Wie heißt es so schön? Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Selten hat eine Landesbehörde in Sachsen einer sächsischen Großstadt bislang so deutlich bestätigt, dass die Stadt zwar planen kann, so viel sie will, aber irgendjemand ganz bestimmt dafür sorgen wird, dass ein Teil der Planungen gar keine Chance hat. Der Irgendjemand wird natürlich nicht genannt. Könnte ja peinlich sein.

„Insgesamt plant die Stadt Investitionen im Doppelhaushalt in Höhe von 231 bzw. 269 Millionen Euro“, stellt die Landesdirektion jetzt mit Genehmigung des Leipziger Doppelhaushalts 2017/2018 fest. „Aufgrund der Erfahrungen aus den Vorjahren wird deren vollständige Umsetzung jedoch als unrealistisch eingeschätzt.“

Das klingt wie eine öffentliche Ohrfeige für den Leipziger OBM.

Aber kein Wort fällt zu den Gründen dieser Nicht-Umsetzung – zu fehlenden Fördergeldern, Verzögerungen bei Antragsverfahren, einem viel zu knappen Kommunalausgleich. Der Freistaat spielt eine nicht unerhebliche Rolle dabei, wenn Kommunen wie Leipzig ihre Investitionen nicht fristgerecht umsetzen können und sich Projekte immer weiter in die Zukunft verschieben.

Die ganze Pressemeldung liest sich, als würde der steinreiche Onkel, der die Gelder lieber in großen Pensionsfonds sammelt, den knapp gehaltenen Neffen in aller Öffentlichkeit dafür rügen, dass er kein Geld hat. Fast klingt es sogar so, als würde Leipzig dafür gescholten, dass es überhaupt investiert:

„Der geplante Liquiditätsüberschuss aus der laufenden Verwaltung in Höhe von 36,4 bzw. 27,2 Millionen Euro reicht im Doppelhaushalt nicht aus, die ordentlichen Kredittilgungen von 46,5 Millionen Euro zu erwirtschaften. Für die nötigen Investitionen stehen auch im Finanzplanungszeitraum bis 2021 keine Nettoinvestitionsmittel zur Verfügung“, liest man da. „Damit kann der Finanzhaushalt nur durch Kreditaufnahmen und vorhandene Liquiditätsreserven ausgeglichen werden. Aufgrund des Investitionsbedarfs im Schulhausbau werden Kredite nötig, die zu einer Nettoneuverschuldung im Doppelhaushalt in Höhe von 8 Millionen Euro führen. Auch aufgrund des Schuldenabbaus um circa 60 Millionen Euro in 2016 wird dies von der Rechtsaufsichtsbehörde toleriert, zumal die als kritisch geltende Verschuldungsgrenze von 1.400 Euro pro Einwohner im gesamten Finanzplanungszeitraum deutlich unterschritten bleibt.“

Die „kritische Verschuldungsgrenze“ liegt lange zurück. Da liegt Leipzig mit 1.117 Euro pro Kopf mittlerweile deutlich drunter.

Die Stadt wächst – was auch steigende Steuereinnahmen mit sich bringt. Was für 2016 zum Beispiel den Effekt mit sich brachte, dass aus geplanten 10 Millionen minus am Ende 13 Millionen Euro plus wurden.

Ob der erwähnte „Liquiditätsüberschuss“ zu irgendetwas ausreichen muss, weiß kein Mensch. Finanzbürgermeister Torsten Bonew hat die künftigen Steuereinnahmen lieber knapp geplant. Und mit der (wie immer) späten Genehmigung des Doppelhaushalts in diesem Jahr beginnt ja schon das übliche „Sparen“. Anträge werden mit halbjähriger Verspätung gestellt, die Projekte starten also später. Manches, was 2017 begonnen werden sollte, rutscht ins Jahr 2018. „Liquidität“ wandert in die Zukunft.

Und dass der Haushalt knapp auf Kante genäht ist, muss man einem Leipziger Finanzbürgermeister wohl nicht extra sagen. Die Investitionszurückhaltung und das Dauersparen beim Personal haben heftige Verwerfungen hinterlassen und tragen nicht unerheblich zum Investitionsstau bei.

Im Grunde ist dieses typisch sächsische Spiel von strenger Finanzkontrolle (strenger Onkel) samt strenger Sparpolitik der Staatsregierung, die den Kommunen wichtige Investitionsspielräume vorenthält, nicht mehr wirklich begreifbar. Dieser Modus bremst alle nötigen Zukunftsinvestitionen aus. Statt die großen Wirtschaftsmotoren des Landes – die Großstädte – fit zu machen für den Wettbewerb der Metropolen, wird übers Geld gebremst und so getan, als würden die Kommunen in Sachsen unberechtigterweise über ihre Verhältnisse leben.

Zumindest der Finanzbürgermeister freut sich, dass ihm nicht auch noch zusätzliche Auflagen aufs Auge gedrückt wurden, wie sie Leipzig aus der Vergangenheit nur zu gut kennt. Nur die üblichen, die im Grunde onkelhafte Ermahnungen zu Haushaltsstrenge sind. Aber damit kann Bonew umgehen.

Für die Verwaltung endet jetzt – pünktlich vor den Sommerferien – nach öffentlicher Bekanntmachung und Auslegung die sogenannte vorläufige Haushaltsführung und der Haushalt kann für 2017/2018 wie geplant vollzogen werden.

