Leipzig ist keine Ausnahme. Überall in den Großstädten der Republik ziehen die Immobilienpreise an. Das hat nicht nur mit dem Bevölkerungszuwachs in den Großstädten zu tun, sondern auch mit der Suche nach stabilen Geldanlagen. Trotzdem geht seit 2011 die Post ab auf dem Leipziger Immobilienmarkt. Grund genug für eine jährliche Berichterstattung.

Denn mittlerweile, so betont Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau, passiert zu viel zu schnell auf dem Leipziger Markt. Und zwar in Teilsegmenten dieses Marktes, der auf den ersten Blick ganz stabil aussieht: Wurden 2015 noch 2,8 Milliarden Euro bei Immobilienverkäufen in Leipzig umgesetzt, so waren es 2016 dann 2,9 Milliarden. Das sieht auf den ersten Blick wie eine Stabilisierung aus, nachdem sich die Umsätze in den Vorjahren verdoppelt hatten – von 1,4 Milliarden im Jahr 2011. Und das sah damals auch eher wie eine Normalisierung aus, denn in der Zeit der Finanzkrise waren die Umsätze auf 900 Millionen abgerutscht.

So recht glaubte da noch niemand daran, dass Leipzig sich zu etwas entwickeln würde, was sich 1990 viele Leute erträumten: einer „Boomtown“. Wo ständig neue Arbeitsplätze entstehen, wo ständig neue Leute hinziehen, wo sich die Baukräne drehen und auch die üblichen Investoren und Anleger hingehen, weil die Stadt sich für nachhaltige Geldanlagen zu lohnen scheint.

Ein Aspekt, auf den Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau am Mittwoch, 5. April, bei der Vorstellung des Gründstücksmarktberichts für 2016 gesondert einging.

Denn wenn in Leipzig gekauft wird, sind das immer öfter auch große Fonds und Rentenkassen. „Vor drei Jahren hab ich mich mit denen unterhalten, und da bekam ich immer nur ein ‚Na ja, wir wissen nicht so recht‘ zu hören“, erzählt Dubrau.

Mittlerweile fragen sie gezielt an und investieren vor allem in neue Wohnbauprojekte wie am Lindenauer Hafen.

Zuweilen, das stellt Dubrau auch fest, ist der Schritt nach Leipzig auch ein notwendiger, weil es in anderen deutschen Großstädten kaum noch solche Angebote gibt. Und da werde dann genau geschaut, ob Städte sich auch so nachhaltig entwickeln, dass es sich lohnt zu kaufen. Denn ein Feuerwerk nutzt bei solchen langfristigen Anlagen nicht: Die Stadt muss sich stabil entwickeln und – wo möglich – steigende Einkommen und damit auch langsam steigende Mieten verzeichnen.

Da klemmt es eigentlich noch in Leipzig, stellt auch Matthias Kredt fest, Vorsitzender des Leipziger Gutachterausschusses für Grundstückswerte, der den Grundstücksmarktbericht erstellt. Die Immobilienpreise steigen seit drei Jahren deutlich stärker als die Einkommen.

Ausschnitt aus der Leipziger Bodenrichtwertkarte. Screenshot: L-IZ
Ausschnitt aus der Leipziger Bodenrichtwertkarte. Screenshot: L-IZ

Und die Preise steigen über alle Immobilienarten.

Selbst bei Einfamilienhausgrundstücken, wo jahrelang eher beschauliche Stille herrschte. Die Wohnparkentwickler stöhnten, weil sie nicht genug verkaufen konnten. Die 600 Quadratmeter großen Grundstücke gingen im Schnitt für 60.000 Euro weg.

Bis 2013. Da begannen die Preise anzuziehen – besonders in guten und sehr guten Lagen. Das war das Jahr, in dem auch das Leipziger Stadthaus-Programm so still und leise zum Erliegen kam. Denn es zeichnete sich ab, dass es schlicht nicht mehr wirtschaftlich war, kostbare Innenstadtgrundstücke mit Stadthäusern zu bebauen.

