Leipzig verliert immer mehr Bäume. Und das sächsische „Baum-ab-Gesetz“, das die Baumschutzsatzungen der Kommunen ausgehebelt hat, hat die Sache eher noch beschleunigt. Wurden in Leipzig 2009 noch 4.856 Genehmigungen zur Beseitigung von Bäumen erteilt sowie 8.961 Ersatzpflanzungen beauflagt, so war die Stadt 2015 nur noch bei 1.404 Genehmigungen gefragt und hat 3.934 Ersatzpflanzungen beauflagt. Aber gefällt wurden deutlich mehr Bäume.

Nur fallen viele davon nicht mehr unter die Genehmigungspflicht, werden deshalb auch nicht mehr von der Stadt erfasst. Aber selbst da, wo die Verwaltung die Nachpflanzung von Bäumen und Gehölzen anordnet, versickern 30 bis 40 Prozent der Auflagen augenscheinlich im Nirwana.

„Es steht durch die anhaltende Wahrnahme an unterschiedlichsten Stellen zu vermuten, dass auch im vergangenen und in diesem Jahr zahlreiche weitere Bäume durch die weitere starke Bautätigkeit im gesamten Stadtgebiet gefällt wurden“, hatte die Grünen-Fraktion jetzt im Frühjahr eine Anfrage formuliert, mit der sie versuchte, aktuellere Zahlen für die Baumpflanzungen in Leipzig zu bekommen. „In Bebauungsplänen werden stets Festlegungen zur Nachpflanzung von Bäumen, Hecken, Sträuchern etc. beschlossen, währenddessen bei Baugenehmigungen unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen dahingehend Auflagen erteilt werden, um einen Ausgleich für die im Baugebiet beantragten Fällungen zu gewährleisten. Während diese Festsetzungen in B-Plänen öffentlich einsehbar sind, werden die Pflanz- und Fällauflagen im Rahmen von Baugenehmigungen nicht öffentlich bekannt.“

Wofür das Umweltdezernat jetzt folgende Erklärung liefert: „Da diese Verfahren im Zusammenhang mit privatrechtlichem Eigentum stehen, ist aus Datenschutzgründen keine grundstücksbezogene Offenlegung der entsprechenden Genehmigungen und Auflagen zulässig.“

Also gibt es nur generelle Zahlen. So wurde 2016 die Fällung von 1.699 Bäumen genehmigt und die Nachpflanzung von 4.136 angewiesen. Für 2017 liegen erst einmal nur Zahlen bis Mai vor – danach wurden knapp 600 Fällungen genehmigt und rund 1.800 Neupflanzungen angeordnet.

Aber mit der Durchführung ist es so eine Sache. Ein Großteil der Bauherren nimmt die Sache ernst und verhalte sich sogar vorbildlich, wie es das Umweltdezernat in Bezug auf die Wohnungsgenossenschaften äußert.

Aber dann gibt es einen erstaunlich hohen Anteil von Grundstücksbesitzern, bei denen die Sache völlig im Nirwana verschwindet.

Was schon damit beginnt, dass die meisten Beauflagten einfach nicht melden, wenn sie die neuen Bäume gepflanzt haben. Obwohl sie dazu verpflichtet sind, wie das Umweltdezernat betont: „Aussagen über die Zahl der durchgeführten Ersatzpflanzungen sind nicht möglich. Gemäß § 10 (3) der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig hat der zu Ersatzpflanzungen Verpflichtete die Erfüllung der Ersatzpflanzungen schriftlich anzuzeigen. Die Meldequote liegt jedoch lediglich zwischen 15 und 30 %.“

Eigentlich müsste die Stadt dann mahnen.

Aber da streckt das Umweltdezernat die Weiße Fahne: „Mahnverfahren bei nicht erfolgten Meldungen der Ausführung der Ersatzpflanzung gestalten sich außerordentlich schwierig und sind mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Dies ist u. a. begründet in Eigentümerwechsel, Tod des Bescheidadressaten, Aufteilung des ursprünglichen Bescheidareals unter einer Vielzahl von Neuerwerbern, Einstellung des Geschäftsbetriebes oder Insolvenz von Bauherren und Bauträgern, Anschriftenwechsel usw. Die Durchführung eines Mahnverfahrens kann durchaus mehrere Jahre dauern.“

Wobei die Nichtpflanzung oft nachvollziehbare Gründe hat. Das Umweltdezernat: „Mahnverfahren können naturgemäß erst nach Ablauf der eingeräumten Fristen eröffnet werden. In vielen Fällen wird vom Säumigen eine Verlängerung der Frist beantragt, die bei Vorliegen plausibler Gründe auch gewährt wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Bauvorhaben nicht oder nur schleppend realisiert werden. Obwohl die Nichtvornahme der Meldung der Ersatzpflanzung einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darstellt, wurde bisher aus Akzeptanzgründen bis auf Ausnahmen von der Einleitung von Bußgeldverfahren abgesehen. Gleiches gilt für die Anwendung von Verwaltungszwang.“

Und als Schmankerl: „Bei Mahnungen stellte sich vielfach heraus, dass die Meldung zur Ersatzpflanzung schlichtweg vergessen wurde, obwohl die Ersatzpflanzung erfolgte.“

Da müssen dann die Mitarbeiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer selber los und nachschauen, ob ein paar frische Bäumchen auf dem Hof stehen.

Ergebnis: „Es wird eingeschätzt, dass der Erfüllungsgrad der Ersatzpflanzungen grundsätzlich bei etwa  60-70 % liegt. Seitens des Amtes für Stadtgrün und Gewässer werden stichprobenartige Kontrollen vor Ort veranlasst.“

Was aber bedeutet, dass 30 bis 40 Prozent der angewiesenen Ersatzpflanzungen trotzdem nicht erfolgen. Also gleich die ganze Ersatzpflanzung „vergessen“ wird. Was nicht unbedingt nur eine Missachtung der städtischen Behörden ist, sondern auch das Stadtklima beeinträchtigt. Denn dieses Grün fehlt dann einfach – ob auf dem schattenlosen Innenhof, an der Straße oder insgesamt im Quartier. Und wer die heißen Sonnentage jetzt erlebt hat, weiß, wie wichtig schattenspendende und kühlende Bäume in einer aufgeheizten Stadt sind.

Die komplette Antwort für die Grünen.

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