksichtigen, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes nur im Rahmen der kommunalen Zuständigkeiten tätig werden dürfen, was den Aktivitätsradius einschränkt.”

So könnten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes die Polizei beispielsweise bei Lärmbelästigungen entlasten, so dass sich die Polizisten um dringendere Fälle kümmern können. Claus Müller: “Eine bessere Ausrüstung und verlängerte Einsatzzeiten des Ordnungsdienstes, auch in den Nachtstunden und an den Wochenenden, tragen wie der Präventionsrat dazu bei, dass das Sicherheitsgefühl in der Stadt steigt und Kriminalität vorgebeugt werden kann.“

Die Aufwertung des Stadtordnungsdienstes könne also helfen – gerade da, wo es eher um Störungen im öffentlichen Raum geht. Aber sie kann die fehlenden Polizisten nicht kompensieren. Schon gar nicht in der Dimension von 200 einsatzfähigen Polizisten.

Aber Müller signalisiert auch, dass man den CDU-Antrag in der SPD-Fraktion nicht in Gänze ablehnt: Seine Fraktion gehe vor dem Hintergrund der letzten Haushaltsdiskussionen, als sich mehrere Fraktionen für die personelle Aufstockung des Ordnungsdienstes stark gemacht haben, davon aus, dass es eine sachorientierte Diskussion geben wird, wenn es um Verbesserungen bei Sicherheit und Ordnung in der Stadt geht.

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