Auf einmal begann nicht nur eine neue Sanierungswelle für Mehrfamilienhäuser, in Leipzig wurde auch wieder neu im Mehrgeschosswohnungsbau investiert. Logisch: Wer da noch ein Einfamilienhaus im Innenstadtbereich wollte, der zahlte mehr fürs Bauland – und zwar mehr als die 97.000 Euro, die Einfamilienhausgrundstücke 2016 im Schnitt kosteten, eher 200.000 oder – in City-Nähe – 400.000 Euro.

Auch eine Art Normalisierungsprozess: Wer in Leipzig in guter Lage bauen möchte, muss es sich jetzt wieder leisten können.

Aber genauso steil sind die Kaufpreise für sanierte und unsanierte Mehrfamilienhäuser angezogen. Auch da herrschte bis 2012 so ziemliche Windstille. Nicht unbedingt bei der Zahl der Kauffälle. Die nahm schon seit 2010 sachte zu. Die Immobilienentwickler haben sehr wohl mitgekriegt, dass die Bevölkerungszahl in Leipzig deutlich anzog. Aber in der Welt der Immobilien geht alles etwas langsamer zu, denn bevor die Sanierung eines Gründerzeithauses beginnt, will ein Entwickler sich auch sicher sein, dass er das Haus später auch komplett verkauft bekommt – ob im Ganzen oder in Teilen (als Eigentumswohnungen), ist eine andere Frage. Aber die Gerüste werden erst aufgebaut, wenn der Weiterverkauf als sicher abzusehen ist.

So hat sich die Zahl der verkauften sanierten Mehrfamilienhäuser in Leipzig seit 2010 regelrecht verdoppelt – von 183 auf 415 im Jahr 2015. 2016 ging die Zahl der verkauften Häuser zurück auf 304.

Woran lag das?

Der Blick in die Statistik zeigt: Es gab und gibt immer weniger noch nicht sanierte Mehrfamilienhäuser. Das Angebot ist also deutlich zurückgegangen.

Umgesetzt wurde trotzdem mehr Geld, weil der Quadratmeterpreis für das sanierte Mehrfamilienhaus sich ebenfalls verdoppelt hat – von 638 Euro im Jahr 2011 auf 1.230 Euro im Jahr 2016.

„Das Angebot ist eindeutig knapper geworden“, stellt Kredt fest. Dasselbe kann man bei bebauten Gewerbegrundstücken feststellen und ebenso bei Eigentumswohnungen, die vor allem im Erstverkauf deutlich im Preis angezogen haben.

Das alles deute natürlich darauf hin, dass das Angebot in Leipzig knapper geworden sei. Bei unbebauten Grundstücken, so Kredt, stehe auch zu vermuten, dass sich die Eigentümer solcher Grundstücke jetzt zurückhalten. Immerhin hat sich der Wert dieser Grundstücke binnen eines Jahres allein um 20 Prozent erhöht. Da werde wohl so mancher Eigentümer warten, bis er aus seinem Grundstück noch viel mehr Geld herausschlagen könne.

Wobei Kredt auch darauf hinweist, dass es vor allem der Geschosswohnungsbau ist, der in Leipzig die Bodenpreise hat ansteigen lassen, zum Teil extrem. Was auch daran liegt, dass vor allem in den teureren Innenstadtbereichen gebaut wird – hochpreisig zumeist. Und die Grundstückspreise relativieren sich natürlich, wenn man aus so einem Stück Bauland in einem attraktiven Viertel durch gute Mieteinnahmen auf mehreren Geschossen eine höhere Rendite erwirtschaften kann.

Und die Nachfrage nach solchen Häusern sei nach wie vor da, sagt Dubrau.

