Mitten in den evangelischen Kirchentag platzte am Freitag, 26. Mai 2017, erstmals die Meldung, dass es im kommenden Jahr eine weitere religiöse Veranstaltung von internationaler Bedeutung in Leipzig geben könnte. In einer ersten Presseaussendung überraschten die Leipziger Piraten mit der Information, dass ihre Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann einen Antrag für den Leipziger Stadtrat vorbereite, in welchem ein kommunaler Zuschuss für einen weiteren Kirchentag in Leipzig beantragt werden soll. Von bis zu einer Million Euro war die Rede.
Es ist mehr als ein kleiner Spaß, den sich Ute Elisabeth Gabelmann mit ihrem Antrag erlaubt. Und er ist folgerichtig. Denn er bringt ihre Ratskollegen gewollt in eine Zwickmühle. Da es sich bei der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters (Wiki) um eine internationale Glaubensgemeinde handelt, welche zum Beispiel in Deutschland aufgrund des gemeinnützigen Körperschaftsstatus wie jede anerkannte Religionsgemeinschaft rechtlich den beiden maßgeblichen christlichen Kirchen gleichgestellt ist.
Auch in der Struktur ähnelt die nach eigenen Angaben 10 Millionen Anhänger umfassende Glaubensrichtung der katholischen und der evangelischen Kirche. Der Gründer Bobby Henderson ist zwar ein us-amerikanischer Physiker, doch gleichzeitig der weltweit anerkannte Prophet der „Pastafaris“, welche an ihren Gott, das nicht nachweisbare, fliegende Spaghettimonster glauben.
Der oberste Grundsatz der 2005 als Gegenbewegung zu den Kreationisten entstandenen Religionsparodie lautet demnach: „Die Welt wurde vom nicht nachweisbaren Fliegenden Spaghettimonster erschaffen. Alle Hinweise auf eine Evolution wurden von ebendiesem bewusst gestreut, um die Menschen zu verwirren.“ Die zehn Gebote der christlichen Religionen sind den Anhängern ihre acht „Mir wär’s wirklich lieber, du würdest nicht …“.
Manchen wäre es sicher lieber gewesen, Ute Elisabeth Gabelmann hätte den Antrag nicht in Erwägung gezogen. Immerhin müssten sich nun alle Ratsmitglieder, welche den kommunalen Zahlungen von jeweils einer runden Million Euro an den Katholikentag (2016) und den gerade beendeten Kirchentag mit jeweils zweifelhaftem Teilnehmererfolg zugestimmt haben, nun der Frage stellen, wie sie es mit der Gleichbehandlung der Religionen in Leipzig halten.
Zudem beantragt Gabelmann hier Gelder nicht nur für eine anerkannte Kirche, auch die „Umwegrendite“-Debatte ist damit wieder auf dem Tisch – mehr noch als bereits angesichts des schwachen Zuspruchs zum Kirchentag 2017 in Leipzig zu erwarten war.
Ökonomisch vertretbar?
Anhand der Anhängerzahl könnten die 15.000 verkauften Veranstaltungstickets des Kirchentages in Leipzig durchaus auch erreicht, wenn nicht gar übertroffen werden. Ökonomisch gesehen ist also ein ähnliches Argumentationsmuster der Pastafaris möglich, wie es auch beim Katholikentag angewandt wurde. Hier hatten der Zentralrat der Katholiken und die Verwaltung der Stadt Leipzig den Stadträten und Bürgern den Zuschuss von einer Million Euro mit den Einnahmen für die Geschäfte der Stadt, aber auch für das Stadtsäckel selbst verargumentiert. Das Ergebnis lautete dann zwar nur auf rund 180.000 Euro Rückfluss – was jedoch den zweiten Zuschuss an die evangelische Gemeinde 2017 in Höhe von 950.000 Euro nicht schmälerte.
