Die Leipziger Bevölkerung darf nicht über den Bau eines Einheitsdenkmals abstimmen. Der Stadtrat votierte mit großer Mehrheit gegen einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion. Diese wollte parallel zur Bundestagswahl über diese Frage abstimmen lassen. Die Gründe für die Ablehnung der anderen Fraktionen waren vielfältig.

Atempause oder Todesstoß? Zu dieser Frage wollte die Linksfraktion im Stadtrat eine Entscheidung auf den Weg bringen. Als sich vor fast drei Jahren die Ratsversammlung dafür entschied, das Verfahren zur Errichtung eines Einheitsdenkmals zu beenden, kommentierte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) dies mit den Worten: „Diese Atempause wird guttun.“ Nun sollten nach dem Willen der Linken die Bürger über ein neues Verfahren entscheiden – inklusive der Möglichkeit, dass es am Ende in Leipzig kein Einheitsdenkmal geben wird.

Gleichzeitig mit der Bundestagswahl am 24. September sollte ein Bürgerentscheid stattfinden, bei dem die Frage „Sind Sie dafür, dass in der Stadt Leipzig ein Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet wird?“ zu beantworten gewesen wäre. Bisherige Umfragen ließen nach Ansicht der Linksfraktion daran zweifeln, dass die Antwort mehrheitlich „Ja“ lauten würde.

Die Debatte um den Bürgerentscheid zur Bundestagswahl über das Einheitsdenkmal. Quelle: Livestream aus dem Stadtrat. Die gesamte Ratssitzung (alle Player, auch Apple) vom 21. Juni 2017 hier.

Die Stadtverwaltung lehnte das Vorhaben ab. Sie verwies auf Beschlüsse von Bundestag und Stadtrat, wonach ein solches Denkmal zu errichten sei. Diesen Beschluss hätte der Stadtrat im Juli 2014 – trotz Scheiterns des ersten Versuchs – grundsätzlich erneuert. Die Bürger seien bereits auf vielfältige Weise beteiligt gewesen. In einer Stellungnahme heißt es: „Ein Bürgerentscheid zur demokratischen Willensbildung wird prinzipiell positiv betrachtet.“ Allerdings habe das Denkmal eine über die Stadt hinausgehende Bedeutung. „Aus diesem Grund wäre hier die alleinige Befragung der Leipziger Bevölkerung nicht adäquat.“

Sören Pellmann, der Vorsitzende der Linksfraktion, betonte im Stadtrat: „Es ist für uns wichtig, dass diejenigen beteiligt werden, die für den Geist von 1989 stehen.“ Über die in dem Verwaltungsstandpunkt geäußerten rechtlichen Bedenken äußerte er Verwunderung.

„Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass die Linke hofft, dass die Frage mit ‚Nein‘ beantwortet wird“, sagte Axel Dyck aus der SPD-Fraktion. Er verwies darauf, dass es er Bevölkerung vielleicht am nötigen Wissen fehlen könne: „Die Stadtgesellschaft hat drei Jahre lang so gut wie gar nicht über dieses Thema diskutiert.“ Zudem äußerte Dyck Befürchtungen, dass der Wahlkampf in Sachen Einheitsdenkmal von Themen des Bundestagswahlkampfes überlagert werden könnte.

Die Grünen seien zwar prinzipiell für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie, jedoch müsse dies über Bürgerentscheide hinausgehen. „Wir halten eine umfangreiche Bürgerbeteiligung für nötig“, erklärte Stadtrat Tim Elschner. Das Datum zur Bundestagswahl sei verfrüht für eine Abstimmung über das Denkmal. Allerdings könne 2018, das „Jahr der Demokratie“ in Leipzig, den richtigen Rahmen bilden.

Sabine Heymann aus der CDU-Fraktion betonte, dass es weit mehr als ein Leipziger Denkmal sei: „Es ist ein nationales Denkmal mit einer europäischen Dimension. Ein Verfahren, das allein auf Leipzig und die Frage ‚Ja oder Nein‘ abgestellt ist, verbietet sich. Es ist deutlich komplexer.“ Die Freibeuterin Naomi-Pia Witte störte sich daran, dass die Initiative zu einem Bürgerentscheid nicht aus der Zivilgesellschaft oder vom Oberbürgermeister kommt, sondern von einer Partei – in diesem Fall ihrer ehemaligen. „Das hat ein Geschmäckle.“ Der AfD-Stadtrat Jörg Kühne spekulierte, dass das Denkmal „für die SED-Nachfolgepartei wohl nur schwer verdauliche Kost“ wäre.

Zum Abschluss der Debatte übte Alexej Danckwardt, genau wie Witte ein Ex-Linker, Kritik an seinen Vorrednern. Diese hätten zwar ein „Hohelied auf die Demokratie und Freiheit“ gesungen, sich aber dennoch gegen einen Bürgerentscheid ausgesprochen. „Haben Sie Angst, dass hier in Leipzig die Mehrheit der Bürger das Denkmal ablehnt?“

Neben der Piratin Ute Elisabeth Gabelmann aus der Freibeuterfraktion war er der einzige Abgeordnete, der dem Antrag der Linksfraktion zustimmte. Die anderen Fraktionen und Oberbürgermeister Burkhard Jung stimmten dagegen.

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Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

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