Als die Grünen jüngst im Stadtrat nachfragten, wie es mit den Ersatzpflanzungen für gefällte Bäume bei Bauvorhaben steht, bekamen sie eine Antwort, die sie regelrecht entsetzte. Das noch von CDU und FDP verabschiedete „Baum-ab-Gesetz“ sorgt auch dafür, dass es selbst für wertvolle Bäume in 30 Prozent der Fälle keinen Ersatz gibt. Die Stadt ist ohnmächtig und kann nur auf Goodwill hoffen.
Aber das kann es doch nicht sein in einer Stadt, die in den Sommern immer öfter unter Hitzewellen leidet, wo jedes bisschen Schatten gebraucht wird, wo aber auch der Lebensraum für Tiere immer mehr schwindet. Deshalb gibt es ja die gesetzlich vorgeschriebenen Kompensationen für Bäume, wenn wegen eines Neubaus gefällt werden muss. Und das betrifft nur den geschützten Baum- und Buschbestand, nicht all die Bäume, die völlig ohne Wissen der Stadt gefällt werden dürfen, weil sie das „Baum-ab-Gesetz“ schlicht für nicht schützenswert erklärt hat.
Das, was die damaligen Verfasser des Gesetzes als Entbürokratisierung verkauften, ist tatsächlich eine Entmachtung der Kommunen, wenn es um den Erhalt der wichtigen innerstädtischen Baumbestände geht.
Die Städte in Sachsen brauchen wieder eine klare gesetzliche Handhabe, fordern die Grünen. Und sie beantragen das jetzt auch. Leipzig möge sich bei der aktuellen Regierung für eine Stärkung des Baumschutzes stark machen.
„In einer Großstadt mit weiter wachsender Einwohnerzahl und wachsendem Flächenbedarf für öffentliche Infrastruktur und Wohnen ist es nötig, das natürliche Umfeld unter hohen Schutz zu stellen. Bäume sind ein essentieller Faktor für Lebensqualität und Gesundheit, zugleich sind sie ein wertvoller Lebensraum für viele natürliche Arten. Das Sächsische Naturschutzgesetz war 2010 mit gravierenden Folgen für den Baumschutz geändert worden, für Grundstückseigentümer wurden die Hürden bei Baumfällungsabsichten quasi entfernt“, beschreiben die Grünen in ihrem Antrag dazu den Zustand, der Leipzig mittlerweile tausende Bäume gekostet hat. 2015 schätzte der Ökolöwe, dass Leipzig binnen fünf Jahren allein 10.000 Bäume auf diese Weise verloren hatte.
Und das, obwohl Städte wie Leipzig gleichzeitig auch vom Gesetzgeber zu Klimaschutz- und Luftreinhalteplänen verdonnert werden, in denen immer wieder auf die wichtige Rolle von Bäumen hingewiesen wird.
Aber all diese Pläne sind Makulatur, wenn gleichzeitig mehr Baumbestand gefällt werden darf, als die Stadt selbst an Straßenbäumen nachpflanzen kann.
„Bäume werden u. a. auch für die Luftqualität benötigt, deswegen sind Baumfällungen eine Angelegenheit die die Allgemeinheit interessieren darf, selbst wenn sie im privaten Garten stattfinden“, betonen die Grünen. „Viele Leipzigerinnen und Leipziger beklagen deswegen zunehmend den rücksichtslosen Umgang mit wertvollem Baumbestand bei neuen Bauvorhaben oder bei Fällungen im Straßenraum aus Verkehrssicherungsgründen. Ein sensiblerer Umgang mit wertvollem Baumbestand wird gefordert.“
Und dann bezieht man sich auf die jüngste Anfrage, die ergab, dass die Verwaltung sehr vorsichtig agiert, wenn es darum geht, angewiesene Ersatzpflanzungen auch wirklich durchzusetzen.
„Der Eindruck ist, dass die aktuelle Baugenehmigungspraxis hier regelmäßig anders reagiert. Deshalb ist unsere Fraktion der Auffassung, dass es Zeit ist für eine neue politische und gesellschaftliche Diskussion zum gesellschaftlichen Wert und verbesserten Schutz wertvoller Bäume in unserer Stadt“, erklärt die Grünen-Fraktion. „Das Sächsische Naturschutzgesetz und die aktuelle Sächsische Baumschutzverordnung reichen dazu definitiv nicht aus. Es sollte daher im Interesse der Stadt Leipzig sein, beim Sächsischen Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft eine Verschärfung des Baumschutzes durch eine umgehende Gesetzesänderung einzufordern. Daraus folgend könnte die Leipziger Baumschutzordnung wieder ihre größere Schutzwirkung entfalten.“
Schon 2016 haben die Grünen im Landtag einen entsprechenden Vorstoß zu einem neuen Baumschutzgesetz in Sachsen gestartet. Doch augenscheinlich fehlt der Druck der direkt betroffenen Kommunen, so ein Gesetz auch wirklich zu verlangen. Lieber hadert man in aller Stille mit der 2010 beschlossenen Aushöhlung des Baumschutzes, obwohl man weiß, dass dadurch die eigenen Klimaschutzbemühungen torpediert werden.
