Schulentwicklungspläne gibt es in Leipzig künftig jedes Jahr. Mit der Gemütlichkeit vergangener Jahre ist es vorbei. "Wir müssen schneller werden", sagt Sozialbürgermeister Thomas Fabian. Die Bevölkerungsprognose vom Frühjahr 2016 hat die ganze Verwaltung aufgeschreckt. Als Fabian damals den Schulentwicklungsplan vorstellte, kündigte er gleich an, dass der eigentlich sofort wieder überarbeitet werden müsste.
Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man mit 600.000 Einwohnern oder mit 700.000 rechnen muss, mit 6.000 Geburten im Jahr oder künftig gar mit 8.000. Oder sogar mit der Zuwanderung von Kindern im schulpflichtigen Alter. 2015, so Dr. Nicolas Tsapos, Leiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung, bekam Leipzig allein durch Zuwanderung über 1.000 schulpflichtige Kinder dazu. Und das merken die Kinder in den meisten Schulen, in den innerstädischen noch viel mehr als in denen am Stadtrand. Das Überschreiten der Maximalklassenstärke wird immer öfter zur Regel.
Und was schon im Frühjahr 2016 wie ein gewaltiges Investitionspaket wirkte, hat sich mit den neuen Zahlen 2017 fast verdoppelt. Rechnerisch hätte Leipzig mit den alten Zahlen rund 40 Schulen zusätzlich gebraucht.
“Das wären nicht alles neue Schulbauten”, sagt Fabian. Oft könne man mit Container-Anbauten zusätzlich Platz gewinnen, durch Doppelnutzungen in Grundschulen – und zum Glück habe Leipzig noch 19 alte Schulgebäude, die wieder revitalisiert werden können. Zum Glück, das betont er extra. Denn die alten Plattenbauten der Neruda-Schule, der 3. Grundschule und der Kästner-Grundschule sollten ja bekanntlich noch vor wenigen Jahren abgerissen werden.
“Jetzt sind wir froh, dass wir sie noch haben”, sagt Fabian. Auch wenn die Wiederinbetriebnahme dann eben doch wieder eine richtige Großinvestition wird.
Und Großbaustelle heißt eben auch immer: Leipzig braucht Geld. Mit 72 Millionen Euro im Jahr 2017 und 91 Millionen im Jahr 2018 gibt Leipzig so viel Geld für Schulbauten aus wie seit 1990 nicht. Aber wenn man die Zahlen sieht (rechnerisch 40 neue Schulen bis 2030), dann sieht das, was seit 2012 geschafft wurde, doch recht bescheiden aus: vier Grundschulen hat man geschafft, zwei neue Oberschulen, ein Gymnasium. An den Gymnasien in der Telemannstraße und in der Gorkistraße wird ja noch gebaut – die gehen erst zum Schuljahresstart 2017/2018 in Betrieb.
Nun aber haben Fabian und Tsapos die Zahlen für die neue Schulbedarfsplanung vorgelegt. Danach wird Leipzig nicht nur 40 weitere Schulen brauchen bis 2030, sondern 71. Allein bei Grundschulen erhöht sich der Bedarf von 22 auf 39, bei Oberschulen von 11 auf 21, bei Gymnasien von 7 auf 11.
Auch wenn Manches durch Erweiterungen und “Nutzungsverdichtungen” aufgefangen werden kann, werden 70 bis 80 Prozent davon wohl neu gebaut werden müssen, sagt Fabian. Da kann, wer will, selbst rechnen: Wenn man pro neuer Schule im Schnitt mit 20 Millionen Euro rechnet, sind das 50 mal 20 allein für Neubauten, in Summe: 1 Milliarde Euro. Leipzig muss also in den nächsten Jahren das Niveau von 70 bis 90 Millionen Euro pro Jahr allein für Schulneubauten halten.
Das wird es nicht aus eigener Kraft schaffen. “Wir brauchen dringend eine stärkere Unterstützung vom Land”, sagt Tsapos.
Denn die Erweiterungen kommen ja noch obendrauf.
Und: “Wir können gar nicht zu viel in Planung geben”, sagt Fabian. “Wir müssen alles für die Planung fertigmachen, was wir schaffen.”
Deswegen will er in die nächste Ratsversammlung ein Beschlusspapier bringen, mit dem der Stadtrat gleich 22 Maßnahmen auf einmal zur Planung beschließt. Auch das ein Projekt zur Verkürzung der Zeiträume. “Wir müssen schneller planen und schneller bauen.” Und die Fördermittelanträge müssen so schnell wie möglich geschrieben werden, um die Gelder zu sichern.
Etliche Schulbauten sind ja schon beschlossen und mit dem Doppelhaushalt auch finanziell unterfüttert. Aber während Dresden und Chemnitz ihre Doppelhaushalte von der Landesdirektion Sachsen auch schon genehmigt bekamen, steht die Genehmigung für Leipzig noch aus. Manchmal klemmt es nicht in Leipzig, sondern andernorts.
Aber das betrifft dann eben auch die Sanierung der alten Kästner-Schule, der alten Neruda-Schule und der ehemaligen 3. Grundschule. Alles wartet auf den Startschuss. Neue Grundschulen sind in der Gießerstraße, der Rolf-Axen-Straße und an der Brüderstraße geplant. Ähnlich ist es mit den Oberschulen und Gymnasien – man denke nur an die Bauprojekte an der Ihmelsstraße oder der Karl-Heine-Straße.
Zwei weitere neue Gymnasien am Dösener Weg und am sogenannten Prager Dreieck (Prager Straße) befinden sich in der Planung. Endlich geht es am Bayerischen Bahnhof (Dösner Weg) los, möchte man sagen. Die Zeit drängt. Denn mit über 1.700 Geburten im ersten Quartal steuert Leipzig auf das nächste Geburtenhoch zu. Und die jungen Familien tauchen an Orten auf, wo sie die Leipziger Schulplaner vor fünf Jahren noch nicht erwartet hatten. Damals war eigentlich nur die Südvorstadt als Brennpunkt ausmachbar. Mittlerweile sind auch Gohlis-Mitte, Alt-West mit Lindenau und Schleußig und die Karl-Heine-Straße (Plagwitz/Lindenau) dazugekommen. Was natürlich das Jahrtausendfeld ins Blickfeld rückt.
Und weil sich alles so schnell ändert und die jungen Familien oft an Punkten auftauchen, wo sie von den Planern nicht erwartet wurden, soll es 2018 gleich die nächste Fortschreibung für den Schulentwicklungsplan geben.
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