Anfang April beschwerte sich der Leipziger Ökolöwe lautstark, dass die Leipziger Umweltverbände nicht einbezogen werden, wenn es um die wasserrechtliche Erlaubnis für die Leipziger Bootsverleiher geht, ihre Boote auch durch den Auenwald und den Floßgraben fahren zu lassen. Denn gewerbliche Boote dürfen dort nicht ohne Sondernutzungsgenehmigung fahren.
Sie brauchen dazu eine wasserrechtliche Sondererlaubnis. In all den Jahren zuvor waren sie dort widerrechtlich unterwegs. Leipzigs Umweltbehörde sah überhaupt keinen Grund, sich um das Thema zu kümmern. Bis eine Beschwerde bei der Landesdirektion dafür sorgte, dass es eine deftige Rüge gab für Leipzigs Umweltbehörde. Die so tat, als fiele sie aus allen Wolken und hätte nie davon gehört, welche Regeln in Naturschutzgebieten gelten. Und eine Regel ist nun einmal, dass sämtliche gewerbliche Tätigkeiten in Naturschutzgebieten untersagt sind.
Es können Sondernutzungserlaubnisse verteilt werden – aber die setzen zwingend naturschutzfachliche Einschätzungen voraus. Denn das mindeste, was die Genehmigung gewährleisten muss, ist sicherzustellen, dass es keine Verschlechterung im Schutzgebiet gibt. Aber jede Art von Bootsverkehr ist eine Beeinträchtigung der Lebensbereiche im Schutzgebiet. Es müssten also nicht nur strenge – und nachvollziehbare – Regeln angelegt werden und nachvollziehbare Verträglichkeitsprüfungen erfolgen.
Eigentlich müssten auch unabhängige Umweltschutzverbände beteiligt werden an solchen Verfahren. Und zwar zwingend und vor Erteilung der Genehmigung.
So steht es im Bundesnaturschutzgesetz. Selbst Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt weiß das, denn er bestätigt dem grünen Landtagsabgeordneten Wolfram Günther auf Nachfrage: „Gemäß S 63 Abs. 2 Nr. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) – in Verbindung mit $ 33 Abs. 2 Sächsisches Naturschutzgesetz – ist den anerkannten Naturschutzvereinigungen unter anderem vor der Erteilung von Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz von Natura-2000 Gebieten Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben, auch wenn diese durch eine andere Entscheidung eingeschlossen oder ersetzt werden.“
Doch das sieht man in Leipzig irgendwie nicht so. Man versucht die Umweltverbände draußen zu halten, obwohl die wasserrechtliche Erlaubnis, die ein Durchfahren des Auenwaldes ermöglicht, genau so eine Verbotsbefreiung ist.
„Im Zuständigkeitsbereich der Stadt Leipzig sind anhängige wasserrechtliche Gestattungsverfahren noch nicht abgeschlossen“, teilte Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) mit Datum vom 18. März mit. „Es kann aufgrund des Verfahrensstandes derzeit keine abschließende Aussage darüber getroffen werden, ob im Zusammenhang mit der Erteilung des naturschutzrechtlichen Einvernehmens eine Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG notwendig wird und mithin ein Mitwirkungsrecht von anerkannten Naturschutzvereinigungen besteht beziehungsweise entstehen wird.“
Was umso heikler ist, als dass das Amt für Umweltschutz, Sachgebiet Wasserbehörde, den Leipziger Bootsverleihern schon im März mitteilte: „Das Gutachten für die naturschutzrechtliche Beurteilung des Bootsverkehrs in den Schutzgebieten steht kurz vor der Fertigstellung. Bis zur Erteilung der wasserrechtlichen Gestattung darf aus wasserbehördlicher Sicht der Bootsverleih unter Berücksichtigung des Artenschutzes (Eisvogel), des Biotop-(Floßgraben) und Landschaftsschutzes sowie der folgend genannten Auflagen weitergeführt werden ..“
Man hat über ein Jahr Zeit gehabt, das Leipziger Verfahren auf rechtlich stabile Füße zu stellen – und hat es dennoch nicht geschafft. 2016 hat man die Bootsfahrten einfach geduldet.
