Na dann rechnen wir doch mal. Es gibt ja nicht wirklich viele Rechner im Leipziger Stadtrat. Zu den wenigen, die sich intensiv mit Zahlen beschäftigen, gehört Heiko Oßwald, von Beruf Betriebsprüfer, ausgebildeter Diplom-Finanzwirt. Der SPD-Stadtrat hat sich in seiner Rede in der Ratsversammlung am Mittwoch, 12. April, mal die Zahlen zur LWB vorgenommen. Die Eigentümerziele standen ja mal wieder zur Diskussion.
Zuletzt wurde über die Eigentümerziele der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft im Stadtrat 2014 intensiv diskutiert. Damals noch mit einigen Fragezeichen. Weder Verwaltung noch ein Großteil der Ratsmitglieder konnte wirklich abschätzen, wohin die Reise gegen würde mit dem Leipziger Wohnungsmarkt und vor allem den genauen Zahlen zum sozialen Wohnungsbau.
Aber manchmal reicht auch ein Blick auf die Entwicklung, um Bedarfe in Zahlen fassen zu können. So weit aber war Leipzigs Verwaltungsspitze damals noch nicht.
„Die erfolgreiche Entwicklung Leipzigs verbunden mit einem rasanten Bevölkerungswachstum führt auch zu einer atemberaubenden Entwicklung am Leipziger Immobilienmarkt. Bereits in meiner letzten Rede zur Anpassung der Eigentümerziele LWB im März 2014 hatte ich darauf hingewiesen, auch wenn die Datenlage damals noch widersprüchlich war. Nun bestätigt sich dieser Trend“, sagte SPD-Stadtrat Heiko Oßwald am Mittwoch.
Nur um es noch einmal zu betonen: Der Trend war 2014 absehbar. Doch alle verantwortlichen Instanzen zögerten, die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen. Ganz vorneweg ein beratungsresistenter Innenminister, der sich bis heute schwertut, überhaupt eine durchdachte Wohnungspolitik für Sachsen zu entwickeln. Schon gar für den rasant wachsenden Bedarf der Großstädte. Die bekommen jetzt zwar ein paar Milliönchen für sozialen Wohnungsbau. Aber das wird nicht reichen.
„In den letzten fünf Jahren kamen 62.000 Menschen neu hinzu, der Leerstand ging auf 9.000 Wohneinheiten im marktaktiven Bestand zurück (von ehemals 69.000 im Jahr 2000), die Bautätigkeit nimmt zu (von 1.000 auf jetzt 2.000 Wohneinheiten im Neubau) und die Baugenehmigungen steigen stark an. Und diese Entwicklung hält an, ja gewinnt sogar noch an Fahrt. Viele Akteure stehen jetzt in den Startlöchern und beginnen mit der Planung mittlerer und großer Bauprojekte“, stellte Oßwald fest. „Denn der Bedarf an neuem Wohnraum ist riesig. Laut dem Amt für Statistik und Wahlen wird allein in den nächsten drei Jahren in Leipzig mit einem jährlichen Zuwachs von durchschnittlich 6.600 Haushalten gerechnet.“
So gesehen steigt die LWB recht spät wieder in den sozialen Wohnungsbau ein.
„Für die LWB bedeutet dies, dass sie ihre Kehrtwende von einer Entschuldungs- und Konsolidierungsstrategie hin zu einer Wachstums- und Investitionsstrategie noch schneller hinbekommen muss. Dafür muss der Gesellschafter Stadt Leipzig jetzt die Weichen stellen“, sagte Oßwald.
Und dann rechnete er einmal nach, was die Verwaltung da jetzt eigentlich in die Eigentümerziele schreiben will: „Die aktualisierten Eigentümerziele sehen zwar vor, dass die LWB ihren bisherigen Marktanteil von 10,5 % halten sollen, um weiterhin gewisse Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten auf dem Leipziger Immobilienmarkt zu behalten. Doch was heißt das konkret in Zahlen für die LWB? 37.000 Wohnungen bis 2026 wie es die Unternehmensplanung der LWB vorsieht? Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Verwaltung unser Anliegen aufgegriffen hat nun eine klare absolute anzustrebende Zielgröße zu benennen, die für die LWB und den Gesellschafter abrechenbar und steuerbar ist. Ob ein Ziel von 38.000 Wohneinheiten ausreichend ist, den Marktanteil zu halten, wie es die Verwaltung jetzt vorschlägt, bezweifeln wir aber.“
2015 gab es in Leipzig rund 333.000 Wohnungen. Ein Anteil, von 10,5 Prozent hatte damals schon rund 35.000 Wohnungen bedeutet. 2016 erhöhte sich der Wohnungsbestand auf über 335.000. Und so wird das, wenn die Bautätigkeit anhält, auch in den nächsten Jahren weitergehen.
