Wie kompliziert die Sache mit der Wahrnehmung von Störungen ist, das zeigt die Auswertung der Sicherheitsumfrage nach den Aspekten der Störungen selbst. Meilenweit führt dabei eine Störung das Rennen an, die man eher als rücksichtslos bezeichnen würde, denn als kriminell: Hundekot auf Gehwegen und in Grünflächen. 55 Prozent der Leipziger stolpern immer wieder über die stinkenden Haufen.
Und 80 Prozent von ihnen finden das auch noch stark belastend. Aber schon bei den nächsten Ärgermachern gehen Wahrnehmung und Problematisierung deutlich auseinander. Etwa bei herumliegendem Abfall, den immerhin 48 Prozent der Befragten sehr oft wahrnehmen im Stadtbild, aber nur noch 79 Prozent von ihnen fühlen sich dadurch stark gestört.
35 Prozent der Leipziger sehen immer wieder Graffiti – aber nur 58 Prozent von ihnen fühlen sich dadurch gestört. Unangeleinte Hunde nehmen 26 Prozent der Befragten wahr, nur 47 Prozent von ihnen aber fühlen sich gestört.
Zwar begegnen nur 16 Prozent der Befragten immer wieder mal zerstörten Haltestellen. Dafür stören sich 75 Prozent daran. Die Wahrnehmung von Störungen hängt also einerseits damit zusammen, ob es sie im eigenen Wohngebiet überhaupt gibt, und natürlich von der Art der Störung. Manche werden also besonders verstörend empfunden (Hundekot und zerstörte Wartehäuschen), andere nicht so.
Das wird noch deutlicher, wenn es sich um störende Menschen handelt.
Die werden im Grunde noch seltener wahrgenommen als die Verunreinigungen und Beschädigungen im Stadtbild. Nur 25 Prozent der Befragten nehmen öfter Lärm auf der Straße oder „Gruppen herumstehender oder herumsitzender Jugendlicher“ wahr. Aber während sich 59 Prozent davon vom Straßenlärm stark beeinträchtigt fühlen, sind es bei den Jugendlichen nur 28 Prozent. Herumstehen und Herumsitzen sind also augenscheinlich nicht überall dasselbe und lösen auch nicht immer dieselben Gefühle aus.
Besonders starke Abwehrgefühle lösen augenscheinlich Drogenabhängige und Dealer aus – 76 Prozent der Beobachter fühlen sich davon stark belästigt. Aber augenscheinlich bekommen nur 7 Prozent der Leipziger das Bild regelmäßig zu sehen. Das heißt: Manche Probleme sind sehr lokal begrenzt – sorgen dort aber für jede Menge Emotion.
Ganz ähnlich ist es bei öffentlichen Streitereien und Schlägereien – nur 6 Prozent der Leipziger bekommen so etwas öfter zu sehen. Aber 75 Prozent fühlen sich dadurch stark belastet.
Man ahnt schon: Wenn die Stadt hier handeln möchte, ist das stark fokussiert auf tatsächlich betroffene Gebiete. Es hilft wirklich nichts, wenn Bewohner von dörflichen Ortsteilen laut Lamento machen, wenn die Probleme in zentrumsnahen Stadtteilen anfallen. Wobei der Bericht den Leipzigern insgesamt eine hohe Sensibilität für Störungen bescheinigt. Wenn derart intensiv über einige Entscheidungen diskutiert wird, dann hat das natürlich auch damit zu tun, dass die Stadt ganz und gar nicht anonym ist und die Leipziger sehr viel Aufmerksamkeit für eine sichere Umgebung entwickeln.
Manche aus leidvoller Erfahrung. Das darf nicht vergessen werden.
Auch die wirkliche Betroffenheit durch Ordnungsverstöße wurde abgefragt. Und immerhin 36 Prozent der befragten Leipziger gaben an, dass sie in den vergangenen 12 Monaten materiell durch eine der Ordnungsstraftat selbst betroffen waren. Das waren 4 Prozent mehr als noch 2011. Die Kriminalitätsstatistik bestätigt das ja auch – insbesondere Diebstähle (allen voran der Fahrraddiebstahl) und die Wohnungseinbrüche haben zugenommen. Nur als wahrscheinlicher Grund hier angeführt: die zunehmende Beschaffungskriminalität, die aber nur zum Teil mit der Drogenkriminalität zu tun hat. Ein Arbeitsfeld, dem sich Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal verstärkt widmen will. Eine entsprechende Konferenz zu Wohnungseinbrüchen und was man dagegen tun kann, hat ja schon stattgefunden. Eine zweite folgt im September.
Dass man es mit einem hohen Grad an Beschaffungskriminalität zu tun hat, zeigen die über 8.000 von der Polizei registrierten Ladendiebstähle. Auch das ein Thema, bei dem Rosenthal insbesondere mit den Ladenbetreibern besser ins Gespräch kommen möchte.
Etwas komplizierter wird es mit der sozialen Betroffenheit, die ja von Gewalterfahrung über Belästigung bis zu Pöbeleien im ÖPNV reichen kann. Hier gaben 38 Prozent der Befragten an, in den letzten zwölf Monaten so etwas schon erlebt zu haben, satte 14 Prozent mehr als 2011. Was wieder auf den Befragungsteil zum ÖPNV verweist: Wo immer mehr Menschen auf knappem öffentlichen Raum unterwegs sind, kommt es augenscheinlich auch deutlich öfter zu aggressiven Begegnungen. Die Stimmung in der Stadt wird zunehmend gereizter.
Allein bei Pöbeleien stieg der Wert von 20 auf 32 Prozent. Und das kann Zufall sein, dass das mit den zunehmenden Pöbeleien in den „sozialen Netzwerken“ und einem zunehmend gereizteren politischen Klima (Legida & Co.) zu tun hat. Aber vielleicht trügt es auch nicht und im kleinen, kommunalen Raum spiegelt sich die zunehmend aggressivere gesellschaftliche Diskussion. Die anderen Werte der sozialen Belästigung stiegen alle nicht so stark, auch wenn die Zunahme des Fahrraddiebstahls sich im Anstieg von 13 auf 17 Prozent Betroffener genauso zeigt wie die zunehmende Belästigung im ÖPNV von 6 auf 9 Prozent.
Das erzählt alles noch nicht von einer chaotischen Stadt, aber von einem zunehmenden Aggressionspotenzial in einem Teil der Gesellschaft.
Mal von den Fahrraddieben abgesehen, die sich augenscheinlich besonders auf die innerstädtischen Ortsteile von Plagwitz übers Zentrum bis Stötteritz fokussiert haben, wo über 15 Prozent der Befragten schon einmal einen Diebstahl ihres Zweirades erlebt haben, in Lindenau sogar 26 Prozent.
Was freilich wieder die Frage aufwirft: Was kann die Stadt gegen diese Entwicklungen eigentlich tun?
Mehr dazu im nächsten Teil.
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