„Mit der Genehmigung bestätigt uns die Landesdirektion, dass es erneut unter schwierigen Voraussetzungen gelungen ist, einen ausgeglichenen und somit gesetzmäßigen Haushalt aufzustellen“, sagt Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew. „Somit kann die Stadt Leipzig nun in den regulären Haushaltsvollzug eintreten und die wichtigen Investitionsvorhaben unter anderem im Bereich Kita und Schule in Angriff nehmen.“

Die Auflagen der Landesdirektion betreffen vor allem die strikte Kontrolle der Einhaltung von Haushalts- und Stellenplan sowie umfassende Berichtspflichten zum Vollzug und zur voraussichtlichen Entwicklung des Haushalts.

Die Landesdirektion hatte das so formuliert: „Da Haushaltsrisiken bestehen, hat die Landesdirektion Sachsen die Kreditgenehmigungen unter Auflagen erteilt. So drängt die Landesdirektion Sachsen auf eine strikte Einhaltung der Stellenplanung.“

Und die Skepsis der Landesdirektion in Bezug auf die Investitionen interpretiert das Finanzdezernat dann so: „Besonderes Augenmerk richtet sich dabei auch auf die Umsetzung und Finanzierung der Investitionen, die mit mehr als 500 Millionen Euro über beide Haushaltsjahre einen Rekordwert erreichen. Zudem weist die Landesdirektion darauf hin, dass die Auszahlungen im Finanzhaushalt weiterhin die Einzahlungen übersteigen. Somit sind ein Rückgriff auf die Liquiditätsreserven der Stadt und Kredite notwendig.“

„Die Auflagen unterstreichen meine mahnenden Worte in der Haushaltsrede vor dem Stadtrat“, meint Torsten Bonew. „Mit Blick auf die Zukunft müssen wir unsere Anstrengungen zum Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts intensivieren. Neben einem stringenten Controlling des Haushaltsvollzugs ist eine klare Prioritätensetzung auf die Themen Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze unerlässlich, um so letztlich die Eigenfinanzierungsgrundlage für unsere Stadt zu stärken. Zudem müssen wir die Verwaltung selbst moderner und effizienter aufstellen, um den Kostenanstieg in diesem Bereich aufzuhalten.“

Schöne Mahnung und ein kleiner Hinweis darauf, dass die Stadt schon seit ein paar Jahren am Projekt „Moderne Verwaltung“ arbeitet, das vor allem durch neue IT-Unterstützung helfen soll, Stellen einzusparen. Die Effekte sollen ab 2018 spürbar werden.

Parallel dazu muss aber an anderer Stelle Personal aufgebaut werden. 2016 wurde das zum Beispiel bei den Angeboten für die Flüchtlingsbetreuung sichtbar. Aber auch Hilfsangebote – wie beim Eigenbetrieb Engelsdorf oder der Jugendhilfe – mussten aufgestockt werden. Dasselbe gilt für die Zahl der Kita-Angestellten.

„Steigende Einwohnerzahlen bewirken steigende Fallzahlen in den verschiedensten Bereichen der Verwaltung, insbesondere in den personenbedingten Dienstleistungen, wie Bürgerservice, z. B. Meldeangelegenheiten, Personenstandswesen, KFZ-Zulassung, Baugenehmigungen, Sozialleistungen usw.“, heißt es im Stellenplanentwurf. „Es werden mehr Kita-Plätze benötigt, Schülerzahlen steigen. Neben der steigenden Anzahl dafür benötigter Erzieherinnenstellen müssen auch die baulichen Voraussetzungen für eine wachsende Stadt geschaffen werden, was sich auf den Stellenbedarf des Dezernates Stadtentwicklung und Bau auswirkt. All diese Entwicklungen wirken wiederum auf den Stellenbedarf der inneren Verwaltung.“

Und so weiter, könnte man sagen. Eine wachsende Stadt hat tatsächlich einen wachsenden Finanzbedarf.

Der Leipziger Stadtrat hatte am 1. Februar 2017 den Doppelhaushalt für die Jahre 2017 und 2018 beschlossen. Dieser schließt bei einem jährlichen Gesamtvolumen von ca. 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2017 mit einem Gesamtdefizit von 38,3 Millionen Euro ab, welches vom geplanten Gesamtüberschuss von 55,7 Millionen Euro im Jahr 2018 mehr als ausgeglichen wird, hatte die Stadtverwaltung gemeldet.

Obwohl sich diese Zahlen im Lauf der beiden Haushaltsjahre deutlich relativieren werden. Dafür werden allein schon die Steuereinnahmen sorgen. Zumindest rechnerisch würde Leipzig über die zweijährige Haushaltsperiode insgesamt einen Überschuss von 17,4 Millionen Euro erwirtschaften.

„Die Genehmigung durch die Landesdirektion ist notwendig, da die Stadt Leipzig zur Finanzierung ihrer Aufgaben und Vorhaben Kredite aufnimmt. Mit der Genehmigung bestätigt die Rechtsaufsicht die Gesetzmäßigkeit des Haushalts und verknüpft damit Auflagen zum Vollzug“, betont das Finanzdezernat. Erst wenn der Onkel dem Neffen erlaubt, das Geld wie geplant auch einzusetzen, darf der losflitzen, um sich Bonbons zu kaufen. Oder eine neue Hose.

Stellenplanung der Stadt bis 2018.

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