Nach dem Klimagipfel in Paris 2015 haben Leipzigs Grüne ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das zuvor in Leipzig so nicht diskutiert wurde: Wo hat Leipzig eigentlich seine Gelder angelegt? Was für Geldanlagen sind das? Kann es sein, dass damit völlig ungesunde, klimaschädliche oder gar noch schlimmere Unternehmungen finanziert werden? Die Grünen machen es zum zweiten Mal zum Thema im Stadtrat.
Mit interessierten Bürgern haben sie es am Freitag, 12. Mai, schon mal öffentlich diskutiert. Dazu hatten sie sogar Reinhard Bütikofer, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, zu Gast, der Rede und Antwort stand. Denn auch als Bürger weiß man ja nicht wirklich, wo das Geld eigentlich herumliegt, mit dem auch die eigene Kommune arbeitet.
Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen der Leipziger Grünen hat zu dem Thema einen Antrag „Weiterentwicklung der städtischen Anlagerichtlinie um Nachhaltigkeitskriterien im Sinne von Divestment“ erarbeitet, den die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Leipzig dann auch im Stadtrat eingebracht hat.
Und der Sinn des Ganzen: Eine Stadt wie Leipzig, die sich immer wieder mal als Trägerin des European Energy Awards im Bereich „Europäische Energie- und Klimaschutzkommune“ rühmt, die ist damit auch eine Selbstverpflichtung eingegangen, auch bei den städtischen Finanzanlagen ihren Zielen nachzukommen.
Grund genug für die Grünen, eine Intensivierung des nachhaltigen, ethisch vertretbaren und mittelfristigen Umbaus des Anlageportfolios, genauer des kommunalen Spezialfonds zu beantragen
„Das Thema nachhaltige Geldanlagen hat in den letzten Jahren vor allem auch institutionelle Anleger erreicht. Hierunter fallen Versicherer, Banken sowie Stiftungen, Kirchen, Kommunen und Landkreise“, erklärt Sophia Kraft, Sprecherin der AG Wirtschaft und Finanzen der Leipziger Grünen. „Insbesondere institutionelle Anleger haben dabei aufgrund der Nachhaltigkeitsstrategien Ihrer Anteilseigner zunehmend Nachhaltigkeitsindikatoren in das Asset Management aufgenommen. Darüber hinaus haben sich in den letzten Jahren verschiedene öffentliche Investoren von einzelnen Investmentthemen komplett getrennt. Bereits rund 50 Städte weltweit haben deinvestiert und Investitionen aus fossilen Energieressourcen abgezogen. Leipzig würde sich daher in eine besondere Riege von Städten einreihen und dem deutschen Beispiel von Münster folgen, das bereits 2015 die städtischen Anlagen anhand besonderer Nachhaltigkeitskriterien umstrukturiert hat.“
Da auch Kommunen ihre Gelder oft in großen Fonds anlegen, ist für den Außenstehenden nicht immer klar, was damit letztlich finanziert ist. Das braucht also eine sehr klar abgegrenzte Verwaltung des Portfolios.
Das müsse auch Leipzig auf seine Agenda setzen, findet Sophia Kraft: „Die Finanzwelt hat sich weiter gedreht. Nachhaltige Portfolios können inzwischen mit den klassischen Portfolios Schritt halten, weshalb Leipzig bei unseren Forderungen um keine Renditeeinbußen bangen muss. Vielmehr wird mit einer nachhaltigen Anlagenstrategie langfristig mehr Finanzsicherheit gewährleistet.“
Wesentliche Punkte des Beschlussvorschlags:
- Der Stadtrat der Stadt Leipzig beschließt, dass für städtische Finanzanlagen ab dem 3. Quartal 2017 zusätzlich der Grundsatz gelten soll, nicht mehr in Bereiche zu investieren, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ökologischer, sozialer und/oder ethischer Art problematisch sind. Die nach § 89 Abs. 3 Satz 2 der Sächsischen Gemeindeordnung bestehenden Grundsätze (Sicherheit, angemessener Ertrag, Sicherstellung der Liquidität) für städtische Finanzanlagen sind hiervon unberührt.
- Der Stadtrat der Stadt Leipzig beschließt als Mindeststandard für die Bewirtschaftung von Fonds, die durch die Stadt Leipzig gehalten werden:
– keine Beteiligung an Unternehmen, die auf Atomkraft, auf Kohlekraft oder auf sonstige nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien (Erdgas und Erdöl) setzen oder Schiefergasgewinnung (sogenanntes Fracking) betreiben,
– keine Beteiligung an Unternehmen, welche nicht international anerkannte Prinzipien, wie die UN Universal Declaration of Human Rights und die ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Zwangsarbeit, Kinderarbeit,, Diskriminierung) einhalten.
– die Umsetzung erfolgt in Form des sogenannten Best-in-Class-Ansatzes, kombiniert mit einer Negativliste.
- Darüber hinaus wird die Verwaltung beauftragt, mittelfristig für die Bewirtschaftung von städtischen Finanzanlagen die nachfolgenden weitergehenden ethischen Grundsätze zu berücksichtigen.
– keine Beteiligung an Unternehmen, die in grüner Gentechnik (Agrogentechnik) engagiert sind,
– keine Beteiligung an Unternehmen, die Waffen- und Rüstungsgüter herstellen oder vertreiben,
– keine Beteiligung an Unternehmen, die Tierversuche bei Kosmetika durchführen,
– keine Beteiligung an Unternehmen, denen in den letzten 4 Jahren Bestechungs- oder Korruptionsfälle nachgewiesen worden sind,
– keine Beteiligung an Unternehmen, die Lebensmittel-/Agrarspekulationen betreiben.
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Find ich gut. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass die damit Erfolg haben, aber versuchen muss mans wohl.