Wobei die vielen Kaufverträge, die der Gutachterausschuss auswertet (immerhin 7.331 Kauffälle allein 2016), auch zeigen, wie sich die Stadt verändert. Sehr auffällig ist, dass sich mittlerweile besonders viele Kauffälle für Mehrfamilienhäuser im Leipziger Osten ballen: in Volkmarsdorf, Neustadt-Neuschönefeld, Sellerhausen-Stünz und Anger-Crottendorf.

Das kann man als „links und rechts der Eisenbahnstraße“ beschreiben, aber auch als „links und rechts des künftigen Bahnbogens“. Ähnlich rege Verkaufstätigkeit registriert man in Altwest (Lindenau, Leutzsch, Altlindenau). Die Immobilienverkäufe bestätigen also, was die Ortsteilkataloge der Stadt als Wanderungsbewegung der Leipziger beschreiben: Altwest und Leipziger Osten sind augenblicklich die Stadtteile mit dem stärksten Wachstum. Die Immobilienbesitzer freut es, denn damit gewinnen ihre Häuser und Wohnungen an Wert.

Was dann eben auch in den Gesamtumsätzen von 2,9 Milliarden Euro steckt. Das ist der höchste Wert seit 1992, betont Dubrau. Die Statistik zeigt ja, wie in Leipzig bis ungefähr 1996 „Boomtown“ gefeiert wurde – dann brach nicht nur die Bevölkerungszahl ein, sondern auch die Bau- und Kauftätigkeit. Bis 1998 wirkte auch die Sonderabschreibung für alte Baudenkmäler, aber dann war praktisch bis 2010 die Luft raus. Und man merkte ja, wie aufmerksam gerade große Immobilienentwickler und Fonds die Bevölkerungsentwicklung in Leipzig in diesen Jahren beobachteten: Hält der Zuwachs an? Wächst die Zahl der Arbeitsplätze? Steigt das Einkommensniveau?

Auch Dorothee Dubrau weiß, dass die Entwicklung bis heute zweischneidig ist. Die Hälfte der Stadtgesellschaft hat sehr wohl teil am wirtschaftlichen Aufschwung. „Aber 45 Prozent der Bewohner von Leipzig bekämen eigentlich, wenn man es richtig betrachtet, einen Wohnberechtigungsschein, um eine Sozialwohnung zugewiesen zu bekommen“, sagt die Baubürgermeisterin.

Diese Hälfte der Wohnbevölkerung wird logischerweise auch weder eine Wohnung noch ein Haus kaufen und auf niedrige Mieten angewiesen sein.

Aber der Grundstücksverkehrsbericht enthält auch eine Karte, die die aktuellen Bodenrichtwerte in Leipzig zeigt. Mit einem glühend roten Kern vom Waldstraßenviertel über City bis Connewitz. Hier waren die Bodenrichtwerte schon vorher hoch, sind aber 2016 noch einmal zwischen 50 und 100 Prozent angezogen.

„Bis auf die City“, sagt Matthias Kredt. „Hier haben wir die Richtwerte bewusst bei 1.500 bis 4.000 Euro gelassen. Auch weil sich hier an Verkäufen 2016 nicht wirklich viel getan hat.“

Im Speckgürtel drumherum dafür umso mehr. Und auch hier waren es, so Kredt, vor allem Verkäufe im Mehrgeschossbau, die für ein deutliches Ansteigen der Grundstückspreise gesorgt haben.

Und seit 1992 – so Dorothee Dubrau – wurden auf dem Leipziger Immobilienmarkt mittlerweile 38,3 Milliarden Euro umgesetzt. Da kann man die 2,9 Milliarden von 2016 mit einordnen. Und wo liegt Leipzig im Städtevergleich?

„Mit Städten wie Dortmund, Nürnberg und Bremen kann sich Leipzig durchaus schon vergleichen“, sagt Kredt. Für München oder Frankfurt/Main fehlt noch ein Stück.

Der aktuelle Grundstücksmarktbericht ist für 60 Euro wieder beim Gutachterausschuss der Stadt Leipzig erhältlich.

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