Nun steht also die dritte Kirche, welche bereits 2016 zum Katholikentag mitfeierte, an der Pforte und klopft wegen Steuergeld an. Man darf also gespannt sein, ob Oberbürgermeister Burkhard Jung die Gelegenheit erneut beim Schopfe packen wird und wie einst vor der Abstimmung zum Katholikentag 2014 im Stadtrat vehement für die Religionen eintreten und gegen die (zu erwartenden) Kritiker des Stadt-Zuschusses für das Spaghettimonster antreten wird.
Zur Erinnerung – Die zwei Stadtrats-Debatten zu den Zuschüssen
Die Debatte und die Abstimmung zum Katholikentag 2016, vom 17. September 2014 im Leipziger Stadtrat. Quelle: L-IZ.de
Die Debatte und die Abstimmung zum Kirchentag 2017, vom 17. Dezember 2015 im Stadtrat Leipzig. Quelle: L-IZ.de
Ute Elisabeth Gabelmann im kurzen Interview zum derzeitigen Stand der Dinge
Sehr geehrte Frau Gabelmann, werden Sie tatsächlich eine Million Euro bei der Stadt Leipzig im Stadtrat für ein Kirchentreffen der Kirche des „Fliegenden Spaghettimonsters“ beantragen?
Ja, ich werde tatsächlich Gelder für ein Kirchentreffen der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters beantragen. Nein, die Höhe wird nicht eine Million Euro sein (wir sind nicht gierig), sondern sich an einer eigenen Bedarfsplanung orientieren. Wie viel Geld dies sein wird, kann ich aktuell noch nicht sagen, da der Antrag noch in der Bearbeitung ist.
Wie ermittelt sich die Höhe der beantragten Gelder für Sie?
Die Höhe wird sich an den bereits bekannten Kostenpunkten orientieren, sicherlich auch an der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Kirchentreffens, aber auch daran, mit welcher Umwegrentabilität für die Stadt Leipzig zu rechnen ist.
Planen Sie, auch das Land Sachsen sowie den Bund als Geldgeber für Ihre Festlichkeiten in Leipzig anzufragen?
Sowohl die Bundes- als auch die Landesebene mit einzubeziehen, liegt im Interesse der Veranstalter. Natürlich steht zu befürchten, dass ein Antrag „von außen“ auf einer niedrigen Verwaltungsebene wegdiskutiert wird. Daher konnte ich auf Kommunalebene verstärkend eingreifen. Derzeit spreche ich mit den Veranstaltern über Lösungsmöglichkeiten, wie man deren Anliegen Gehör verschaffen kann.
Können Sie bereits mehr zum Zeitpunkt im Jahre 2018 sagen, den Inhalten der Veranstaltung und dem Motto, unter dem das Kirchentreffen in Leipzig stehen wird?
Soweit ich informiert bin, sind die Planungen bereits angelaufen. Da die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters sich jedoch im Gegensatz zum Katholikentag und zum evangelischen Kirchentag keine hauptamtlichen Mitarbeiter leisten kann, ist sie dabei vollständig auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. D. h. zum jetzigen Zeitpunkt sind die Planungen noch nicht sehr weit fortgeschritten, so dass auch noch ein Datum aussteht.
Es wird allerdings sicherlich zu einer wärmeren Jahreszeit und eventuell über ein verlängertes Wochenende stattfinden, um vielen Gläubigen und anderen Interessierten die Teilnahme zu ermöglichen. Die Veranstalter werden zu gegebener Zeit über inhaltliche Punkte informieren, um die Öffentlichkeit entsprechend einzustimmen.
Zur Kirche des fliegenden Spaghettimonsters im Netz
Die aktuelle LEIPZIGER ZEITUNG mit dem Titel „Glauben oder Wissen“ ist jetzt im Handel
Leipziger Zeitung Nr. 43: Leipzig zwischen Wissen und Glauben
Lokale Berichterstattung über den Stadtrat, Politik und Wirtschaft? Werden Sie Unterstützer.
In eigener Sache (Stand Mai 2017): 450 Freikäufer und weiter gehts
Keine Kommentare bisher
Na da bin ich gespannt. Was für eine geniale Idee, aus der Nummer kommen die Stadträte wohl kaum glücklich raus. Egal in welche Richtung.^^