Die Auskunft des Umweltministers ist auch deshalb heikel, weil ein Verleiher in Leipzig augenscheinlich schon eine offizielle wasserrechtliche Genehmigung für 30 Boote hat, ohne dass bislang geklärt ist, ob die Umweltverbände nun das Gutachten einsehen dürfen oder nicht. Gibt es das Gutachten überhaupt schon? Und wenn ja: Was steht drin?
Denn beim Monitoring zum Wassertouristischen Nutzungskonzept, das 2016 erstellt wurde, stellten die Gutachter für den Floßgraben mit 300 Bootsbewegungen (Spitze) am Tag genauso eine Maximalbelastung fest wie mit über 800 Bootsbewegungen im Gewässerknoten Leipzig. Wenn jetzt Genehmigungen für Bootsverleiher ausgegeben werden, müssen irgendwo auch belastbare Maximalzahlen auftauchen.
Aber wo sind die?
Dass in Leipzig augenscheinlich schon so ziemlich die Maximalgrenze verfügbarer Verleihboote erreicht wurde, zeigen die Zahlen, die Thomas Schmidt liefert: 452 muskelbetriebene Boote sind allein bei den Verleihern im Leipziger Gewässerknoten registriert – jeweils über 90 allein bei den größten Verleihern, dem Bootsverleih Herold und der DHfK. Zehn Bootsverleiher sind allein an den Leipziger Gewässern aktiv. Im Schnitt betreiben sie 45 muskelbetriebene Boote. Die motorbetriebenen werden überhaupt nicht aufgelistet, was schon verblüfft, denn auch auf der Pleiße werden regelmäßig Motorboote gesichtet. Beantragt der Betreiber keine weitere Nutzung? Oder hat er vor, weiterhin schwarzzufahren?
Man darf auch die Leipziger Verleiher nicht allein betrachten. Denn auch vom Cospudener See her kann man in den Floßgraben einfahren. Und am Cospudener See sind ebenfalls 95 muskelbetriebene Verleihboote registriert – und das auch noch mit wasserrechtlicher Genehmigung, was ebenso verblüfft, denn Schmidt betont ja, dass das Landratsamt im Landkreis Leipzig überhaupt keine Veranlassung sah, die Umweltverbände einzubeziehen.
Die Auskunft des Umweltministeriums klingt also nach dem üblichen Wildwuchs im Neuseenland. Jeder macht sein Ding und die Umweltverbände versucht man mit allen Mitteln rauszuhalten.
Übrigens beleuchtet die Anfrage auch das Thema Motorboote – zumindest was die drei Seen im Süden betrifft, wo ja nun Frühjahr für Frühjahr jede Menge Tamtam um „Mastergenehmigungen“ und Erlaubnisse für Motorboote gemacht wird.
320 Boote mit Motor dürften nach Mastergenehmigung allein auf dem Zwenkauer See fahren. Aber bis jetzt sind dort erst 13 mit wasserrechtlicher Genehmigung registriert. Was soll also das Spiel mit den großen Zahlen und dem Dringlichkeitsruf in jedem Frühjahr, als wenn die Motorbootsbesitzer verzweifelt Schlange stünden, um endlich aufs Wasser zu dürfen?
13 Boote kann man auch in aller Ruhe einzeln genehmigen und braucht dazu ganz bestimmt keinen ganzen Tag.
Am Markkleeberger See ist ein einziges Motorboot wasserrechtlich gemeldet, am Cospudener See sind es zwei. Der stets behauptete Bedarf an Motorbooterlaubnissen scheint so gar nicht zu existieren. Oder gilt auch da: Niemand kontrolliert und alle tun so, als hätten sie nie etwas von Meldepflichten gehört?
Nach wirklich viel Engagement der Umweltbehörden, zu erfahren, was wirklich auf den Gewässern in Leipzig und im Neuseenland los ist, klingt die Ministerantwort jedenfalls nicht.
Anfrage von Wolfram Günther von 2015 „Gewässertouristische Nutzung im Leipziger Auwald“. Drs. 1105
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