„Um zukünftig vorzubeugen, soll bei der Beurteilung der Bebauung größerer Grundstücke mit wertvollem Baumbestand dessen Erhalt im Vordergrund stehen. Um diese Bäume schützen zu können, soll auch die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens samt einer Veränderungssperre erwogen werden“, formulieren die Grünen ein Anliegen, das gerade deshalb akut wurde, weil einige Besitzer großer Wohnkomplexe in jüngster Zeit mit 100-jährigen Baumbeständen in Wohnanlagen regelrecht tabula rasa gemacht haben. Die alten Bäume wurden dann zwar 1:1 durch junge Bäume ersetzt. Aber bis diese dieselben Leistungen bei Luftbereinigung und Lebensraum für Tiere bieten, werden mindestens 30 Jahre vergehen. Davon haben die jetzigen Bewohner der Anlagen also nichts.
„Der Baumschutz und die Einschätzung der Wertigkeit des Baumbestands vor der Erteilung der Baugenehmigung muss wieder eine Selbstverständlichkeit werden, wenn Leipzig den Baumschutz ernst nehmen will“, betonen die Grünen. „Berücksichtigt werden sollen alle Bäume, die durch die Errichtung von Bauwerken beeinträchtigt werden, diese Betrachtung bezieht auch Nachbargrundstücke ein. Das Konzept für den verbesserten Baumschutz soll Festlegungen beinhalten, welche Abwägungen zum Erhalt von Bäumen stattgefunden haben und wie ein festgestellter unabwendbarer Verlust von Bäumen ausgeglichen werden soll und wie dazu der Nachweis von Erbauern zu bringen ist.“
Der Antrag der Grünen-Fraktion:
Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, sich an den Freistaat Sachsen zu wenden, mit dem Ziel, dass der Baumschutz wieder einen höheren Stellenwert im Sächsischen Naturschutzgesetz und daraus folgend in der Sächsischen Bauordnung erhält.
Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ein Konzept für einen verbesserten Baumschutz bei Bauvorhaben zu erarbeiten und dieses Konzept dem Stadtrat bis Ende II. Quartal 2018 zur Beschlussfassung vorzulegen.
Teil dieses neuen Konzeptes soll sein:
- Kartierung und Wertermittlung vorhandenen Baumbestands auf Baugrundstücken,
- verstärkter Schutz erhaltenswerter Bäume auf Baugrundstücken und erhaltenswerter Randbäume auf Nachbargrundstücken,
- besonderer Schutz von besonders wertvollen sowie straßenbildprägenden Bäumen,
- vertiefte Prüfung von Umplanungen und von Entschädigungszahlungen bei reduziertem Baurecht in oben genannten Fällen,
- Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten zur Reduzierung des Baurechts in oben genannten Fällen,
- Ausnutzung aller planerischen Möglichkeiten zur Reduzierung des Tiefgaragenumgriffs (Tiefgaragen unter Baukörpern, Duplex-Garagen, Ablösung einzelner Stellplätze, etc.).
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Es gibt 2 Kommentare
Liebe Grüne! Vielleicht solltet Ihr mal durch den Auwald radeln oder gehen: da werden gerade in Mengen die alten Bäume gefällt, Eschen und auch Eichen. Die Begründung von Stadtforsten ist fadenscheinig und hält keinerlei fachlicher Diskussion stand(Eschentriebsterben, da will man schnell noch vorher die noch gesunden Bäume zu Geld machen, bzw. “Waldumbau”, da braucht es angeblich riesige Femellöcher dafür, wo die gesetzten eichen gar nicht so schnell wachsen können, wie sich Holunder, Brombeere, Spitzahorn und Co, glücklich über das viele licht, ausbreiten werden): Wäre das nicht eine allererste Aufgabe für Euch, die Ihr im Leipziger Stadtrat sitzt und diesen katastrophalen Kahlschlägen zustimmt? Ist es angemessen, sich wegen einzelner Bäume in der Stadt – die natürlich auch wichtig sind! – so aufzuregen, während in Größenordnungen die Substanz unseres Auwaldes verschachert wird? Müsste nicht in sachsen das gesetz dahingehend geändert werden, dass alte Waldbestände, gerade in einer wachsenden Großstadt, als solche zu erhalten sind? Angeblich bringt es ja finanziell der Stadt gar nichts ein unterm Strich: um so schlimmer!! Da können die alten Bäume doch stehen bleiben und weiter für saubere Luft sorgen!
Das Ärgerliche am Thema ist:
Die Stadt stellt sich hin und zuckt mit den Schultern, als könne sie für die Überschreitung von Klimagrenzwerten nichts.
Dafür gibt es von mir
a) Zustimmung, vieles kann sie nicht beeinflussen, außer einer Petition bei Petrus
b) Ablehnung.
Letzteres, weil einfach kein Bemühen sichtbar ist…; ein viele Löcher aufweisender Luftreinhalteplan; …eine viel zu autofreundliche Stadtpolitik; …ÖPNV-Ziele werden seit Erfindung des Modal Split nicht erreicht.
Und nun ruht man sich sogar noch auf den Abholzungszuständen aus, wohl wissend, dass die Abholzer und auch die Stadt selber nur ungenügend für Ersatz sorgen.
Wenn Leipzig rumjammert, man könne die Klimaziele nicht erreichen, ist das für mich einfach nur unglaubwürdig.