„Bereits bei der Diskussion zur Anpassung der Eigentümerziele im Jahr 2014 forderte Die Fraktion die Linke eine mittelfristige Festschreibung des Wohnungsbestandes auf 40.000 Wohneinheiten“, stellte Oßwald fest. „Das hielt meine Fraktion damals für eine richtige aber verfrühte Forderung. Angesichts des bereits beschriebenen dynamischen Immobilienmarktes und der gesunden wirtschaftlichen Entwicklung der LWB kommen wir jetzt nicht mehr an dieser Festschreibung vorbei, wenn wir das Ziel, den Marktanteil halten zu wollen, wirklich ernst meinen.“
Denn auch die LWB braucht Planungsvorläufe. 2015 bewirtschaftete die LWB 34.896 Wohnungen. Das lag schon knapp unter der angestrebten Marke von 10,5 Prozent. Das stadteigene Wohnungsunternehmen muss also wieder bauen oder zukaufen. Es verfolgt übrigens beide Strategien. Aber wirklich steuern kann das Unternehmen nur, wenn es vor allem preiswerte Wohnungen zur Verfügung stellt und damit dämpfend auf das Mietpreisniveau im ganzen Stadtgebiet einwirkt.
„Es ist richtig und wichtig, bei der Formulierung von Eigentümerzielen Sachziele und Finanzziele möglichst in Einklang zu bringen. Auch wir kennen den anstrengenden Weg der LWB von einem insolvenzbedrohten hin zu einem gesunden Unternehmen. Aber man darf auch nicht vor jedem Sachziel den Vorbehalt der finanziellen Leistungs- und Investitionsfähigkeit wie ein Mantra vor sich herschieben“, sagte Heiko Oßwald in seiner Rede. „Wenn man ein Sachziel als sehr wichtig für die Stadt erachtet, dann sind Gesellschaft und Gesellschafter gefordert, alles zu tun um dies auch umzusetzen. Das ist in der Privatwirtschaft auch nicht anders. Jeder Firmeninhaber wird letztendlich seine Gesellschaft so mit Mitteln ausstatten, dass sie auch die vom Gesellschafter beschlossene Unternehmensstrategie umsetzten kann. Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag auch klar die Verantwortung des Gesellschafters benannt. Nämlich alle Mittel und Wege zu prüfen, den Wachstumskurs der LWB hin zu 40.000 Wohneinheiten zu unterstützen. Das kann die Bereitstellung von freien Flächen sein, die für die Wohnbebauung geeignet sind oder die Übertragung von Wohnimmobilien der Stadt und anderer kommunaler Unternehmen auf die LWB, wie von uns schon lange gefordert und immer noch nicht umgesetzt. Erfolg wird sich nur einstellen, wenn LWB und Stadt ganz eng an einem Strang ziehen.“
Dass es nun endlich die lange geforderte Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Sachsen gebe, freute den SPD-Stadtrat natürlich: „Dies wird es der LWB ermöglichen, ca. ein Drittel der neu zu schaffenden Wohnungen im Segment Sozialwohnungen anzubieten. Hier wäre es wichtig, diese im besonders nachgefragten Bereich der 1 und 4 Raumwohnungen möglichst über das gesamte Stadtgebiet verteilt anzubieten.“
Der SPD-Vorschlag fand dann ja auch eine Mehrheit und erwischte auch die LWB erst einmal kalt. Die hatte mit 3.000 neuen Wohnungen bis 2026 und einem Investitionseinsatz von 300 Millionen Euro gerechnet. Jetzt müssen es 5.000 neue Wohnungen werden. Aber eigentlich war absehbar, dass der dicke Brocken bei irgendjemandem landen würde, nachdem gerade die sächsische Regierung jahrelang Blinde Kuh gespielt hat. Und es ist wie immer: Die Kommunen müssen einspringen, wo eine selbstgefällige Regierungsrunde versagt und die SPD sich am unbelehrbaren Koalitionspartner in Dresden vergeblich abmüht, ihn zu einer Realpolitik für das 21. Jahrhundert zu bewegen.
Jetzt müssen die Leipziger rechnen, wo sie das Geld hernehmen.
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